Völlige Ruhe und unbeschreibliche Ausblicke: Das bieten zehn Dörfer auf den Anhöhen der Halbinsel Methana, nur einen Katzensprung von Athen entfernt. Aber die Menschen wandern ab, die Zeichen des Verfalls mehren sich. Bewusste Vernachlässigung einer einst mondänen Region?
Methana, die Halbinsel im Saronischen Golf zwischen Ägina und Poros, war einmal ein gefragter Kurort. Die feinen Leute Athens pflegten ihre Sommerferien hier zu verbringen, um dabei die Heilbäder mit den warmen Schwefel- und Radonquellen zu genießen. Schon im 19. Jahrhundert begann ein lebhafter Kurbetrieb. Der Architekt Ernst Ziller (1837-1923) hatte das dominierende Badehaus entworfen, das inzwischen unter Denkmalschutz steht. Der König Faruk aus Ägypten und viel andere Prominenz unterwarfen sich regelmäßig den therapeutischen Anwendungen gegen ihre Zipperlein und lustwandelten auf der Promenade, die auch heute noch einen Hauch von Eleganz aufweist.
Das Badehaus des Architekten Ernst Ziller
Grünes Paradies für Wanderer
Das bis auf 700 Meter aus dem Meer aufragende Gebirge verfügt nicht nur über Schwefel und Radonquellen, sondern auch über eine unversehrte Natur. Der Block der etwa 30 Vulkandome mit ihren Kratern ist ein grünes Paradies für Wanderer und Radtouristen. Die Hänge sind beinahe vollständig mit Buschwerk und Bäumen aller Art bedeckt. Die im Laufe der Jahrhunderte aufgeschütteten Terrassen geben Oliven- und Mandel- und Obstbäumen Halt, und die Krater der Vulkane werden von den Bauern als Wein- und Gemüsegärten genutzt. In den zehn idyllischen Dörfern auf den Anhöhen fühlt sich der Besucher in ein sonst kaum noch vorhandenes Griechenland versetzt. Die ursprünglichen Siedlungen haben allerdings in den letzten 30 Jahren einen großen Teil ihrer Einwohner verloren. Die meisten der alten Steinhäuser stehen inzwischen leer. Seit einigen Jahren haben sich dort wegen der ländlichen Atmosphäre einige Fremde niedergelassen. Ausländer und Griechen aus der Stadt schätzen die grandiosen Ausblicke und die von keinerlei Lärm gestörte Ruhe.
Fahrräder warten auf Touristengruppen.
Kirche als Ort der Begegnung
Auf der nördlichen Seite gegenüber der Insel Angistri liegt das Dorf Kounoupitsa, in dem ich vor mehr als 20 Jahren ein altes Steinhaus erworben und für unseren Bedarf renovieren ließ. Einerseits wurde unsere Erwartung durchaus erfüllt, andererseits bekommen wir den Zerfall des ländlichen Griechenlands deutlich zu spüren. Kounoupitsa hatte vor 50 Jahren eine Einwohnerschaft von etwas über 500 Einwohnern, heute sind es noch 25 Personen, die dort ständig wohnen. Es gibt kein Kafenion mehr, kein Geschäft, keinen Ort außer der Kirche, wo sich die Menschen treffen können. Für den kleinen Bedarf müssen wir die zwölf Kilometer hinunter nach Methana fahren. Auch dort hat sich der Zerfall längst eingestellt. Seit einigen Jahren sind die Badeanstalt und das dazugehörige Hotel geschlossen. Weitere Hotels, Pensionen und auch zahlreiche geschlossene Geschäfte zeigen deutliche Spuren der Vernachlässigung und des Zerfalls. Unterwegs Autowracks und Gerümpel am Straßenrand, die Mülltonnen überfüllt und wochenlang von der örtlichen Müllabfuhr nicht geleert.
Postamt geschlossen
Einige Tage vor Weihnachten fuhr ich die Strecke nach Methana, um Geld abzuheben und Briefe aufzugeben. Das Postamt war geschlossen. Ein Zettel war an die Tür geklebt, dass am Dienstag und Donnerstag keine Öffnung stattfinde. Der einzige Geldautomat (ATM) im Umkreis von 30 Kilometern funktionierte nicht; das Quittungsfach war überfüllt, auf der Straße lagen die Quittungen herum. Ich musste also am nächsten Tag wieder nach Methana fahren. Das Postamt war zwar geöffnet, aber es warteten 14 Personen auf die Bedienung am einzigen mit einem Beamten besetzten Schalter, etwa eineinhalb Stunden Wartezeit war die Folge.
Wartende im Postamt von Methana.
Hoffnung auf Sommergäste
Im Gegensatz zu den Inseln im Saronischen Golf kann man Methana von zwei Seiten erreichen, zu Wasser oder zu Land. Doch beides klappt nicht so recht und behindert einen bescheidenen Tourismus. Wer auf der Straße ankommen will, muss seit den Regengüssen im September 2023 einen erheblichen kurvenreichen Umweg in Kauf nehmen, da seitdem die Küstenstraße von Epidaurus nach Kaloni gesperrt ist. Während die benachbarte Insel Poros täglich von Booten angefahren wird, kann man Methana nur freitags und sonntags von Piräus aus mit der Fähre erreichen. Wer gezwungen ist, mit dem Bus in die Hauptstadt zu fahren, lässt sich zuerst mit einem Taxi in das 20 Kilometer entfernte Ag. Apostolous bringen, von wo man den Linienbus nach Athen nimmt. Das nächste Krankenhaus befindet sich in Argos, 80 Kilometer entfernt. Man hat den Eindruck, dass Methana von den Behörden und auch von den politischen Verantwortlichen mit Absicht vernachlässigt wird. Vor einigen Tagen wollten wir in einer kleinen Taverne in Ag. Nikolaos direkt am Meer essen. Die Inhaberin überlegt sich, diese zu schließen, weil ihr wie zwei anderen Tavernen verboten wurde, ihre Tische und Stühle – wie seit Jahrzehnten praktiziert – unter der kleinen Pergola direkt am Meer aufzustellen. Die Menschen, die in Methana und den Dörfern verblieben sind, hegen die Hoffnung auf die Sommergäste, die diesem schönen Fleck Griechenlands wenigstens eine bescheidene Belebung bringen könnten.
(Griechenland Zeitung / Hubert Eichheim)
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 910 am 14. Februar 2024.