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Souvenirläden als Fachgeschäfte für gesegnete Malkunst Tagesthema

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Das Markenzeichen von Ouranoupolis sind seine Ikonen. (Fotos: © GZmm) Das Markenzeichen von Ouranoupolis sind seine Ikonen. (Fotos: © GZmm)

Ikonen am Fuße des Hl. Berg Athos

Von Marianthi Milona

In diesem Jahr stand bei vielen deutschen Urlaubern mal wieder eine Reise nach Griechenland an.

Viele griechische Regionen haben davon profitiert und waren über die westeuropäischen Besucher sehr dankbar. Der deutsche Gast rangiert traditionell ganz weit oben auf der Beliebtheitsskala der Griechen und wurde in den vergangenen Krisenjahren sehr vermisst, so berichteten viele Geschäftsleute der griechischen  Tourismusindustrie. Auch in der 1.000-Seelengemeinde Ouranoupoli, einem Küstenort am Fuße der orthodoxen Mönchsrepublik Athos, war das so. Deshalb war die Freude über das Auftauchen alter deutscher Stammgäste in diesem Jahr sehr groß. Ganz sicher müssen viele von ihnen überrascht gewesen sein, wie sehr sich der Ort seit ihrem letzten Besuch verändert hat.

Neuorientierung

Nach Bouzoukiklängen braucht man am Fuße der Mönchsrepublik Athos schon lange nicht mehr zu suchen. Bei einem Spaziergang durch das Städtchen strömen dem Gast byzantinische Mönchsgesänge entgegen. Wer den Ort noch aus früheren Zeiten kennt, für den ist diese Atmosphäre befremdlich, doch keineswegs erstaunlich. Denn Ouranoupoli, als Tor zum orthodoxen Heiligen Berg Athos, ist zu einer ganz besonderen Attraktion avanciert. Früher dominierten im kleinen Zentrum noch viele Souvenirläden und boten echtes griechisches Kunsthandwerk zum Verkauf an. Vom gewebten Teppich bis zur griechischen Handtasche mit typischen Mäanderornamenten war alles dabei. Das alles gehört inzwischen der Vergangenheit an. Die meisten Einheimischen in Ouranupoli leben jetzt vom Geschäft mit dem religiösen Tourismus. Vor allem der Verkauf von byzantinischen Ikonen erlebt in keinem anderen Ort Griechenlands eine derartige Hochkonjunktur. Kaum eine Ikone, die man hier nicht finden oder bestellen kann. Geschäftsleute erzählten mir, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist.

Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren von einem ruhigen, gänzlich entlegenen Küstenort zu einer Hochburg für Ikonenmalerei – im Griechischen „Hagiographie“, also Heiligenmalerei – gemausert. Wobei das Wort „gemausert“ in diesem Fall vermutlich fehl am Platz ist. Fast jedes Geschäft im Ort lebt heute vom Ikonenverkauf. Und das nicht schlecht.

Russische Gäste

Ergreifende orthodoxe Mönchsgesänge locken mich nicht in eine byzantinische Kirche, sondern in ein Ikonenfachgeschäft. Dort arbeitet ein Plattenspieler in einer Endlosschleife. Der erfolgreiche Händler Stavros Argyropoulos blättert in einem dicken Bildband, den seine Gemeinde vor kurzem herausgebracht hat. Angeblich sind darin alle existierenden Ikonen aufgelistet, die es in den 20 Klöstern des Berg Athos zu sehen gibt.

„Die Umsätze des Ikonengeschäfts bei uns explodierten quasi über Nacht, weil wir viele russische Touristen hatten, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf den Athos wollten, um die orthodoxen Klöster zu besuchen“, so erklärt er mir begeistert. Die russischen Gäste hätten dabei Eines gemeinsam gehabt: Sie waren ganz ausgebrannt nach dem russisch-orthodoxen Glauben. Und sie suchten nach Ikonen, die sie als Andenken von der Mönchsrepublik mit nach Hause nehmen wollten. „Wir haben in den vergangenen Jahren wirklich gute Geschäfte mit Ikonen gemacht. Jeder Souvenirhändler im Ort stellte sein Geschäft darauf um. Ouranoupoli hat sich aufgrund dieser Situation zu einer wahren Ikonenmetropole entwickelt.“ 

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Die Nähe des Heiligen Berges Athos ist auf Schritt und Tritt spürbar.

Vom Boden bis zur Decke

In Stavrosʼ Laden sind die Wände vollgestopft mit Ikonen. Der 55-Jährige weiß aber, dass die große Nachfrage an Ikonen natürlich nicht allein von den Athos-Mönchen befriedigt werden kann. Wie sollten die spirituell lebenden Männer bei solch einer explosionsartig anwachsenden Nachfrage in so kurzer Zeit Tausende Ikonen selbst anfertigen können? Stavros Argyropoulos erzählt, dass zahlreiche Werkstätten im Großraum Thessalonikis mit der Anfertigung von Ikonen im traditionellen byzantinischen Stil beauftragt werden mussten, was für dieses alte Handwerk in Krisenzeiten ein wahrer Segen gewesen sei. Das Schwierigste am Verkauf, so der Fachhändler, sei es, die Kunden davon zu überzeugen, dass es sich um originalgetreue Athos-Ikonen handele, da sie streng nach den Regeln der Athos-Malkunst entstanden seien. Er zeigt mir dabei eine Ikone und die Abbildung aus seinem Buch und erläutert, wie man die Originalität am besten überprüft: „Siehst du diese Ikone? Sie ist exakt so abgebildet wie das Original auf dem Athos. Diese hat sogar einen Herkunftsstempel vom Kloster Karakálou und die Seriennummer 15 bekommen. Wenn sie ein Künstler aus einer bestimmten Ikonenwerkstatt außerhalb des Athos gemalt hat, geht er zum jeweiligen Kloster, in dem die Originalikone hängt und bittet die Mönche darum, ihm einen Herkunftsstempel zu geben. Die Mönche überprüfen die Ikone nach strengen Kriterien, und nur wenn sie mit dem Ergebnis zufrieden sind, dann erhält der Künstler das Zertifikat.“

Was kaum jemand weiß: Die Ikonenmaler müssen sich sogar vorab die Erlaubnis vom jeweiligen Kloster geben lassen, bevor sie eine Ikone vom Athos überhaupt malen dürfen.

Für alle Nöte des Lebens

Nur wenige Meter von Stavrosʼ Fachgeschäft entfernt bietet Sokrates Dimotis seine byzantinischen Ikonen zum Verkauf an. Ich betrete seinen Laden in dem Moment, als eine britische Touristin sich nach einer bestimmten Ikone erkundigt. „Diese heißt Pavsin Lipi“, erklärt ihr Sokrates und schreibt ihr den Namen zur Sicherheit auf einem Zettel nochmal auf. Er hat die Ikone selbst vor einigen Jahren in einem Athos-Kloster entdeckt und beauftragte eine Werkstatt mit der Anfertigung. Diese Ikone „Pavsin Lipi“ (Ende des Leides) soll jemanden der Überlieferung zufolge bei näherer Betrachtung und durch ein Gebet von einer leidvollen Situation befreien. „Wir sehen die Muttergottes mit dem Jesuskind auf dem Arm, aber sie schaut hinunter zu den Menschen und nicht zum Jesuskind. Mich hat dieser Ausdruck sehr berührt. Sie ist meine Lieblingsikone“, sagt der junge Verkäufer.

Im orthodoxen Glauben gibt es Heilige, die vor Verlust schützen können, andere helfen bei der Bewältigung einer Krankheit, wieder andere sorgen dafür, dass man erkennt, was im Verborgenen liegt. Und wieder andere sind zum Trösten da. „Nicht jede Ikone ist für jeden gedacht“, erklärt mir die junge Helena Toliadou. Im Zentrum von Ouranoupolis führt ihre Familie eine kleine traditionelle Taverne. Die groß gewachsene Frau Mitte Zwanzig hat aber eine Ausbildung zur Ikonenmalerin gemacht. „Die Ikonenmalerei ist keine Kunst, die jeder frei nach seiner Phantasie ausüben kann. Will sagen, ich blicke auf ein Vorbild, das auf Papier oder auf Holz vorgegeben ist. In Wahrheit stellst du eine originaltreue Kopie her. Ich zeichne exakt die Konturen nach und übertrage sie auf meine Vorlage. Hinzu kommt, dass ich mich in der Farbgebung gut auskennen muss. Du musst wissen, welche Grundfarbe nötig ist, um am Ende an der Oberfläche die Zielfarbe zu erhalten. Ebenso wie die Kopf- und Körperhaltung des Heiligen sind die Lichtpunkte und die Schattierungen für den Gesamtausdruck der Ikone am Ende wichtig.“

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Jeder Gast wird seinen Lieblingsheiligen finden.

Ein lukratives Geschäft

Ikonenmalerin Helena erlebt tagtäglich, dass der Handel mit Ikonen zu einem reizvollen Geschäft geworden ist. Die Wahrheit ist, dass der Ort Ouranoupolis heute zu 70 Prozent  vom religiösen Tourismus lebt, von den Gästen, die bereit sind, viel Geld für ihren Glauben und die Heiligenverehrung auszugeben. Doch wo endet der faire Handel mit einer heilversprechenden Ikone, und wo beginnt der Preiswucher? Die erfahrene Geschäftsfrau Garifallia Chorinou, Besitzerin eines der größten Schmuckgeschäfte, konnte auch nicht anders, als neben ihren exklusiven Ketten, Ringen und Edelsteinen auch Ikonen anzubieten. Sie hat jedoch sehr spezielle Stücke im Angebot, die auf unterschiedlichem Untergrund und auf ungewöhnliche Holzformen gemalt sind und sich so stark von den klassischen viereckigen Ikonen unterscheiden.

Aufgrund persönlicher Erfahrungen weiß die Geschäftsfrau, dass es viele Kunden gibt, die nicht wissen möchten, dass eine Ikone womöglich nicht von der Mönchsrepublik stammt. „Wir sollten generell den gläubigen Touristen mit Respekt begegnen. Wenn dieser glauben will, dass seine Ikone von Athos stammt, dann sollten wir ihn nicht vom Gegenteil überzeugen wollen, obwohl ich manchmal in Versuchung gerate, es zu tun. Am Ende kommt es nur darauf an, dass der Gast Trost und Hoffnung beim Kauf einer Ikone gefunden hat. Und dass er glaubt, dass diese ihm in seiner Not helfen kann.“

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Das Kyrillische zeigt: Viele der Touristen kommen aus Russland.

Emotionen wecken

So lukrativ das Geschäft mit der orthodoxen Ikone auch sein mag, die meisten Händler im Küstenort Ouranoupolis haben eine enge Beziehung zu ihrem Glauben und der Heiligenverehrung. Eine Tradition, die sie durch die Nähe zum Berg Athos wohl schon mit der Muttermilch aufgesogen haben. Im Fall des Ikonenfachhändlers Stavros Argyropoulos ist es sogar so, dass er in der Dorfkirche seines Heimatstädtchens predigt. Sein Ikonengeschäft betrachtet er als Privatsammlung seiner Lieblingsheiligen, denen er sich zeitlebens verbunden fühlt. Sie stehen dort nicht, weil sie unbedingt verkauft werden müssen. Er möchte sich aus einen inneren Bedürfnis heraus damit umgeben.

Dabei sollten alle seine Ikonen streng nach der byzantinischen Malart angefertigt sein. Das erkennt man zum Beispiel am Ausdruck der Gesichter. Für Gäste, die keine Erfahrung mit Ikonen haben, ist es manchmal schwer zu erkennen, warum die Ikonen so wertvoll sind, erklärt Stavros: „Ich habe immer wieder nicht-orthodoxe Kunden, die mir sagen, diese oder jene Ikone gefalle ihnen nicht, die Muttergottes gucke so streng darauf und sei so dunkel gekleidet, dass ihnen Angst und Bange würde. Darauf erwidere ich: Wie muss denn die Muttergottes ihrer Meinung nach aussehen? Soll sie für gute Laune sorgen? Das ist doch nicht der Sinn. Eine Ikone hat die Aufgabe zu berühren, wachzurütteln und zur Auseinandersetzung mit deiner inneren Welt beizutragen. Nur dann macht das Ganze Sinn. Wenn sie dir also Furcht einflößt, dann geschieht etwas mit dir. Um genau diese auslösenden Emotionen geht es. Denn nur dadurch kann der Mensch so etwas wie Wunder und Heilung erfahren.“ 

Und genau deswegen ist das Geschäft mit der Ikone sicher keine touristische Einnahmequelle wie jede andere. Aber um eine Ikone zu erwerben, sollte man zumindest vorher in der Ikonenstadt Ouranoupolis am besten erst einmal herausfinden, ob es den passenden Heiligen für einen selbst überhaupt gibt.

 

 

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