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Alonissos zum Ausspannen – Teil 1

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Ankunft im Hafen von Patitiri: (Fotos:© GZmm). Ankunft im Hafen von Patitiri: (Fotos:© GZmm).

Die schöne Aussicht auf die Bucht von Patitiri

Ich weiß gar nicht so genau, warum ich mich für eine Reise nach Alonissos entschieden hatte. Ich wollte nur raus aus dem Großstadtmief, dem unsäglichen Knattern der veralteten Mopeds entfliehen und mich vom Krach meiner älteren Nachbarn loseisen, die mir in meinen produktivsten Stunden mit ihren Streitereien die Konzentration nehmen und ich dann völlig entnervt die Schreibfeder fallen lasse und vor die Tür trete, um mich zu beruhigen.

Ich hatte vor einigen Jahren bereits Skiathos und Skopelos besucht. Nur die letzte bewohnte Sporadeninsel Alonissos musste ich damals aus Zeitgründen ausfallen lassen. So überlegte ich nicht lange, packte Eisbox, Windjacke und Laptop ins Auto und fuhr von Thessaloniki aus in aller Herrgottsfrühe Richtung Volos.

(Von Marianthi Milona)

Die Sonne war gerade aufgegangen und der Zeitpunkt für die Reise war gut gewählt, denn mit Hermes, meiner alten Kiste, schaffe ich keine 130 km/h mehr, und Zeit für eine kurze Pause musste ja auch eingeplant sein. Ich wollte um 8.30 Uhr den Hafen von Volos erreicht haben, um die Fähre nach Alonissos zu nehmen. Punkt 9 Uhr fuhr sie los.

Auf der Fähre

Als ich mich auf dem 2. Deck der „Skiathos Express“ kurz vor 9 Uhr in den Sessel fallen ließ, fühlte ich Müdigkeit aufkommen. Doch ich wollte auf gar keinen Fall das Auslaufen aus dem Hafen verpassen. Ich liebe es, wenn die Heckklappe wie das riesige Maul eines Wals hochgefahren wird und die dicken Taue vom Kai ins Wasser plumpsen, um dann von der großen Winde aufgezogen zu werden. Zudem hat beinahe jedes Stadtpanorama auf dieser Welt, vom Wasser aus betrachtet, etwas ungemein Melancholisches. Es fehlt allein jemand am Ufer, der zurückbleibt, mir zuwinkt und mir Worte zuruft wie: „Bitte komm bald wieder“. Ich riss mich aus diesen Gedanken heraus und musste feststellen, dass die Müdigkeit ganz schön verkitschte Bilder aus alten Hollywoodfilmen in meinem Kopf produzierte.
Da konnte eigentlich nur ein heißer Kaffee helfen. Ich stellte mich in der kleinen Schlange an, die sich vor der Schiffstheke gebildet hatte. Ich war nicht die einzige an diesem Morgen, die Lust auf Kaffee hatte. Es waren viele Einheimische auf die Fähre gekommen und für Mitte Juni, wie ich fand, eine ganz erkleckliche Anzahl Individualtouristen. Unter ihnen hörte ich immer wieder das Deutsche heraus, was mir recht gut gefiel.
Die „Skiathos Express“ fuhr erst einmal den Hafen von Skiathos an und aus ihrem Bauch ergossen sich riesige Transporter auf den Kai. Neue Gäste und Autos wurden gleichsam in den Schiffsbauch hinein gesogen. So wie man Saft mit einem Strohhalm aufsaugt. Dann ging’s weiter zum Hafen von Skopelos. Auch hier eine ähnliche Prozedur.
Doch die Schiffspassagiere wurden für ihre Geduld bei dieser langen Anfahrt auf Alonissos entschädigt. Immer wieder tauchten Delphinschulen auf und begleiteten die Fähre ein Stück weit. Dann lösten sie sich wieder in Nichts auf.
Fünf volle Stunden dauerte die Fahrt bis nach Alonissos. Mit dem „Flying Dolphin“ wären es gute zwei Stunden weniger gewesen, aber ich lasse „Hermes“, meinen alten Toyota, eigentlich nie zurück, wenn ich verreise.

Ankunft auf der Insel

Gegen 14 Uhr betrat ich mit meinem Hermes in Patitiri, dem einzigen Hafenort der Insel, festen Boden. Wie ich später erfahren sollte, ist Patitiri neben Palio Chorio der einzige Ort, in dem eine dörfliche Infrastruktur überhaupt vorhanden ist. Alle weiteren Häuser auf Alonissos befinden sich eher in verstreuten Siedlungen – entweder im Binnenland oder direkt am Wasser, meistens in einer der vielen kleinen Buchten, die sich wunderbar dazu eignen, mit einer kleinen Segel- oder Motoryacht angefahren zu werden, um dort zu übernachten oder einfach nur, um in einer der Tavernen zu speisen.
Ich erkannte sofort: Alonissos ist eine Insel für Individualreisende. Hier kommen keine voll beladenen Chartermaschinen aus Westeuropa an. Einen Flughafen besitzt die Insel sowieso nicht. Wer nach Alonissos will, der muss geduldig sein, Zeit haben und die Ruhe lieben.
Was mir besonders schnell auffiel, war, dass nur eine „Handvoll“ Menschen hier leben. Später erzählte mir Kostas Vafinis, der ein recht modernes Hotel in Patitiri betreibt, dass es im Winter nicht mehr als 2.000 Seelen sind, die sich ständig auf der Insel aufhalten.
Ich mietete in Kostas’ Hotel ein Zimmer für einige Tage. Sein Pool interessierte mich nicht. Es war die schöne Aussicht auf die Bucht von Patitiri und die Tatsache, dass ich im Zimmer drahtlos ins Internet konnte. Schließlich hatte ich mir Arbeit nach Alonissos mitgenommen. Wer nach Alonissos kommt, um zu relaxen, der findet viele schöne, ruhige und schlichte Zimmer, die sicher preiswerter sind.
Was ich in meiner Unterkunft niemals vergessen werde, ist die große Schwalbenkolonie, die in den Hotelgängen und den Dachvorsprüngen lebte. Diese lustigen „Klatschbasen“ konnten einfach nicht aufhören, sich die Neuigkeiten der Insel gegenseitig mitzuteilen. Sie werden von den Inselbewohnern sehr gepflegt. Niemand hier zerstört ihre Nester. Und diese gibt es überall: Unter Dächern, in Hauseingängen und über den Markisen der Cafes und Tavernen. Als eine Katze wohl in eher friedlicher Absicht in die Nähe eines solchen Nestes kam, sah ich, wie eine Mutterschwalbe Sturzflüge auf die recht gelangweilte Katze machte, vermutlich, um ihr Angst zu machen. Das Ganze ging einige Minuten so weiter, bis der Besitzer eines Cafés aufstand und die Katze fortjagte.

Wo man geht und steht Natur!

Die geringe Zersiedlung und die Tatsache, dass keine großen Fremdinvestoren Interesse an Alonissos gefunden haben, hat der Natur geholfen, sich ihre eigene Infrastruktur zu schaffen. Vor allem im Frühjahr blüht es, duftet es, fast möchte man sagen, schmeckt es überall nach Kräutern und Wildgemüse, den griechischen „Chorta“, die jedes griechische Hausfrauenherz höher schlagen lassen. Das spüren auch die fremden Gäste. Viele Holländer, Italiener, Engländer und natürlich Deutsche befinden sich schon um die Osterzeit auf der Insel, die Griechen besuchen sie lieber im Juli und August.
Die Meisten kommen wegen der unberührten Natur auf diese Sporadeninsel. Aber selbst die schlichten Gartenblumen an den Privathäusern muten mir hier lebendiger an, als an anderen Orten des Landes. Ich habe schon lange nicht mehr so viele Gardenien und prächtige Bougainvilleen in den Vorhöfen gesehen.
Alonissos befindet sich innerhalb der Zone eines Meeresnationalparks, der von der EU im Rahmen des Natura 2000 Programms gefördert wird. In unmittelbarer Nähe finden Mönchsrobben, Wasserschildkröten und Delphine einen geschützten Lebensraum, der ihnen hilft, sich zu entfalten. Selbst die einheimischen Fischer, die andernorts die Delphine töten, weil sie ihre Netze zerstören, respektieren und achten die Lebewesen.
Kein Wunder, dass die verschiedenen Tages-Bootstouren für 40 Euro (dreimal die Woche) zum Naturpark auf reges Interesse stoßen. Im Preis ist ein Mittagessen auf dem Boot und der Besuch der kleinen Insel „Kyra-Panagia“ inbegriffen. Dort lebt ein einsamer orthodoxer Mönch in einem Metochi (Klostergut), einer Zweigniederlassung eines Klosters von der Mönchsrepublik Athos. Die meisten Gäste kommen ganz begeistert von diesem Ausflug zurück.
Ein anderer Grund, nach Alonissos zu fahren, ist das große Wanderangebot. Überall kommen mir Menschen mit dicken Wanderschuhen und einem Gehstock entgegen. Eigentlich keine schlechte Idee, denn die Benzinpreise auf der Insel sind so hoch, dass die Mietwagen verständlicherweise wenig genutzt werden. 1,68 Euro der Liter. Hoppla! Ich hab mich nicht verlesen. Auch auf Alonissos ist die griechische Krise spürbar. So auch im Supermarkt von Patitiri. Die Preise sind einfach – auch der Transportkosten wegen – hoch im Vergleich zum Festland. Ich meine, höher als ich erwartet hatte.

Zu Essen gibt es natürlich auch

Kulinarische Extravaganzen sollte der Reisende auf Alonissos nicht erwarten. Die Restaurants bieten die typischen, allseits bekannten griechischen Vorspeisen, Fisch- oder Fleischgerichte an. Die Käsepastete der Insel wird immer wieder gelobt. Und nur selten entdeckt man die traditionelle Geiß mit Makkaroni auf der Menukarte einer Taverne.
Die Sporaden werden generell für ihre Krustentiere gerühmt. Und ich will gestehen: Ich hab frischen Hummer mit Spaghetti gegessen. Ein Fischer im kleinen Hafen „Kalamakia“ hatte ihn an diesem Tag frisch gefangen. Der schmeckte gut und war günstiger als in den Gourmetrestaurants Athens. Zwischen 30 und 40 Euro sollte man für ein Essen zu Zweit auf Alonissos immer einplanen. Das ist, so meine ich, momentan fast überall in Griechenland so. Abgesehen von den Feinschmecker-Restaurants, die man auf Alonissos mit Sicherheit nicht finden wird. Hier hat eine einfache, leckere Landesküche Priorität.
Eine kulinarische Attraktion habe ich dennoch entdeckt. Das ist eher etwas für die Liebhaber von Süßem. Es heißt „Amigdalota“ und ist eine Art Marzipan aus frisch gemahlenen Mandeln und Fett, in Puderzucker gehüllt. Widerstehen konnte ich auch nicht einer Süßigkeit, die sie hier „Chamalia“ nennen. Auch in diesem Fall ist eine Masse aus Mandeln und Walnüssen mit im Spiel, die in dreieckige Teigtaschen gefüllt und anschließend ausgebacken wird. Superlecker! Ich hab sie im kleinen Laden der Frauengenossenschaft von Patitiri entdeckt und gleich mehrere Pakete als Mitbringsel mitgenommen.

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Badefreuden in kristallklarem Wasser

Auch Baderfreuden gibt es durchaus. Das Wasser in Alonissos ist überall glasklar und erfrischend. Doch ausgedehnte Strände, vor allem mit Sand, sind eher rar. Das Besondere der Insel liegt in ihren zahlreichen kleinen Buchten, die meistens aus Steinen und Kieseln bestehen. Nur in Agios Dimitrios gibt es den langen, sandigen „Postkartenstrand“. Kein Wunder, dass er in allen Reiseführern abgebildet wird.
Ein Letztes noch: Weil ich doch immer wieder von Deutschen gefragt werde, warum so viele Frauen in Griechenland schwarz tragen. Auf Alonissos erübrigt sich diese Frage. Hier tragen die Älteren nur weiß: weiße Kopftücher, weiße Blusen, weiße Schürzen. Wie schön!!
Eigentlich könnten meinen Schilderungen zu Alonissos hier ein Ende finden. Aber wenn man über Alonissos schreibt, dann geht das nicht, ohne dabei die Geschichte der Deutschen auf der Insel zu erwähnen. Ihnen ist die Fortsetzung in einer der folgenden Ausgaben gewidmet.

Den zweiten Teil der Alonissos-Reportage unter dem Titel „Die Insel der Deutschen“ erscheint in Kürze auf unserer Webseite.

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