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Aß Eva etwa nicht vom Apfel?

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Adam und Eva im „Paradies“ (Werk von Lucas Cranach dem Älteren, 1472–1553; Gemäldegalerie Alte Meister Dresden) Adam und Eva im „Paradies“ (Werk von Lucas Cranach dem Älteren, 1472–1553; Gemäldegalerie Alte Meister Dresden)

Bei Gert von Paczensky, Anna Dünnebier, Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, München 1999, 189 lesen wir: „Die Frucht, von der Adam und Eva entgegen dem göttlichen Verbot gekostet hatten, wird oft als Apfel dargestellt. Aber der Originaltext spricht nur von Frucht, und nach jüdischer Auslegung war es die Weintraube.“ Wie das?

Sollte man uns einen Bären aufgebunden und Eva gar nicht von einem Apfel gegessen haben? Im hebräischen Text des Alten Testaments ist tatsächlich nur allgemein von einer Frucht die Rede, und die griechische Übersetzung durch die Septuaginta, das heißt die 70 jüdischen Schriftgelehrten im dritten vorchristlichen Jahrhundert, kennt auch nur diese Frucht: karpós. Auch von einem Baum ist erst in der Lutherschen Übersetzung aus dem Hebräischen die Rede, im griechischen Text gibt es nur ein Holz (xylo). Doch wie kommt der Apfel an den Baum, obwohl von ihm im Alten Testament nicht die Rede ist?
Diese Frage beantwortet das Lexikon des Mittelalters unter dem Stichwort Apfel: „Im Christentum wird der Apfel zum Symbol der Verlockung, des Sündenfalls und der Sünde. Vielleicht schon im 3. Jahrhundert (in einer Katakombe in Neapel), sicher belegt im 5. Jahrhundert, wird die paradiesische ‚Frucht des Baumes‘ im Abendland zum Apfel, vielleicht unter Rezeption der antiken Hesperidensymbolik.“ Also im „Abendland“. Und in Byzanz und Griechenland? Zum Glück hat das Lexikon auch hier ein Angebot: „Im Osten bleibt diese Frucht, wie im Frühchristentum, die Feige.“ Hier setzen wir ein Ausrufezeichen und ergänzen nach erheblichen weiteren Recherchen: Die ersten sicheren Belege für den Paradiesapfel sind im griechischen Kulturraum erst nach 1204, das heißt während der Frankokratia nachzuweisen, und zwar in Wort und Bild. Konsequenterweise müsste nun in griechisch-orthodoxen Schriften und Bildern die Paradiesfeige nachweisbar sein. Sichere Belege sind selten, ein volkstümlicher Überlieferungsstrang scheint auch im Neugriechischen nachweisbar zu sein. Eigentlich hätte man diese Diskussion auch schneller zu einem Ende bringen können: Schließlich folgt dem verbotenen Fruchtessen im Alten Testament der Satz (nach Luther): „Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.“ Wenn hier also sowohl im Hebräischen als auch im Griechischen von Blättern des Feigenbaums die Rede ist, schließen wir messerscharf, dass auch die Früchte dieses Baums keine Äpfel, sondern Feigen waren. Und wenn nun Luther davon spricht, dass hier Feigenblätter zusammengeflochten werden, muss daran erinnert werden, dass es sich dabei um ein Zusammennähen (érrapsan) gehandelt hat. Wobei wir – nicht – nach Nadel und Faden fragen, sehr wohl aber darauf aufmerksam machen sollten, wie klein potenzielle Apfelbaumblätter gewesen wären. Sei´s drum. Es ist nie zu spät, frühere Irrtümer zu berichtigen. (Griechenland Zeitung / Hans Eideneier)

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