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Ein Mittel gegen Parodontose aus der Antike?

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Foto (© Griechenland Zeitung / wa): Die Brombeeren – Rubus fruticosus/sp. – Τα βατόμουρα Foto (© Griechenland Zeitung / wa): Die Brombeeren – Rubus fruticosus/sp. – Τα βατόμουρα

Brombeeren kennt jedes Kind: schwarz, glänzend, süß – eine sommerliche kleine Köstlichkeit am Wegesrand. Brombeerranken kennt jeder Gärtner, jede Gärtnerin. Sie sind ein einziges Leid, wachsen sie wild entlang des Zaunes. Auch wenn ihre Wurzeln schweren Boden auflockern, wird man sie doch nicht mehr los. Brombeermarmelade, aus den wild wachsenden Früchten – wer kennt sie? Wer hat sich schon einmal diese Mühe gemacht, sie selbst herzustellen oder das Glück gehabt, welche zu kosten?

Die beste Brombeermarmelade, die ich je gegessen hatte, war die eines Freundes. Viele Jahre lebte er auf der Insel Alonissos. Er liebt dieses kleine Eiland genauso wie ich: seine Düfte und Gerüche nach allerlei Kräutern und Wildpflanzen; den Weitblick in alle Himmelsrichtungen; das Schauspiel der untergehenden Sonne am Abend und das Licht am Morgen, wenn die Nacht sich verabschiedet. Genau zu dieser Zeit, bevor die große Augusthitze in den neuen Tag bricht und Geist und Glieder lähmt, machte er sich immer auf den Weg zu den Brombeerhecken.

Sammeln mit Gleichmut und viel Geduld

Seine Marmelade wird mir ewig in Erinnerung bleiben, denn ihr intensiver Geschmack war erstaunlich. Noch mehr allerdings war ich darüber verwundert, wie man so viele Früchte zusammen bekam, dass sie überhaupt zum Einkochen reichten. Dazu muss man wissen, dass wilde Brombeersträucher auf der Insel zu Hauf wachsen. Abgesehen von ihren wehrhaften Dornen, die jeder und jedem das Pflücken erschweren, sind ihre Früchte jedoch klein, oft schrumpelig und vertrocknet. Es sind immer nur wenige reif. Gibt es einen satten Sommerregen, nehmen sie zwar an Volumen zu, aber der Geschmack verwässert. Diese Marmelade aber war so intensiv wie die Gerüche von Alonissos, von Salbei und Zistrose, von der Baumheide und der trockenen Erde unter den Ölbäumen. Sie war ein einziges süßes Konzentrat, als hätten die Brombeeren alles, was um sie herum wächst, in sich aufgenommen. Um ein Schälchen voll zu pflücken, braucht man schon Gleichmut und eine ganze Weile. Aber für eine Marmelade genügt das bei Weitem nicht. Gerne gab unser Freund sein Geheimnis preis. Die wenigen, die er an einem Morgen zusammen bekam, werden eingefroren. Alle paar Tage, wenn Früchte nachgereift sind, wird wieder gesammelt, und das nächste Schälchen eingefroren. Sind es genug, dann werden sie aufgetaut und zu dieser köstlichen Marmelade verarbeitet. Wo unser Freund denn diese sommerlichen kleinen Geschenke der Natur pflücken würde, wollte er uns allerdings nicht verraten. Das bliebe sein „Schatz“!

Die schönsten Früchte sind unerreichbar

Ich selbst bringe nie die Geduld auf zum Sammeln. Ich stecke mir die reifen Früchte gleich in den Mund. Oft bin ich mehr erzürnt über ihre Dornen und ihr vehementes Wachstum als erfreut über den süßen Geschmack. Trotzdem strecke ich mich immer wieder, um die weit entfernt hängenden leuchtenden Früchte zu erreichen. Sie sind wie ein Anziehungspunkt. Hände und Arme sind dann meist zerkratzt, ein Loch ist auch im Kleid, … und die schönsten Brombeeren sind sowieso unerreichbar. Brombeersträucher wuchern ohne Gnade für alles, was in ihrer Nähe wächst, gedeiht und lebt. Einst mühsam kultiviertes Land erobern sie wieder. Sie übernehmen die Herrschaft über ehemals angelegte Gärten, die nicht mehr bewirtschaftet werden. Sie überranken anderes Buschwerk, selbst Obstbäume erklimmen sie und holen sich alles zurück. Mit ihren oft drei Meter langen Trieben greifen sie über und durch Zäume, selbst durch Mauerwerk hindurch. Aber gerade diese langen, biegsamen Triebe haben es in sich. In vielen Legenden und Mythen werden sie erwähnt. So sollen sie vor schlechtem Zauber schützen. Das Hindurchkriechen durch solche Ranken wird als ein magischer Heilritus beschrieben. Er kann wundersame Wirkung auf unsere Gesundheit haben. Bis in den Norden Europas war und ist dieser Volksglaube verbreitet. Wenn z.B. Kinder an einem Hautausschlag leiden, dann müssen sie bei Sonnenaufgang durch einen „Brombeerbogen“ hindurchkriechen, um Heilung zu erfahren.

Die Alten Griechen kauten die Blätter

Tatsächlich haben Brombeerblätter eine heilende Wirkung. So können Waschungen mit einem Absud daraus chronische Hautkrankheiten lindern. Ein Tee hilft auf Grund der Gerbstoffe bei leichtem Durchfall. Da er keine Nebenwirkungen hat, ist er auch für Kinder geeignet und obendrein auch noch schmachhaft. Eine stärkere Abkochung nimmt man zum Gurgeln bei Entzündungen im Mund und Rachenraum. In einem speziellen Fermentierungsvorgang können die Blätter zu einem Tee verarbeitet werden, der dem Schwarzen Tee sehr ähnlich schmeckt. Sind sie in Aschenlauge gekocht, dienen sie als Haarfärbemittel. Ein frisches Blatt, zerrieben und auf kleine blutende Verletzungen gelegt, wenn man sich beim Pflücken an den Dornen gerissen hat, schließt die Wunde. In der Antike kaute man die Blätter, um das Zahnfleisch zu stärken. Brombeerblätter – ein neues Mittel gegen Parodontose? Auch die Früchte sind von allerlei Nutzen. Ein Saft daraus enthält viele Vitamine, Mineralstoffe und Fruchtsäuren. Wenn er leicht erwärmt, mit Honig gesüßt und schluckweise getrunken wird, beseitigt er Heiserkeit – nicht nur für Redner und Sänger ideal. Zum reinen Genießen schmeckt natürlich auch ein angesetzter Likör oder eine wie oben beschriebene Marmelade. Früher wurden auch die Wurzeln zur Blutreinigung und Kräftigung genutzt. Brombeeren sind Sammelfrüchte wie die Maulbeere, daher auch sein alter mittelalterlicher Name „wild Maulperpaum“, nachzulesen in naturkundlichen Schriften aus dem 14. Jahrhundert. Die Früchte haben ja auch eine gewisse Ähnlichkeit im Aussehen. Bei Dioskurides wurde der Brombeerstrauch einfach βάτος genannt. Die heutige griechische Bezeichnung βατόμουρο leitet sich davon ab.

Genug Brombeeren, große Brombeeren …

Brombeersträucher gehören zur Familie der Rosengewächse, was unschwer an den Dornen und Blüten zu erkennen ist. Diese sind weiß oder rosa, meist mit fünf Kronblättern. Sie legen sich nicht fest. Mehrere hundert Arten gibt es, die zum Teil aus häufigen Kreuzungen entstanden sind. Die Blätter sind oval und leicht gezähnt und mehr oder minder an der Unterseite behaart, abhängig von Standort, Klima, Bodenbeschaffenheit und Art. Die „Kroatzbeere“ oder „Hundsbeere“, wie diese Pflanze in Mitteleuropa auch genannt wird, ist ein sehr altes Gewächs. Man fand Brombeer-Samen in den Pfahlbauten der Jüngeren Steinzeit. Mag sein, dass das der Grund ist, dass die Brombeersträucher so robust sind. Man versucht sie hier bei uns immer wieder mit Unkrautvernichtungsmitteln zu bekämpfen. Einige nur bemühen sich, die Hecken zurückzuschneiden, weil sie wissen, dass das Gift eines Tage auch ins Grundwasser und somit ins Trinkwasser geht. Der beste Weg wäre, das Übel der alles überwuchernden Brombeersträucher im wahrsten Sinne des Wortes bei den Wurzeln anzugehen. Das hieße, man legt die einst fruchtbaren Gärten, die in Terrassen angelegt waren, wieder frei. Man findet sie in den Tälern von Alonissos kühle Täler, mit feuchter Erde selbst im Sommer. Zeit dazu wäre für viele, die auf der Insel eine sinnvolle Arbeit suchen, sei sie auch hart. Ein Schritt zurück und ein Blick voraus in die Autonomie: Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten, „echt bio“! Vielleicht ist es ja jetzt der richtige Zeitpunkt.
Inzwischen ist unser Freund mit seiner Familie auf das Festland gezogen und lebt im Pilion, in einer Gegend mit genügend Wasser und … genug Brombeeren, großen Brombeeren. Macht man sich einmal zum Pflücken auf, ist der Korb schnell gefüllt, und die Marmelade kann noch am selben Tag zubereitet werden. Ohne Vergleich – auch diese ist lecker,

(Griechenland Zeitung / Waltraud H. Alberti)

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