Für einen Griechen gibt es überhaupt keinen Zweifel, dass die bekannte Redewendung ägina turkos (έγινα Τούρκος) mit ich bin zum Türken geworden im Sinne von einen Wutanfall bekommen mit dem geliebten östlichen Nachbarn zu tun hat.
In allen mir zur Verfügung stehenden Lexika ist Τούρκος hier groß geschrieben und damit auf die leibhaftigen Türken bezogen. Meine Frau macht mich aber – und das schon nicht erst seit gestern – darauf aufmerksam, dass ich, wenn ich mich vor Wut aufplustere, doch ziemlich genau einem Truthahn gleiche, der unter Ausstoßung zusätzlicher bekannter Laute seine Körpergestalt drohend vergrößert. Dazu ist zunächst zu sagen, dass der Truthahn im Griechischen γαλοπούλα – galopúla heißt. Wie das κοτόπουλο ein kleines Hühnchen ist und zur Henne – κότα gehört, ist die galopúla ein kleiner γάλος. Nun sind aber weder κότα noch γάλος altgriechische Wörter. Wenn man sehr großzügig mit der Wissenschaft umgeht, wird man mit einiger Mühe im Altgriechischen einen κόττος als Hahn anzunehmen deshalb nicht bereit sein, weil dasselbe Wort zugleich als Pferd und als Flussfisch nachweisbar ist. Und im Mittelalter war κόττος ohnehin der Würfel, und κότα (< mlat. cota) der Mantel. Von diesen Herleitungen lassen wir also lieber die (Schreib-) Finger. Dass γάλος aus dem italienischen gallo abzuleiten ist, scheint klar zu sein. Dort hat er allerdings nichts mit dem Truthahn, sondern nur mit dem Hahn zu tun. Vom gallischen Hahn soll nun aber genauso wenig die Rede sein wie von der Pute, der Truthenne und dem dazugehörenden Puter, dem Truthahn, obwohl das lautmalerische putputput des Truthahns dazu ein guter Anlass gewesen wäre. Es wäre doch aber gelacht, wenn in dem Wortstamm Trut- nicht unser Turkos steckte. Der mittelniederdeutsche Stamm droten für drohen fängt nämlich mit altenglisch thrutian – vor Zorn oder Stolz schwellen zusammen, sodass also unser Truthahn mit der Gebärde erfasst wäre, die er einnimmt, wenn er sich aufplustert. Und da dieser Truthahn im Eng¬lischen heute turkey heißt, haben wir das Problem gelöst. So einfach ist das aber nicht. Es ist nämlich noch einfacher: Der aus Westindien eingeführte Truthahn wurde zunächst indianischer und dann aber vorwiegend türkischer Hahn (turkey-cock) genannt. Offenbar lernten die Engländer diesen im Orient und nicht im Okzident kennen. Was bleibt, ist die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der im Neugriechischen neben γαλοπούλα (zum Essen) übliche κούρκος (in der Natur oder im Gehege), der auf den Ionischen Inseln auch als τούρκος in Gebrauch ist, tatsächlich der τούρκος ist, der uns in der Redewendung als der vor Zorn sich aufplusternde Hahn-Mensch entgegentritt. Womit meine Frau wieder einmal Recht gehabt hätte und wir überdies etwas zur besseren Völkerverständigung beigetragen hätten. (Griechenland Zeitung / Hans Eideneier)
Aus dem Buch „Salz in der Soupa. Griechisch-Deutsche Sprachfindigkeiten II“ von Hans Eideneier.