Das Ergebnis der Europawahlen von 26. Mai könnte sich dem Anschein nach auch bei den vorverlegten Parlamentswahlen am kommenden Sonntag, dem 7. Juli, wiederholen. In allen Umfragen hält die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) einen klaren Vorsprung vor dem Regierungsbündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) von Ministerpräsident Alexis Tsipras.
Dem Meinungsforschungsinstitut MRB zufolge würde die ND (35,4 % bis 40,4 %) sogar eine regierungsfähige Mehrheit erhalten; das wäre die erste seit dem Ausbruch einer akuten Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren, die das politische System seither kräftig durchrüttelte. Laut dieser Erhebung würden die Konservativen je nach dem konkreten Ergebnis bzw. vor allem auch dem Abscheiden der kleineren Parteien zwischen 155 und 163 der 300 Sitze im griechischen Parlament erhalten. SYRIZA dürfte hingegen zwischen 26,5 % bis 31,5 % der Stimmen für sich verbuchen: Das wären 80 bis 87 Sitze.
Fest an dritter Stelle der Wählergunst hat sich die Bewegung der Veränderung (KiNal) etabliert. Mit Stimmanteilen zwischen 6,4 % und 9,8 % könnten die Sozialisten zwischen 22 und 24 Sitze für sich gewinnen. Bis zum offiziellen Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise war die PASOK – fester und wichtigster Bestandteil der KiNal – Volkspartei und hatte neben der ND mehrere Premierminister gekürt.
Für die kommunistische KKE wollen zwischen 3,7 % und 6,3 % der Befragten ihre Stimme abgeben; damit würden 14 oder 15 KKE-Parlamentarier in die Volksvertretung kommen. Auf dem fünften Platz folgt die faschistische Chryssi Avgi, die mit einem Prozentsatz zwischen 2,6 % und 5 % rechnen kann; eventuell könnte sie damit den Einzug ins Parlament verfehlen; dafür benötigt werden 3 %.
Eine gute Chance für eine Vertretung im Parlament haben die rechtspopulistische Griechische Lösung (2,5 % – 4,8 %) und die MeRA25 des früheren Finanzministers Janis Varoufakis (2,2% – 4,4 %). Die Zentrumsunion soll der Erhebung zufolge lediglich 1,4 % - 3,2 % für sich gewinnen.
Sollten sieben der genannten Parteien den Sprung ins Parlament schaffen, so würde die ND, MRB zufolge, mit 155 Sitzen in der neuen Volksvertretung vertreten sein. Sollten diesen Sprung hingegen nur fünf Parteien schaffen, dann könnten die Konservativen mit 163 Mandaten rechnen.
Ähnliche Ergebnisse nennt auch eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts RASS, die am Montag (1.7.) veröffentlicht wurde. Demnach wollen 35,4 % der Befragten der ND ihre Stimme geben, es folgen SYRIZA (26,2 %), KinAl (8,7 %), KKE (6,1 %), Griechische Lösung (3,4 %), Chryssi Avgi (3,2 %) und MeRA25 (2,8 %).
Vor allem sind jetzt aber die Blicke auf die unentschlossenen Wähler gerichtet, die etwa 10 % ausmachen. Beobachter gehen davon, dass die Stimmenthaltung beträchtlich sein dürfte. Hauptgrund dafür ist einerseits, dass bereits vor einem Monat im Rahmen der Europa- sowie Kommunal- und Regionalwahlen ein wichtiger Urnengang durchgeführt wurde und sich nun eine gewisse Verdrossenheit bemerkbar zu machen scheint. Andererseits ist zu erwarten, dass sich angesichts der heißen Sommermonate viele Wähler eher für einen erholsamen Ausflug an den Strand entscheiden könnten, statt für den Urnengang am Wohnort zu bleiben. Außerdem sind viele Saisonarbeiter fernab ihrer Heimatstadt beschäftigt. Viele von ihnen werden nicht an ihrem Heimatsort reisen können, um dort ihr Votum abzugeben: In Griechenland gibt es keine Briefwahl, man muss dort wählen, wo man als Bürger in das Wahlregister eingetragen ist. (Griechenland Zeitung / eh)