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Der Linkspartei SYRIZA kehren viele langgediente Funktionäre den Rücken Tagesthema

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Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt SYRIZA-Chef Stefanos Kasselakis am Wochenende während der Sitzung des Zentralkomitees der Partei. Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt SYRIZA-Chef Stefanos Kasselakis am Wochenende während der Sitzung des Zentralkomitees der Partei.

Einflussreiche Mitglieder des Zentralkomitees der größten Oppositionspartei SYRIZA haben am Wochenende den Hut genommen. Weitere drohen mit einem ähnlichen Schritt. Unter Umständen könnten die Abtrünnigen eine eigenständige Parlamentsfraktion bilden.

Bei der linken Oppositionspartei SYRIZA machen sich Auflösungserscheinungen bemerkbar. Während einer Sitzung des Zentralkomitees kam es am Wochenende (11./12.11.) zu einem gravierenden Bruch: Viele Funktionäre, darunter auch mehrere Parlamentarier, haben der Partei den Rücken gekehrt; weitere Genossen könnten ihrem Beispiel folgen.

46 ZK-Mitglieder sagen der Partei „adieu“
Der neue Parteichef Stefanos Kasselakis schien von dieser Entwicklung wenig berührt. Mit ironischen Kommentaren goss er eher noch Öl ins Feuer. So stellte er in Aussicht, dass er nun den „Staub abwische“. Bei SYRIZA könne endlich ein neuer Tag mit neuer Geschlossenheit beginnen.
Zuvor hat der Parlamentarier Efklidis Tsakalotos zusammen mit 45 weiteren ZK-Mitgliedern die Linkspartei verlassen. In dieser Gruppe ist mit Peti Perka noch eine weitere Volksvertreterin.
Bei den Parlamentswahlen im Juni konnte SYRIZA 17,83 % der Stimmen für sich gewinnen und erhielt damit 47 Abgeordnetenmandate. Parteichef Kasselakis appellierte an die beiden Abtrünnigen, ihre Sitze an SYRIZA zurückzugeben. Diese verweigerten das mit der Erklärung, dass sie schließlich von der Bevölkerung gewählt worden seien und auch weiterhin eine linksorientierte Politik vertreten würden.

„Auf rechten und neoliberalen Pfaden“
In einer Mitteilung der Tsakalotos-Gruppierung, die sich „Ombrela“ – zu Deutsch: „Schirm“ – nennt, wird darauf aufmerksam gemacht, dass viele von ihnen zur Gründung von SYRIZA aktiv beigetragen hätten. Nicht zuletzt hoben sie hervor, dass die Partei in ihrer viereinhalbjährigen Regierungszeit (2015-2019) einen positiven Beitrag geleistet habe. Sie verwiesen darauf, dass damals die seit Jahrzehnten offene Namensfrage der Republik Nordmazedonien – zuvor: Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien – gelöst wurde. Vor dem Hintergrund der 2010 ausgebrochenen Finanz und Wirtschaftskrise habe man außerdem eine humanitäre Krise vermeiden können, gleichzeitig seien die Mindestlöhne erhöht und die Arbeitslosigkeit gesenkt worden.
Dem neuen SYRIZA-Chef Kasselakis – er war erst Ende September zum Parteivorsitzenden gewählt worden – warfen die „Ombrela“-Mitglieder vor, die Partei „mit Gewalt zu verändern“ und von den linken Prinzipien abbringen zu wollen. Kasselakis habe außerdem ein antidemokratisches Verhalten an den Tag gelegt. Unter seiner Führung werde nun der Versuch unternommen, die Partei auf „rechte und neoliberale Wege“ zu führen.
Mit dem Satz „unsere Vision ist der Sozialismus mit Freiheit und Demokratie“ wurde die Gründung einer neuen Partei im linken politischen Spektrum in Aussicht gestellt.

„Keine Ahnung von der Partei“
Eine weitere Gruppe, die SYRIZA zwar noch nicht verlassen habt, die jedoch einen solchen Schritt nicht unbedingt ausschließt, hat sich um die ehemalige Arbeitsministern Efi Achtsioglou gebildet. Auch sie schlägt scharfe Töne an. Die Rede von Kasselakis am Wochenende sei „beleidigend und spaltend“ gewesen, konstatierte sie. Zudem kommt diese Gruppe zur Schlussfolgerung, dass Kasselakis „absolut keine Ahnung von der Partei hat, die er leitet“. Unterzeichnet wurde ein entsprechender Brief von elf namhaften Funktionären; darunter sind auch sieben Parlamentarier. Beobachter meinen, dass diese SYRIZA spätestens beim Parteikongress im Februar verlassen dürften. Zusammen mit den Mandaten von Tsakalotos und Perka würde ihnen nur noch ein einziger Parlamentssitz fehlen, um eine eigenständige Parlamentsfraktion ins Leben zu rufen: Notwendig wären dafür zehn Sitze.

Ex-Minister prophezeit das Ende von SYRIZA
Seinen Hut hat am Wochenende auch Stefanos Tzoumakas genommen, der als früheres Mitglied der sozialistischen PASOK u. a. für die Ministerien für Transport, Bildung, Arbeit und Agrarpolitik tätig gewesen ist. Der Ex-Minister hatte die Einschätzung vertreten, dass SYRIZA höchstens noch bis zu den Europawahlen im kommenden Sommer existieren werde.
Auch Jannis Dragasakis, ehemaliger Vizepräsidenten der SYRIZA-Regierung unter Alexis Tsipras (2015-19), übte heftige Kritik. Er warf Kasselakis vor, einen antidemokratischen Kurs eingeschlagen zu haben und die „Grundprinzipien der Demokratie zu ignorieren“. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)


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