Ministerpräsident Alexis Tsipras hat am Dienstagabend ein Fernsehinterview über seine Regierungszeit von Januar 2015 bis heute gegeben. Er hat darin die Durchführung von Privatisierungen und Verpachtungen staatlichen Eigentums und die künftigen Ziele seiner Regierung dargestellt.
Vorrangiges Ziel des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras ist es, die Bewertung der griechischen Spar- und Reformfortschritte durch die Geldgeber über die Bühne bringen. Das erklärte das Regierungsoberhaupt in einem Fernsehinterview am Dienstag im privaten Sender ANT1. Eine Vereinbarung auf technischer Basis hält der Ministerpräsident bereits für den 22. Mai für möglich. Dann werden die EU-Finanz- und Wirtschaftsminister während der Sitzung der Eurogruppe wieder zusammentreffen. Der 42jährige Premier vom Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) machte deutlich, dass er auf eine Regulierung der Schulden seines Landes hoffe. Auch eine Beendigung der Spar- und Reformpakete stellte er in Aussicht. Dann könne Hellas wieder auf die internationalen Märkte zurückkehren.
Notwendigkeit von Privatisierungen
Im Gespräch mit dem Journalisten Nikos Chatzinikolaou sind auch die Privatisierungen von Teilen der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft DEI, der Eisenbahngesellschaft OSE und der beiden Häfen OLP (Piräus) und OLTh (Thessaloniki) thematisiert worden. Tsipras erklärte, dass man hier bessere Konditionen ausgehandelt habe, als es seine Vorgänger an seiner Stelle getan hätten. Bei der DEI habe er etwa durch Neuverhandlungen „verhindern“ können, dass „die besten Anteile“ des Stromerzeugers an Privat übergeben würden. Bei der OSE sei lediglich die Nutzung des Eisenbahnnetzes übergeben worden und nicht die Infrastruktur an sich. Durch die Aufwertung der Häfen OLP und OLTh werde jeweils die gesamte Region rund um diese Häfen profitieren. Zeitgleich seien die Investoren dazu verpflichtet, Investitionen durchzuführen. Tsipras stellte fest, dass der OLTh zu einem Wert von 70 % höher abgegeben wurde, als es seinem Börsenwert entsprach.
Durch Neuverhandlungen vor der Übergabe des neuen Autobahnnetzes in den vergangenen Wochen werde der Staat zusätzliche 700 Millionen Euro erhalten.
Kampf gegen Korruption und Schwarzhandel
Des Weiteren zeigte sich Tsipras darüber erleichtert, dass ein deutlicher Primärüberschuss erreicht worden sei; er bezifferte diesen auf 3,5 %. Dies liege auch daran, dass seine Regierung der Steuerhinterziehung den Kampf angesagt habe und zeitgleich Korruption und Schwarzhandel bzw. den Schmuggel bekämpfe.
Was die Durchsetzung von hohen Steuern und Rentenkürzungen betrifft, so verteidigte der Ministerpräsident diese damit, dass bereits seine Vorgänger damit begonnen hätten, solche Maßnahmen umzusetzen. Angesichts der wirtschaftlichen Lage, in der er das Land übernommen habe, sei ihm keine andere Wahl geblieben, als diesen eingeschlagenen Kurs fortzuführen. Wörtlich konstatierte Tsipras: „Wir haben ein bankrottes Land übernommen. Wir haben Griechenland nicht in den Bankrott getrieben.“ Er erinnerte auch daran, dass den Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zufolge andere EU-Länder einen noch höheren Steuersatz hätten, als es in Griechenland der Fall ist.
Tsipras führte aber auch an, dass er in Hellas künftig „Gegenmaßnahmen“ einleiten werde. Diese betreffen einerseits die Senkung des Steuersatzes; das gelte auch für die Immobiliensteuer. Außerdem werde mit 1.800 neuen staatlichen Kindergärten in Zukunft für die kostenlose Einschulung von Kleinkindern gesorgt.
Das Empfinden eines Aufschwungs
Im Laufe des Gesprächs brachte das griechische Regierungsoberhaupt seine persönliche Einschätzung zum Ausdruck, dass zum vergangenen Osterfest viel mehr Griechen verreist seien, als es seit dem offiziellen Ausbruch der akuten Finanz- und Wirtschaftskrise 2010 der Fall gewesen ist. Damit hat er indirekt angedeutet, dass den Reisenden mehr Geld zur Verfügung stehe als zuvor. Seiner Ansicht nach sei schon dadurch ein wirtschaftlicher Aufschwung zu verspüren. Auch stellte er fest, dass die Touristen aus dem Ausland stetig mehr werden. Das könne man nicht zuletzt daran ablesen, dass immer mehr Hotels in der Hauptstadt Athen renoviert werden.
Befragt wurde das griechische Regierungsoberhaupt im Interview auch über den Umschwung von einem absoluten Gegner der Spar- und Reformprogramme (Memoranden) und der Privatisierungen zu einem Regierungsoberhaupt, der genau solche Maßnahmen durchgesetzt hat. In diesem Rahmen räumte Tsipras ein, dass er als Oppositionschef „Illusionen“ gehabt habe. Damals sei er der Meinung gewesen, dass ein Wechsel in Europa einfacher sein würde. Nach seiner ersten Amtsübernahe sei er dann jedoch eines besseren belehrt und regelrecht „gegen eine Wand“ gestoßen.
Aus diesen Gründen habe er auch im Sommer 2015 – nur wenige Monate nach seinem ersten Wahlsieg – zu einem vorverlegten Urnengang aufgerufen. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Bürger die Gelegenheit bekommen, eine andere Partei zu wählen, falls sie den Eindruck gehabt hätten, dass diese mit den Problemen besser fertig werden würde. Damit hat er indirekt erneut das Szenario vorverlegter Parlamentswahlen – wie sie von der Opposition gefordert werden – dementiert. Seine Legislaturperiode endet 2019.
„Hassliebe“ zu Deutschland
Über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich Tsipras in den vergangenen zwei Jahren als Ministerpräsident Griechenlands eine bessere Meinung bilden können. Nachdem er sie auch mehrfach persönlich getroffen hat, habe er erkannt, dass Merkel „aufgeschlossen“ sei. Das könne man vor allem auch in ihrer Haltung bezüglich der Flüchtlingskrise erkennen, sagte Tsipras. Den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble bezeichnete er als einen „respektierten Gegner“. Als junger Oppositionschef war Tsipras noch kurz vor seiner Amtsübernahme Sturm gegen die Politik von Merkel und Schäuble gelaufen. Diese Haltung hatte damals zum Beispiel ihren Ausdruck gefunden in der Forderung „Go Home Mrs. Merkel“ während eines Besuches der Kanzlerin in Athen.
Letztendlich gab Tsipras zu erkennen, dass seine Regierung nach wie vor das Ziel verfolge, Entschädigungszahlungen von Deutschenland für die Zeit des II. Weltkrieges zu fordern. Zuvor müsse Athen jedoch wieder „auf eigenen Beinen stehen können, um Forderungen zu stellen“. Er erinnerte daran, dass eine Parlamentskommission mit diesem Thema beschäftigt ist. (Griechenland Zeitung / eh; Archivfoto: © Eurokinissi)