Apollon werkte auch als Gott der Heilkunst
Im zweiten Teil unserer Reise begegnen wir dem Gott unter anderem als grausamem Rächer, als Erlöser von der Pest, als Drachentöter und Opfer des Apostels Paulus. Wir starten heute auf der Kykladen-Insel Naxos und beenden unsere Tour auf Ägina.
(Von Klaus Bötig)
Vor unserer Weiterreise nach Paros machten wir auf Naxos Station beim Tempeltor Portara, dem Wahrzeichen der Insel. Es steht auf der ganz niedrigen Halbinsel Sto Palati, die über einen künstlichen Damm mit der Chora verbunden ist. Der fast 6 Meter hohe, 3,65 Meter breite Torrahmen gleicht einem Diarahmen, durch den man das einzigartige Kastro-Viertel der Inselhauptstadt besonders schön bei Sonnenuntergang und in Vollmondnächten fotografieren kann. Das Tor war einst Teil eines nach Delos ausgerichteten Apollon-Tempels, dessen Bau der naxische Tyrann Lygdamis im Jahr 530 v. Chr. befahl. Er wurde wahrscheinlich nie fertig gestellt. Die frühen Christen wandelten die Bauruine im 5. oder 6. Jahrhundert in eine Basilika um; in späteren Jahrhunderten nutzte man den Tempel wie auch anderswo oft als Steinbruch. So sind vom einstigen Tempel heute nur noch die etwa 35x15 Meter messenden Grundrisse zu erkennen. Nur die drei gewaltigen Monolithe des Tempeltors waren zu schwer, um sie im Mittelalter „recyceln“ zu können.
Paros und Erich
Von Naxos nach Paros benötigt die Schnellfähre gerade einmal 40 Minuten. Sie legt im Hauptort Parikia an, von dem aus wir mit der Vespa in 15 Minuten am Delion sind, dem einstigen Apollon-Heiligtum dieser Insel. Was die Archäologen hier fanden, ist zwar für den Laien wenig anschaulich, doch lohnt der Blick über die Ägäis bis nach Antiparos, Mykonos und Delos hin. Die erkennbaren Grundmauern haben Wissenschaftler als Überreste eines etwa 26x27 Meter großen Tempels, zweier Altäre, einer Wandelhalle und eines Speisesaals interpretiert. Sicherlich wurde dieser Bauplatz gewählt, weil er mit Delos in Sichtkontakt stand. Der Schweizer Erich von Däniken, der seine Theorie von Besuchen Außerirdischer auf Erden seit 1968 in zahlreichen Büchern mit über 65 Millionen Bänden Gesamtauflage verkündete, geht sogar noch viel weiter: Verbindet man das parische Delion, das naxische Tempeltor und Delos durch eine virtuelle Linie miteinander, ergibt sich nach seiner Erkenntnis daraus exakt ein gleichschenkliges Dreieck. Und wer, so Däniken, wenn nicht Außerirdische hätten das so exakt vermessen können?
Apollon auf Kos
Von Paros könnten wir nach Piräus fahren und dabei auf der Insel Syros noch einen Zwischenstopp einlegen. Da steht zwar kein antiker Apollon-Tempel, aber das schönste griechische Inseltheater aus dem 19. Jahrhundert. Es trägt den Namen des Gottes der Künste, Apollon. Ein festes Ensemble hat es nicht, wird aber eifrig von Laienspielgruppen der Insel bespielt.
Wir entscheiden uns aber für eine andere Alternative, wollen Apollon noch auf den Dodekanes-Inseln Kos und Rhodos nachspüren. Kos ist ja vor allem als Wirkungsstätte des Arztes Hippokrates bekannt, dessen Eid Mediziner in aller Welt noch heute ablegen können. Er sah sich als Diener des Asklipios, des Gottes der Heilkunst. Und der wiederum war ein Sohn Apollons, der in seiner Nebenfunktion als „Apollon Epikurios“ auch selbst als für die Heilkunst zuständige Gottheit galt. Im Asklipieion, einem prachtvollen, im Wesentlichen hellenistischen Heiligtum nahe der Inselhauptstadt Kos, standen Tempel für beide, Vater und Sohn. Die korinthischen Säulen des Apollon-Tempels und die ionischen Säulen des Asklipios-Tempels haben italienische Archäologen im letzten Jahr anschaulich wieder aufgerichtet.
Im Archäologischen Museum der Insel Kos, auf der Apollon zusammen mit seinem Sohn Asklipios als Gott der Heilkunst hohe Verehrung genoss, begegnen wir auch einem eher unsympathischen Gott des Lichts. Da zeigt eine Skulptur den Marsyas. Der Satyr aus dem Gefolge des Dionysos hängt nackt und gefesselt an einem Baum. Er hatte Apollon übermütig zu einem Wettstreit im Flötenspiel herausgefordert. Apollon ließ sich darauf ein, gewann natürlich und ließ dem Frevler bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Das Thema war in der bildenden Kunst der Antike äußerst beliebt – das Frankfurter Liebighaus widmete ihm unter dem Titel „Die Launen des Olymp“ 2008 sogar eine viel beachtete Sonderausstellung.
Helios und Apollon
Rhodos gilt als die Insel des Sonnengotts Helios. Der war mit Apollon nur ganz entfernt verwandt. Trotzdem wurden der Sonnengott und der Gott des Lichts als Apollon Phobos in der Antike gelegentlich miteinander gleichgesetzt. Ob das auch auf Rhodos geschah, weiß man nicht. Nachgewiesen ist auf Rhodos aber ein Kult für „Apollon Pythios“, Apoll als Bezwinger des Drachens, der im Auftrag Heras einst die mit Apollon und Artemis schwangere Leto töten sollte. In Kamiros, einem der drei älteren Stadtstaaten auf Rhodos, war er wohl sogar die Hauptgottheit. Auch auf der Akropolis der von diesen drei alten Stadtstaaten im 4. Jahrhundert v. Chr. neu gegründeten Stadt Rhodos war ihm ein Tempel geweiht. Zu sehen ist davon allerdings nicht sehr viel: Italienische Archäologen richteten im letzten Jahrhundert dreieinhalb Säulen und einen Teil der Giebelkonstruktion wieder auf. Im hinteren Bereich des Tempels konnten sie unterirdische Kammern und Gänge nachweisen, die wahrscheinlich zu einem Orakel gehörten, wie es ja auch vom berühmten Orakelheiligtum des Apollon in Delphi bekannt ist. Dorthin geht jetzt via Athen unsere Reise.
Apoll in Athen und Ägina
In Athen ist nicht viel von Apollon zu sehen. Im Archäologischen Nationalmuseum ist er nur als eine Skulptur präsent. Auf der Akropolis war ihm kein Tempel geweiht, auf der antiken Agora gehörte ihm nur ein recht kleiner Kultbau.
Von Athens Hafenstadt Piräus sind es nur etwa 70 Minuten mit der Fähre hinüber zur Insel Ägina. Dort spielte Apollon eine größere Rolle. Schon bei der Einfahrt in den Hafen des Hauptorts erblickt man backbords eine einzelne antike Säule, heute Kolonna genannt. Ursprünglich war sie 8 Meter hoch, jetzt misst sie noch 6,80 Meter. Sie gehörte einst zu einem spätarchaischen, von deutschen Archäologen freigelegten Apollo-Tempel aus der Zeit um 510 v. Chr., von dem ansonsten wenig erhalten blieb. Schon die Byzantiner entkernten ihn, um aus den Blöcken eine Zisterne mit Stufen unterm Tempelfundament anzulegen. Schön ist der Blick vom Fuß der Säule über den Saronischen Golf hinüber zur Peloponnes, zur Insel Salamis und nach Athen.