Vor den Europawahlen am 9. Juni fordert Premierminister Kyriakos Mitsotakis die Wähler zu einer Entscheidung auf: „Politische Stabilität oder Unsicherheit“. Diese Botschaft vermittelte er während des 15. Kongresses der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) am Wochenende, deren Vorsitzender er ist. Außerdem forderte er: „Wir müssen unseren Kontinent wieder wettbewerbsfähig gestalten.“
Oppositionschef Stefanos Kasselakis vom Linksbündnis SYRIZA warf er vor, sich „politisch toxisch“ zu verhalten. Was den Vorsitzenden der sozialistischen PASOK, Nikos Androulakis, betrifft, so färbe sich dieser nach Ansicht von Mitsotakis „mit den Farben von SYRIZA“. Auch Kyriakos Velopoulos, Vorsitzender der Griechischen Lösung wurde scharf gerügt: Dieser trete als eine Art „Telemarketing-Politiker“ auf.
Stabiler Vorsprung
Mit diesen scharfen Worten hat der Wahlkampf deutlich an Fahrt aufgenommen. Im Moment besteht kein Zweifel daran, dass die ND als erste Partei durchs Ziel gehen wird. Dennoch hat es den Anschein, dass sie etwas an Wählerkraft einbüßen könnte. Den jüngsten Umfragen zufolge scheinen vor allem SYRIZA und die Griechische Lösung an Popularität zu gewinnen.
In einer aktuellen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Alco für den Fernsehsender Alpha liegt die ND mit 25,6 % 13,3 Prozentpunkte vor SYRIZA (12,3 %). Mit 11,4 % der Wählerstimmen etabliert sich die PASOK wieder auf den dritten Platz; kurzzeitig hatten die Sozialisten mit dem zweiten Platz kokettiert. Die Griechische Lösung wiederum macht 8,2 % der kommunistischen KKE (8 %) den vierten Platz streitig. Die Parteien Niki und Plevsi Eleftherias würden mit jeweils 3,6 % bzw. 3,5 % ebenfalls den Einzug ins Europäische Parlament schaffen.
Uneinig sind sich die Befragen, ob die Europawahlen für die Abgabe von sogenannten „Proteststimmen“ ein Forum sein könnte oder nicht: 49 % stimmen dieser Auffassung zu, 47 % sind dagegen. Seit Februar hat sich hier eine Veränderung bemerkbar gemacht, damals lagen die entsprechenden Prozentzahlen bei 40 % bzw. 56 %.
Politische Einbußen
Einer weiteren Erhebung des Meinungsforschungsinstituts MRB für den Fernsehsender OPEN zufolge würde die ND 31,3 % der Stimmen erhalten, gefolgt von SYRIZA (15,9 %). Allerdings büßt die ND im Vergleich zur vorigen MRB-Umfrage etwa fünf Prozentpunkte ein, während SYRIZA 4,5 Prozentpunkte dazugewinnen konnte. Diese Erhebung wurde direkt nach einem Misstrauensantrag der Opposition im Parlament durchgeführt. Mehr als die Hälfte der Befragten (54,5 %) empfinden diesen Schritt als gerechtfertigt; 32,9 % sehen das anders.
Hauptproblem: Teuerung
Auch das Meinungsforschungsinstitut Palmos Analysis hat sich mit der Erforschung der aktuellen Wählerstimmung beschäftigt. Demnach glauben 62 % der Befragten, dass sich Griechenland „in die falsche Richtung“ bewege; 33 % sind entgegengesetzter Meinung. Als wichtigste Probleme für die Bürger gelten demnach die Teuerung, die öffentliche Sicherheit, die Gesundheit, die Bildung sowie niedrige Gehälter. Was die Beliebtheit der Parteichefs angeht, so liegt Palmos Analysis zufolge Premier Mitsotakis mit 31 % unangefochten auf Platz eins. KKE-Generalsekretär Dimitris Koutsoumbas schafft es mit 20 % auf Platz zwei, dicht gefolgt von der Chefin der Plevsi Eleftherias Zoi Konstantopoulou mit 19 %. Der rechtspopulistische Velopoulos von der Griechischen Lösung landet mit 17 % auf Platz vier der Beliebtheitsskala. Beobachter meinen, dass vor allem die Verabschiedung des Gesetzes über die Hochzeit gleichgeschlechtiger Paare die ND Stimmen gekostet haben dürfte. Enttäuschte seinen aus diesem Grund vor allem zur weiter rechts stehenden Griechischen Lösung übergelaufen.
Auch das Meinungsforschungsinstitut GPO legte nun eine Erhebung zur Beliebtheit der Spitzenpolitiker vor. Demnach liegt Premier Mitsotakis mit 45,8 % sehr deutlich vor Oppositionschef Kasselakis (21,7 %). Thematisiert wurde hierbei auch das tragische Zugunglück von Tempi, bei dem Ende Februar vorigen Jahres 57 Menschen ihr Leben verloren hatten. Immerhin 49,2 % der Befragten haben das Empfinden, dass die ND die Schuld dafür trage, und sogar mehr als zwei Drittel (71,7 %) vertreten die Ansicht, dass die Konservativen die damaligen Ereignisse vertuschen wollen. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)