Weil die schöne Nymphe Cynara Zeusʼ Annäherungsversuchen widerstand, verwandelte sie der rachesüchtige Göttervater prompt in eine stachelige Artischocke: Cynara cardunculus. Noch heute versteckt sich also die schöne Nymphe in der neugriechischen Bezeichnung für die Pflanze: αγκινάρα / anginára.
Die distelartige Staude stammt ursprünglich aus dem südlichen, arabischen Mittelmeergebiet, von wo sie erst im späten 15. Jahrhundert über Italien nach Griechenland gelangt. Hier, in den warmen Regionen des Mittelmeerraums, gedeihen die frostempfindlichen Artischocken bestens. Auf der Peloponnes werden Artischocken auf riesigen Anbauflächen kultiviert, deren Erträge tonnenweise in viele Staaten exportiert werden. Überhaupt nimmt Griechenland bei der Produktion dieses Gemüses einen der vordersten Plätze auf dem Weltmarkt ein. Die anginára gedeiht in vielen Regionen des Landes – auf Kreta, dem Dodekanes und den Ionischen Inseln und hat, auch dort, längst ihren Weg in die griechische Küche gefunden. Die Artischocken werden in den Frühlingsmonaten von den kultivierten Feldern geerntet; je nach Lage kann man im Moment noch immer einige der Exemplare pflücken, doch deren Tage sind gezählt. Auf den lokalen Wochenmärkten bieten die Bauern während der Erntezeit Artischocken an. In den Genuss von frischen, im Garten gezüchteten Artischocken zu kommen, ist dagegen eher eine Seltenheit, was sicherlich an der Art des Anbaus der Artischocke liegt. Der essbare Anteil der raumeinnehmenden Pflanze beträgt kaum 20 Prozent, daher ist die distelähnliche Staude in kleinen Gärten eine Rarität. Am Ionischen Meer habe ich zum ersten Mal Artischockenstauden im groß angelegten Garten eines Dörflers gesehen, wobei mich das disproportionale Verhältnis zwischen der Größe der Staude und ihrem geringen Anteil der zum Verzehr geeigneten Blütenknospen erstaunt hat. Wie Brokkoli und Blumenkohl ist die Pflanze ein Blütenstandsgemüse, von dem einzig die junge, noch geschlossene Blütenknospe verzehrbar ist. Zudem gehören die hoch und breit heranwachsenden distelartigen Stauden alle drei bis vier Jahre verjüngt, weil sie ansonsten kaum mehr Artischockenblüten entwickeln. Zur Zubereitung entferne ich die holzigen Stängel der kratzigen Knospe, ihre harten äußeren Blätter; dann kappe ich auch die Spitzen der die Artischockenknospe umhüllenden fleischigen Blätter. Den verbleibenden Anteil gare ich in Salzwasser. Wie ich meiner Nachbarin abgeguckt habe, serviere ich die gegarten Artischocken auf einfache Weise mit Olivenöl und mit Zitronensaft beträufelt. Der weichste Anteil ist freilich das auf den jungen Knospenböden angelegte Artischockenherz, die eigentliche Delikatesse. Die aus der Staude hervorleuchtenden faustgroßen Artischockenblüten mit ihrer violetten Staubblätterhaube sehen wunderschön aus, doch in diesem Stadium eignen sie sich nicht mehr zum Verzehr. (Griechenland Zeitung / Linda Graf)