Wer einmal unter dem dichten Laubdach eines Feigenbaumes in eine reife Frucht gebissen hat, wird nie wieder getrocknete Feigen essen wollen.
Wer einmal dieses warme weiche Etwas zwischen Zunge und Gaumen zerdrückt hat, das leise Knirschen und den vollen runden Geschmack wahrgenommen hat, wird nie wieder die in Cellophan und Tütchen verpackten, weitgereisten Feigen im sündhaft teuren Feinkostladen kaufen. Wer einmal das wohlige und warme Gefühl erlebt hat, wie das weiche Innere der Feige den Mund ausfüllt und sich die vollkommene Süße ausbreitet, wird vielleicht Xerxes verstehen können: Er, der Perserkönig, beschloss vor rund 2.500 Jahren, das Land zu erobern, in dem diese herrlichen paradiesischen Früchte wuchsen: Das alte Hellas, das einst den Feigenbaum als Geschenk der Erdmutter Demeter erhalten hatte. Er war schlichtweg hingerissen von der sinnlichen Wonne dieser Feigenfrüchte.
Betrachtet man den Feigenbaum nüchtern und sachlich, so ist zu erwähnen, dass er mit zu den ältesten Kulturpflanzen gehört. Archäologen konnten nachweisen, dass er bereits um 9400 v. Chr. in Jericho wuchs. Von dort breitete sie sich aus und kam etwa 800 v. Chr. nach Griechenland. Der Feigenbaum, seine Frucht und seine Blätter stecken voller Geschichten, Mythen und Legenden, auch in verschiedenen Religionen wird er immer wieder beschrieben. Neben dem Ölbaum ist er eines der symbolträchtigsten Baumgewächse. Dabei geht es um Scham und Begierde, Fruchtbarkeit und Sexualität, Frieden und um das Leben an sich. Bei den alten Griechen war die Feige als angebliches Aphrodisiakum dem Gott Dionysos geweiht.
Der Feigenbaum ‒ Ficus carica ‒ η συκιά; altgr. (ἡ) συκέα, συκῆ
Der Feigenbaum als Heilpflanze
Unreife Feigen enthalten wie die Blätter einen Milchsaft, der als leicht giftig eingestuft werden muss. Dieser weiße Saft löst bei gleichzeitiger Sonneneinwirkung Hautreizungen aus. Andererseits hat er aber nützliche Eigenschaften, die erwähnt werden sollten: Er enthält ein Eiweiß spaltendes Enzym, mit dem der Rhesusfaktor bestimmt werden kann. In der Lebensmittelindustrie wird er als Fleischweichmacher benutzt. Die Erfahrungsheilkunde spricht von einem Mittel gegen Warzen und zur Abheilung vernarbender Wunden, ebenso von einem Wurmmittel. Getrocknete Früchte regen die Darmtätigkeit an. Sie wirken als mildes Abführmittel. Dioskurides widmet den Feigen ein ausführliches Kapitel. Er schreibt in erster Linie über die getrockneten Früchte und ihre Wirksamkeit, aber auch über den Milchsaft und über die Aschenlauge, die aus verbrannten Zweigen des Baumes hergestellt wird. Sie wurde sogar verdünnt getrunken z. B. bei Blutgerinnseln und Sturzverletzungen oder beim Biss einer Spinne.
Verwendung in der Küche
Feigen sind in erster Linie ein Nahrungs- und Stärkungsmittel, wobei getrocknete Feigen weitaus mehr Zucker und Eiweiß enthalten, außerdem Vitamine, Pektine, Mineralstoffe und Fruchtsäure. Ins Früchtebrot gehören sie, aber auch in der Soße z. B. zu einem Ziegenbraten aus dem Ofen machen sie sich gut. Getrocknete Feigen werden durch einen Absud aus Rosenpelargonie und Thymian, Oregano u. a. haltbarer und würziger gemacht.
Aus dem Buch: „Garten der Götter - Pflanzen am Mittelmeer: Heilkraft, Mythos, Geschichten & Rezepte“, das gerade in 2. überarbeiteter Auflage im Verlag der Griechenland Zeitung erschienen ist.