Die im Aufwind befindlichen deutsch-griechischen Beziehungen könnten sich wieder etwas eintrüben. Hintergrund sind die ab Montag dieser Woche (16.9.) geltenden Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen.
Allerdings relativierte Premierminister Kyriakos Mitsotakis Ende voriger Woche im Rahmen eines Radiointerviews diplomatisch, dass sein Land „in erster Linie“ von der Entscheidung Berlins „nicht betroffen“ sei. Gleichzeitig regte er an, einen „fairen Kompromiss“ zwischen allen EU-Staaten zu finden, zudem müsse die Notwendigkeit des Schutzes der EU-Außengrenzen anerkannt werden. Griechenland könne in dieser Frage nicht die größte Last schultern. Er fügte hinzu, dass eine strenge Politik in der Flüchtlingsfrage in seinem Land dazu geführt habe, dass die Ankünfte von Asylsuchenden zurückgegangen seien. Außerdem seien bereits hunderte Menschenschmuggler inhaftiert worden und müssten mit harten Strafen rechnen. Gleichzeitig sei die Kooperation mit der Türkei in dieser Frage zum gegenwärtigen Zeitpunkt „befriedigend“. Auch machte er darauf aufmerksam, dass die griechische Küstenwache tausende Menschen in der Ägäis vor einem möglichen Ertrinkungstod gerettet habe. Nicht zuletzt merkte er an, dass das Migrationsthema aktuellen Meinungsumfragen zufolge die Öffentlichkeit kaum noch beschäftige.
Grenzzaun vor Fertigstellung
Bürgerschutzminister Michalis Chryssochoidis äußerte hingegen in einem separaten Interview eine tiefe Besorgnis über die Grenzschließung durch Deutschland; dies widerspreche den Migrationsvereinbarungen. Der Minister fügte hinzu, dass Griechenland seien Anteil leiste und die EU-Außengrenze schütze. Dabei brachte er auch einen Grenzzaun im nordgriechischen Evros-Gebiet ins Gespräch, durch den ein illegaler Übergang von Migranten vom türkischen Festland nach Griechenland verhindert werden soll. In etwa einem Jahr werde diese Anlage fertiggestellt sein. Am Montag (16.9.) stattet der Minister der Region einen offiziellen Besuch ab, um die Situation persönlich in Augenschein zu nehmen.
Gerechte Verteilung angemahnt
Zu Wort meldete sich auch Außenminister Jorgos Gerapetritis. Ebenfalls in einem Interview stellte er fest, dass die Migrationsfrage sowohl politisch als auch real zu betrachten sei. Ein politisches Problem sei etwa der Druck innerhalb Europas seitens der extrem Rechten. Real sei andererseits „eine Krise in der weiteren Region“. Er stellte fest, dass man gegenwärtig mit „zwei Kriegen in unserer Nachbarschaft“ konfrontiert sei. Hinzu käme die Situation in Afrika. „Wo Krieg herrscht, gibt es auch einen Migrationsdruck“, so die Einschätzung des Ministers. Die Entscheidung Deutschlands stelle allerdings die Einheit innerhalb der EU infrage.
Auch Gerapetritis vertrat die Auffassung, dass Griechenland von der Situation vorerst nicht betroffen sei, solange nicht auch die Flugverbindungen stärker kontrolliert würden. Was die Gefahr eines erhöhten Migrationsdrucks angeht, so wies er darauf hin, dass Staaten wie die Türkei und Ägypten viereinhalb bzw. neun Millionen Migranten beherbergen würden. Auch er sprach sich für eine gerechte Verteilung innerhalb Europas aus.
Athen intensiviert Kontakte
Unterdessen reist am Montag Migrationsminister Nikos Panagiotopoulos nach Berlin, um sich über die aktuelle Situation vor Ort zu informieren. Bereits vor wenigen Tagen hatte er sich u. a. auch mit dem Schweizer Botschafter in Athen Stefan Esterman getroffen. Einig waren sich die beiden darin, dass die bilaterale Kooperation in Migrationsfragen vertieft werden müsse. Zudem erhofft sich Hellas in dieser Frage eine bessere Finanzierung durch die Schweiz.
Presseinformationen zufolge werden sich Mitsotakis und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte Oktober treffen. Zudem will Athen auch Gespräch mit Ländern führen, die ebenso wie Griechenland einen Teil der EU-Außengrenze bilden. Ziel ist ein einheitliches Handeln in dieser Frage.
Aus den Reihen der Oppositionspartei SYRIZA warnte Europaparlamentarier Kostas Arvanitis davor, dass Hellas das „Guantanamo Europas“ werden könnte. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)