Ruhe und Frieden wie auf einem anderen Stern
Elatochori, das Fichtendorf, in der Nähe des nordgriechischen Katerini, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem veritablen Wintersportzentrum gemausert. Unsere Autorin besuchte die in luftigen Höhen gelegene Oase der Ruhe kurz vor der Hauptsaison.
Eigentlich hatte ich weder Zeit noch Lust, in diesem Ort zu bleiben. Ich war auf der Durchfahrt von Athen nach Thessaloniki und wollte so schnell wie möglich die Kleinstadt Veria, nahe der bekannten Ausgrabungsstätte Vergina, erreichen, um einen letzten Termin wahrzunehmen. So entschied ich mich, die langweilige Autobahnstrecke nach Katerini zu umgehen und setzte meine Reise auf kleinen Straßen in Richtung Pieria-Gebirge fort. Je höher ich fuhr, desto angenehmer wurde das Klima. Vorbei an Tabak- und Gemüseplantagen folgte ich den Wegweisern nach Veria und erreichte plötzlich, 28 Kilometer hinter Katerini, die Ortschaft Elatochori, das Fichtendorf – auch wenn sich der Fichtenbestand erst oberhalb der Ortschaft bemerkbar macht. Ich bremste meinen „Hermes“ – den treuen, alten Toyota – am Ortseingang vor einer riesigen Werbetafel. Plötzlich erinnerte ich mich: Ach ja! Das ist doch der bekannte Winterkurort! Oberhalb von Elatochori in den Pieria-Bergen existieren seit 2001 auf 1400 bis 1800 Metern Höhe ein Skigebiet und ein modernes Wintersportzentrum. Im Winter lebt Elatochori auf.
Ein Hotel, das wie ein Haus wirkt.
Herzlicher Empfang
Zum Zeitpunkt, als ich hier war, ist es Herbst, und da wirkt der Ort noch recht verschlafen. Zwei Tavernen finde ich im neuen Teil der Ortschaft, direkt bei der Kirche der hl. Kostantin und Helena. Ein Mann an einem Tisch rät mir, ich sollte mich im alten Elatochori einmal umschauen, dort gäbe es auch Übernachtungsmöglichkeiten. Das weckt meine Neugier. Einen Kilometer weiter fahre ich in Alt-Elatochori ein und folge den Schildern, die auf ein paar Boutiquehotels verweisen. Boutiquehotels in Elatochori! Das hätte ich nicht gedacht. Wenige Meter weiter, auf einem neu angelegten Pflastersteinweg, stehe ich vor einem Hotel namens „Vaela Pallas“. Meine Überraschung ist groß, als mich die Eigentümerin, eine freundlich blickende Frau, willkommen heißt und mir etwas zu trinken anbietet. Es dauert nicht lange und wir sind in ein tiefes Gespräch über Land, Leute und andere wichtige Themen des Lebens vertieft. Als ich durchblicken lasse, dass ich aus Deutschland komme, traue ich meinen Ohren nicht. Plötzlich setzt die blonde Frau mit dunkler Sonnenbrille das Gespräch in klarem Deutsch fort: „Ich heiße eigentlich Eva Papadopoulou, doch Pallas ist im Ausland besser auszusprechen“, erklärt sie.
Eva Pallas freut sich auf jeden Besuch.
Berühmt, aber nicht abgehoben
Eva war viele Jahre mit dem Olympioniken Andreas Wenzel aus Liechtenstein verheiratet. Dieser hatte gemeinsam mit seiner Schwester Hanni Wenzel ab 1976 die meisten Medaillen für Liechtenstein in der Abfahrt eingefahren. „Nach der Heirat mit Andreas hieß ich erstmal Wenzel“, fährt die freundliche Frau mit dem Erzählen fort. „Wir haben in Liechtenstein, München, Amerika und Zürich gelebt.“ Nach ihrer Trennung kehrte Eva gemeinsam mit ihren beiden Töchtern, Vanessa und Larissa, in heimatliche Gefilde, nach Katerini, zurück. Doch sie ist auch während ihrer Ehe immer Geschäftsfrau geblieben. Zunächst arbeitet sie als Model für Frauenbekleidung, Unterwäsche und Kosmetik in München. Dann gründet sie eine Bekleidungsfirma in Prag, die Stickereien an Kleidern anbringt. Später in Griechenland, als die Kinder älter werden, kehrt sie zu ihrem erlernten Beruf zurück: Innenarchitektur. Damals denkt sie auch das erste Mal über ein eigenes Hotel in Elatochori nach. „Elatochori ist für mich ideal. Es liegt nur wenige Kilometer von Katerini entfernt und doch ist es hier, als wäre man auf einem anderen Stern. Die Ruhe und der Frieden hier oben sind unbeschreiblich schön.“ Eva findet heraus, dass es für ein Hotelprojekt dann auch noch eine EU-Förderung gibt. So kann sie 2004 mit dem Bau ihrer ungewöhnlichen Herberge beginnen. „Zwei Jahre später, als die Lichter im Hotel angingen, stand ich davor und musste weinen. Ich habe mich mit Handwerkern herumschlagen müssen, weil sie oft nicht verstehen konnten, warum die grüne Kachel rechts und die rote Kachel links exakt so gelegt werden mussten, wie ich es ihnen vorgezeichnet hatte. Doch die Mühe hat sich gelohnt. Ich erkenne heute, ich habe in den Pieria-Bergen etwas Wunderbares geschaffen.“
Rundgang durch Vaela Pallas
Das Boutiquehotel „Vaela Pallas“, das ein Ergebnis der ersten Namenssilben von Mutter und Töchter (Vanessa, Eva, Larissa) ist, unterscheidet sich von den anderen, weil es die Geschichte ihres Lebens erklärt und von Orten berichtet, die diese aktive Frau geprägt haben. Alle Reisen und Erlebnisse, die sie gesammelt hat, sind in diesem Hotel vereint. Dabei fokussierte Eva nicht auf ihre Eindrücke aus zahlreichen Städtereisen. In einem griechischen Bergdorf sollte es andere Thematiken geben. „Anstatt mit dem Flieger in ferne Länder zu reisen, steigst du hier in den Fahrstuhl und erreichst in meinen Zimmern sofort ferne exotische Landschaften. Kann es etwas Schöneres geben?“, fragt Eva, während es zum ersten und zweiten Stock geht. Kein Gästezimmer gleicht dem anderen: Da gibt es das Olymp-Zimmer mit Siegeskränzen und Möbeln aus dem griechischen Bergland. Dann zeigt sie mir das Provence-Zimmer, das Toskana-Zimmer, das Tirol-Zimmer. Skilandschaften als Kulisse dienen für die Zimmer namens Sierra Nevada, Aspen Colorado und Kanada. Als humoristische Abwechslung gestaltet sie auch noch ein Popart-Zimmer aus den 60er Jahren. In einem weiteren lässt sie sich von der Geschichte des Skilaufs inspirieren. Schließlich betrete ich dann auch ein Zimmer im indianischen Stil: „Du schläfst mit einem angenehmen Futon auf dem Boden und genießt die bunten Kissen und Teppiche im Indianerstil“, beschreibt die kreative Hotelierfrau das Gemach. Und die Gäste würdigen ihre Bemühungen: In diesem Jahr gab es erstmals auch in der Sommer- und Herbstsaison unerwartet viele Gäste aus dem Ausland hier oben.
Die Architektur von Vaela Pallas unterscheidet sich deutlich von anderen Berghotels. Eigentlich sind es drei hintereinander liegende Gebäude, die miteinander verbunden sind. Steht man davor, wirkt es wie ein einfaches, einzelnes Landhaus. Erst wenn du im Innenbereich bist, erkennst du die Weite.
Larissa Wenzel präsentiert ihre Kräuter vom Berg Olymp.
Erfahrungen weitergeben
Was Eva in ihren Auslandsjahren gelernt hat, will sie in Elatochori weitergeben: Nicht alleine für eine Sache kämpfen, sondern als Gruppe zusammenarbeiten. Nur so gibt es Fortschritt, glaubt sie. „Es braucht viele Köpfe und Augen, um eine Veränderung herbeizuführen. Deshalb habe ich es mir zum Ziel gemacht, auch in Elatochori mit den anderen Hoteliers zusammenzuarbeiten, damit wir uns gegenseitig unterstützen. Wenn der ein Zimmer frei hat, dann empfiehlt man ihn weiter. Und vor allem in der Krise ist es wichtig, das zu begreifen.“ Eva hat es geschafft, in Elatochori mit zwei anderen Hotels zu kooperieren. Da gibt es die Ausrichtung gemeinsamer Feste: Oktoberfest alla ellinika, Weinfest, Pilzfest!
„Was für mich am allerwichtigsten ist: Wir müssen der nächsten Generation helfen, aber auch bereit sein, von der Jugend zu lernen. Denn wenn uns die Jungen keine Ideen mehr liefern, sind wir verloren.“ In Griechenland, so stellt sie fest, herrsche die Ansicht vor, dass die Jungen auf die Alten hören müssten: „Für mich das der falsche Weg.“ Eva sieht es als großen Vorteil an, dass die jungen Griechen, wenn auch durch die Krise verursacht, wieder ins Ausland gehen. Sie würden ganz sicher irgendwann mit neuen Inspirationen zurückkehren und das Land verändern.
Elatochori liegt günstig
Das Bedeutende der Region ist, dass es an einem Kreuzungspunkt liegt. Die Autobahnen sind ganz in der Nähe, und Elatochori hat sich in den letzten 15 Jahren zu einem attraktiven Erholungsort entwickelt. Die meisten Geschäftsleute haben hier oben bei null angefangen, können aber heute den Gästen einen angenehmen Aufenthalt bieten. Es gibt viele Wandermöglichkeiten, zahlreiche Naturschönheiten, Wasserfälle. Nicht zuletzt ist es eine Pilzhochburg. Die Nähe zum Olymp und ebenso die berühmte Ausgrabungsstätte Vergina sind nur einen Katzensprung entfernt und eignen sich gut für Tagesausflüge. Auch der Anstieg nach Katafygi, dem Geburtsort des berühmten Sorbas, eignet sich dafür. Allerdings braucht es für die Strecke einen guten Geländewagen. Ganz in der Nähe gibt es auch eine Pferdefarm mit Reitmöglichkeiten. An Elatochori kommt man auch vorbei, wenn man als Tourist das Kloster Timiou Prodromou besuchen will. Oder man verweilt einfach als Alleinreisender, wenn man Zurückgezogenheit und Ruhe sucht. Die Spas und das wohlschmeckende Essen runden den erholsamen Aufenthalt ab.
„Alles dreht sich um den Olymp.“ Das glaubt Tochter Larissa Wenzel, Evas jüngster Spross. Sie lebt teilweise bei ihrer Familie in München, aber auch einige Zeit des Jahres in Katerini und Elatochori. Unter www.olympusplus.de hat sie ein neues Reiseprojekt entwickelt – mit dem Ziel, den Touristen die Vorzüge des Olymps näherzubringen und ihnen Urlaubs- Gestaltungsmöglichkeiten anzubieten.
Im Winter verzaubert der Schnee die Landschaft im „Fichtendorf“. (Foto: Vaela Pallas)
Überraschung in den Bergen
Der Aufenthalt in Elatochori hielt mit Eva Pallas eine Überraschung für mich verborgen. Und ich erfahre zum wiederholten Male, wie zauberhaft Griechenland zu seinen Menschen sein kann. Elatochori hat durch die Begegnung mit Eva Pallas ein Gesicht bekommen. Und ich bin sicher: Dieses Dorf wird sich durch Menschen wie sie konstant weiterentwickeln. Eva ist schon jetzt mit dem nächsten Projekt beschäftigt: „Ich möchte das alte verfallene Steinhaus neben dem Hotel renovieren und es zum Tagungs- oder Seminarhaus umgestalten. Komm doch bald wieder einmal vorbei!“ Mit diesen Worten und mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht winkt sie mir zum Abschied, bis ich mit meinem Hermes auf dem alten Pflastersteinweg um die Ecke verschwunden bin.
(Text und Fotos: Marianthi Milona)
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 659 am 9. Januar 2019.