Was ist ein pindarisches Epinikion? Wie heute fanden die Olympischen Spiele in der Antike alle vier Jahre statt. Die Spiele waren ein religiöses Fest zu Ehren des Zeus. Unter den damals in zig Stadtstaaten zersplitterten, sich untereinander bekämpfenden Griechen herrschte dann heiliger Waffenstillstand. Von überall kamen sie her, um sich die Wettkämpfe anzusehen. Der Name des Siegers und seiner Heimatstadt wurden lauthals vor allen Bewohnern der griechischen Welt von einem Herold verkündet.
Zur Siegesverkündung gehörte außerdem ein Lied, das die Familie bei einem Dichter zu bestellen hatte, und das von einem Chor gesungen und von Musikern begleitet wurde. Einer der bekanntesten Dichter jener Zeit war der um 522 v. Chr. in Theben geborene Pindar. Aus Papyrusfunden sind uns die Siegeslieder – die pindarischen Epinikions –, die der Dichter für die Olympischen Spiele und für andere griechische Sportfeste geschrieben hatte, erhalten geblieben. In der Nähe des Orakels von Delphi gab es die Pythischen Spiele zu Ehren Apollons, es gab die Isthmischen Spiele in Korinth. Pindar schrieb ganz prachtvolle Lobeslieder, drückte sich äußerst kunstvoll und feierlich aus. So beschreibt er Gebirge als „des fruchtbaren Erdreiches Stirn“, was für heutige Ohren pompös klingt. Ein pindarisches Gedicht ist aus drei Elementen zusammengesetzt, in jedem Lied wird erstens der Familienname und die Heimatstadt des Siegers gepriesen, zweitens finden sich weise Zitate in den Liedern, den größten Teil aber machen die Episoden aus der griechischen Mythologie aus. Pindar zieht Parallelen zu den griechischen Sagengestalten, vergleicht den Sieger mit Herakles und seinen Kraftakten, mit Perseus, der Medusa den Kopf abschlägt. Somit lässt er den Sieger in die Liga der mythischen Helden aufsteigen, hebt ihn aus der Masse der Mitmenschen hervor, macht ihn berühmt. Doch der Ruhm verleiht dem Sterblichen bloß einen Hauch von Unsterblichkeit. Denn immer, immer verweist Pindar auf die Kehrseite der menschlichen Existenz. Auf Glück folgt Unglück, auf Unglück folgt Glück. „Ein-Tages-Wesen! Was ist denn ein Mensch? Was ist er nicht?“ In seinen Texten wirft der Liedermacher Fragen über das Wesen und die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz auf. Seine Lyrik? Unvergänglich! 2004, bei den Olympischen Spielen in Athen, werden Zeilen aus einem pindarischen Gedicht auf die Medaillen geprägt. (Griechenland Zeitung / Linda Graf)