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Die Badeinsel auf anderen Wegen entdecken

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Zu Fuß unterwegs – mit Muße und Ruhe (Fotos: GZml) Zu Fuß unterwegs – mit Muße und Ruhe (Fotos: GZml)

Tausende Urlauber fliegen in der Hochsaison Tag für Tag ein übers weite Meer und die bewachsenen Hochebenen der Dodekanes-Insel Kos. Wer auf dem Flughafen gelandet ist, mag schon aus der Vogelperspektive erahnt haben, was diese so beliebte Badeinsel jenseits von langen Sandstränden, Fisch-Tavernen und reichlich archäologischen Attraktionen sonst noch zu bieten hat.

Nur die wenigsten Urlauber erkunden die Landschaft der Insel Kos mit Muße und Ruhe zu Fuß. Dabei lockt das Eiland mit vielen Quadratkilometern unberührter Natur und mit kraterähnlichen Tälern, die wie kleine Canyons wirken. Im ehemaligen Fischerort Mastichari arbeiten Griechen und ein paar Stammgäste daran, das zu ändern: Michalis Trikoili hat seine Heimatinsel Kos zu Corona-Zeiten ganz neu entdeckt. In den langen Monaten ohne Gäste ging er mit seiner Frau Georgia einfach selbst auf Wanderschaft und fand reichlich Ruhe und Inspiration in den abgelegenen Winkeln der Insel. Früher kannte Michalis diese Orte auch nur vom Drüberfliegen – wie die meisten Touristen. Oder weil ihm Imker oder Ziegenhirten davon erzählt hatten. Kilometerlang schlängeln sich schmale Pfade durchs Hinterland der immer noch kilometerlangen Küstenabschnitte, an denen weder Hotels noch Tavernen zu finden sind.

Mastichari in spring 1

Zeit fürs Fischengehen

Wer sich einige Stunden Zeit nimmt, um im Frühjahr durch blühende Mohnfelder und duftende Oregano-Büsche zu wandern, erlebt die Badeinsel von einer neuen Seite. Der Blick schweift von vielen Wanderwegen über die wechselnden Blau-Töne der Ägäis hinüber auf die Nachbarinsel Kalymnos oder nach Nissyros. Auch das türkische Festland liegt an manchen Stellen zum Greifen nah. Nach nur wenigen Bootskilometern lockt Bodrum als Tagesziel für die Kos-Urlauber, die neugierig auf eine Tour mit dem Ausflugsschiff zum Nicht-EU-Nachbarn sind. Michaelis Trikoili bietet in seinem kleinen Büro im Örtchen Mastichari neben Mietautos und Bootsausflügen seit letztem Jahr auch geführte Tagestouren ins Inselinnere an. Er erzählt gerne die Geschichten, wie aus großer Sorge über die weggebrochenen Touristen-Ströme ein ganz neues Miteinander der Einheimischen auf der Insel und einiger weniger Besucher auf Kos entstand. Gemeinsam machten sie Erfahrungen, die in Nicht-Corona-Zeiten unmöglich gewesen wären, weil auf Kos die „Hochsaison“ mittlerweile von Anfang Mai bis Mitte Oktober dauert – und da arbeiten die Gastgeber auf der Insel sieben Tage die Woche vom Sonnenaufgang bis oft kurz vor Mitternacht. Anders in den Jahren 2020 und 2021 – da hatten Kleinunternehmer wie Michalis plötzlich Zeit fürs Fischengehen. Und Michalis grinst, wenn er die ruhigen Ausflüge aufs Meer schildert, bei denen die als fischarm bekannte Ägäis plötzlich auch mal wieder größere Fische ausspuckte.

Locker gestricktes Konzept

Als die schwersten Corona-Monate überwunden waren, kam die Stunde von Ron Harleman und seine Frau Nora. Das Urlauber-Paar aus den Niederlanden hatte Kos vor einigen Jahren mit Hilfe der Tochter entdeckt, die als Stewardess von Amsterdam aus regelmäßig auf eine der Dodekanes-Inseln flog. Sie fühlte sich bei Zwischenstopps auf Kos so wohl, dass sie ihren Eltern nicht nur immer davon erzählen wollte. Immer länger urlaubte das holländische Ehepaar dann selbst auf Kos. Mietete sich für mehrere Wochen ein eigenes Apartment und traf auch bald den so wanderbegeisterten Michalis Trikoili in Mastichari. Es brauchte nur wenige Wochen, bis das Paar aus den Niederlanden gemeinsam mit den Machern von „Helios Travel“ ihr locker gestricktes Konzept von halb- oder ganztägigen Touren über die Insel konzipiert hatten. Seitdem wartet an Nachmittagen im kleinen Dorfbüro des Ausflugsunternehmens immer eine kleine Gruppe Besucher aus ganz Europa auf ganz persönliche Wandertipps. Ron führt die Besucher an ruhige Plätze mit besonders schönem Ausblick aufs Meer und den Sonnenuntergang, Orte, an denen Schildkröten zu beobachten sind oder Ziegenherden. Auch rund um und auf den Dikeos, den mit 846 Metern höchsten Berg der Insel, führen attraktive Wandertouren. Und wer im Berg-Café hoch über Pyli oder am Dorfbrunnen mit dem kristallklaren Trinkwasser Pause macht, der vergisst, dass auf der keine 20 Auto-Minuten entfernten Hauptstraße der Insel ein beständiger Strom aus Reisebussen, Mietautos und Motorrollern das klassische Tourismus-Geschäft recht unentspannt am Laufen hält.

Kos mountains 1

Ein Spleen für eine Insel

Die geführten Wandertouren, die im ehemaligen Fischerdorf Mastichari angeboten werden, enden von der Saison 2023 an auch das eine oder andere Mal an einem steinernen Backofen. Georgia, die in Kefalos geborene Einheimische, bietet dort Backkurse an – das selbst gebackene Holzofenbrot ist duftender und knuspriger Abschluss einer Halbtagestour durch die Hügelketten unterhalb von Antimachia. Auf die Frage nach seiner Lieblingstour muss Ron Harleman, der Wanderbegleiter aus den Niederlanden, nicht lange überlegen: Es sind die Wege an wundervollen Blumenfeldern zwischen Antimachia und Mastichari, über die auch abertausende von Bienen fliegen. Sie sorgen zusammen mit der traditionellen Imkerkunst dafür, dass auf der als Badeinsel so beliebten Insel Kos eine der wohlschmeckendsten Honigsorten Griechenlands verarbeitet werden kann. Ob er bei einer Blindverkostung den Honig „seiner“ Lieblingsinsel wohl herausschmecken könnte, wird Ron auf den Frühlingswanderungen immer mal wieder gefragt. Seine Antwort klingt diplomatisch – so viele andere Honigsorten in Griechenland habe er noch gar nicht probiert, sagt Ron, schließlich kommen er und seine Frau als Urlauber und Wanderbegleiter vor allem immer wieder auf diese eine Insel der Dodekanes – nach Kos.

Text und Fotos: Michael Lehmann

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 871 am 3. Mai 2023.

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