Der langjährige Bestseller „Ärmellos in Griechenland" von Prof. Hans Eideneier ist gerade im Verlag der Griechenland Zeitung in dritter, bearbeiteter Auflage erschienen und ist ab sofort bestellbar. Dieses lehrreiche und amüsante Meisterwerk der deutsch-griechischen Sprachfindigkeiten ist nicht nur eins der bestverkauften Bücher, sondern auch das allererste Buch, das 2008 – damals in Zusammenarbeit mit dem Verlag Romiosini – in unserem Verlag erschienen ist. Um Ihnen das Buch schmackhaft zu machen, hier zwei Beiträge daraus sowie zwei Karikaturen des Doyens dieses Genres, Kostas Mitropulos.
Syrtaki und Verwandtes
Ein Charalampos Lazos aus Darmstadt stellt in der Rubrik „Stimmt’s?“ in der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 15.11.2007 die Frage, ob der Syrtaki tatsächlich gar kein alter griechischer Volkstanz, sondern extra für einen Film erfunden worden sei. Die Antwort von Christoph Drösser bemerkt zunächst mit Recht, dass die Frage, wenn sie ein Grieche stellt, ek tu ponirú, das heißt aus einem nicht ganz hasenreinen Ansinnen gestellt worden sein könnte. Denn wenn von „extra für einen Film“ die Rede ist, sollte Anthony Quinn mit dem berühmten Syrtaki-Tanz zur Musik von Mikis Theodorakis aus Alexis Sorbás nicht weit sein. Der antwortende Journalist bestätigt die Diminutivform Syrtaki aus Syrtós, einer „ganzen Gattung griechischer Volkstänze“, und beendet seine Notiz mit dem schönen Hinweis, Quinn sei ein so schlechter Tänzer gewesen, „dass man für Nahaufnahmen des Sirtaki ein Fuß-Double einsetzen musste“. So weit so gut. Man hätte auch mit der Wortbildung argumentieren können. Die gängigen Namen für die Tänze sind nämlich entweder Bezeichnungen von Orten und Gegenden, wo der entsprechende Tanz „herkommt“ bzw. am häufigsten getanzt wurde: Kalamatianós aus Kalamata, Chaniótikos aus Chaniá auf Kreta; Tsámikos aus der Gegend Tsamuriá in Thesprotien bzw. Westepirus, oder der charakteristischen Beschaffenheit: Pentosális, wörtlich „Fünfschritt“, der in einer Siganós – langsamen – und einer Grígoros – schnellen – Variante auf Kreta getanzt wird; Susta, wörtlich die „Sprungfeder“ (auch in der Matratze) aus dem Venezianischen, hier auf das Federn in den Knien bezogen; Tsiftetéli, wörtlich „Paartanz“ aus dem Türkischen, wozu M. und R. Schiel in ihrem Buch, Volkstänze aus Griechenland (4. Auflage Köln 2004) schreiben: „Haltung und Bewegung sind nicht vermittelbar und müssen in der Umgebung selbst erlernt werden.“ Darüber hinaus gibt es noch eine gewichtige Gruppe von Tänzen, die sich auf die jungen Tänzer beziehen: Zum einen die schneidigen Kerle aus dem alttürkischen Stamm der Zeybek der Umgebung von Izmir – Smyrna, die den Zeïmbékikos besonders gut tanzten, zum anderen die jungen Metzgersburschen (türkisch kasap und, im Dialekt, hasap – chasapis im Griechischen – der Metzger), deren Chassápikos besondere und allgemeine Verbreitung fand. Davon abzuleiten ist der sogenannte Chassaposérvikos – der Tanz der „serbischen Metzger“, den man heute als den Touristentanz schlechthin bezeichnen kann. Nicht nur weil er eine so einfache Schrittfolge hat und deshalb so leicht zu erlernen ist, sondern weil er als Reigentanz (die Tänzer fassen sich mit ausgestreckten Armen an den Schultern) so ein enorm kommunikatives Element enthält. Syrtaki als Bezeichnung eines „kleinen“ Syrtós passt also tatsächlich nicht in eine dieser Kategorien. Es ist vielmehr ein zugegebenermaßen nettes, hybrides Kunstwörtchen ohne tiefere Bedeutung. Und was ist daraus zu schließen? Den Kunst-Syrtaki überlassen Sie am besten denen, die, wenn sie’s können und eingetanzt sind, wunderbar anzusehen sind, und beschränken sich selbst auf den Metzgertanz, bei dem Sie sich dann auch nicht der Blamage aussetzen müssen, ein Fuß-Double zu benötigen.
Ad calendas graecas
Die Griechen spielten bei den Römern der klassischen Zeit eine bedeutende Rolle. Auf vielen Gebieten und auf vielen Ebenen. Obwohl sie keine römischen Bürger waren und den sozialen Status von Sklaven oder Freigelassenen hatten, waren sie als Angehörige eines Landes, dessen Kultur in Rom außerordentlich hoch geschätzt war, in einer privilegierten Position. Vor allem auf dem weiten Feld der privaten Bildung waren sie als Hauslehrer für die heranwachsenden römischen Jugendlichen aus gutem Haus unabdingbar und fest etabliert. Da diese Hauslehrer dafür angestellt waren, ihre griechische Kultur zu lehren, waren Fragen wie etwa die der sozialen Integration in die für sie fremde Gesellschaft von zweitrangiger Bedeutung. Es ist bekannt, dass sie nur schlecht lateinisch sprachen und insgesamt ihren heimatlichen Lebensrhythmus zu bewahren suchten. Es wird wohl auch kaum zu leugnen sein, dass sie sich in Fragen von Kultur und Bildung dem römischen Angebot überlegen fühlten. Ein sehr sinnfälliges Gebiet größerer Differenzen trat offenbar im Kalenderwesen zutage. Die strenge Monatseinteilung der Römer war für die Griechen, die ja aus unterschiedlichen Gegenden Griechenlands mit jeweils anderen Jahreseinteilungen kamen, vor allem dann nicht von Nutzen, wenn aus dem römischen System für sie Nachteile hätten entstehen können. Am Ersten des Monats, an den Kalenden, waren nämlich die im Monat angefallenen Zinsen fällig. Ganz offensichtlich beriefen sich die Griechen in römischen Landen gerade zu diesem Datum auf ihren herkömmlichen Heimatkalender, um diesen Gebühren zu entgehen. Sie kamen dadurch nicht nur in schlechten Ruf, sondern diese Eigenart verfestigte sich zu einer Redensart: Du wirst dein geliehenes Geld bzw. die Zinsen ad calendas graecas, das heißt am Sanktnimmerleinstag wiederbekommen. Sogar Kaiser Augustus soll sich nach Sueton in dieser Weise über die Griechen geäußert haben. Übrigens ist es auch heute noch nicht immer einfach, hohe lokale Heiligenfeste unter einen überregionalen Hut zu bringen. Kernpunkte des Jahres sind natürlich Neujahr – Πρωτοχρονιά – Protochroniá, Ostern – Πάσχα – Páscha und Mariä Himmelfahrt – της Παναγιάς – tis Panagías, Δεκαπενταύγουστος – Dekapentávgustos am 15. August. Um diese drei fixen Daten, wobei Ostern ja so fix nicht ist, rankt sich die große Zahl örtlicher Festlichkeiten, die ja keineswegs alle religiöser Natur sind. Allerdings haben auch die Nationalfeiertage vom 25. März und 28. Oktober jene uralten Festtage nicht überlagert. Und da es einen altgriechischen Nationalstaat nicht gegeben hat und die Anreise zu überregionalen Heiligtümern oft beschwerlich war, treffen wir oft auf einen Zwei- oder Vierjahresrhythmus wie z. B. die Festlichkeiten in Olympia mit den Olympischen Spielen. Auf alle Fälle war es in diesem Zusammenhang für einen Griechen in Rom günstiger, Darlehen oder Zinsen erst nach vier Jahren als bereits am ersten der römischen Kalenden zurückzuzahlen.
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