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Farbenprächtige Landschaft auf märchenhaften Wegen

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Foto (© GZlg): Sicht auf die Ebene von Kozani und das Vourinos-Bergmassiv. Foto (© GZlg): Sicht auf die Ebene von Kozani und das Vourinos-Bergmassiv.

«Παμε πάνω!» – „Fahren wir nach oben“ – Auf in die größte Region Griechenlands: Makedonien. In diesem ersten Teil taucht unsere Autorin ein in die ganz eigene Flora und Fauna dieses Landstrichs, in seine Farben und Gerüche. Und sie lernt die Bewohnerinnen und Bewohner dieser gemütlichen Ecke von Hellas kennen, die aufgeschlossen und freundlich sind.

Heute beginnt unser Abenteuer – griechisch: die περιπέτεια (peripétia): Wir fahren nach oben, nach Makedonien, auch Mazedonien genannt. In den Norden. Präzise ausgedrückt in den geschichtsträchtigen, im heutigen Griechenland verbleibenden Anteil Makedoniens, das mit seinen 34.178 Quadratmetern die größte geographische Region des Landes stellt und auf dessen Gebiet sich zudem die größte Ebene Griechenlands befindet. Nördlich grenzt Makedonien an Albanien, Nordmazedonien, Bulgarien, westlich an die Region Epirus, südlich an Thessalien, östlich an Thrakien, südlich an die ägäische Küste. Die regionalen Bezirke sind in West-, Zentral- und Ostmakedonien unterteilt, in Thrakien und in die autonome Mönchsrepublik Athos. Hauptstadt ist Thessaloniki.

Spannende Flora und Fauna

Während der Fahrt kündigt mir mein Thessalonicher Reisebegleiter Jannis an, dass sich die Landschaft stark von der am Ionischen Meer – unserem Ausgangspunkt – und von jener in Epirus unterscheide. Wir nehmen anfangs die alte Straße nach Ioannina. Während des gesamten Roadtrips vermeiden wir die Autobahn und befahren stattdessen die Nationalstraßen. Demgemäß biegen wir ab Ioannina nicht in die Auffahrt Εγνατία οδός (Egnatía odós / Egnatia-Autobahn) ein, sondern wir nehmen die Nationalstraße und, um richtig in die Landschaft eintauchen zu können, googlen wir nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ nach Nebenstraßen.
Ab Ioannina geht es für mich so richtig hinauf in die nördliche Region, die ich nie zuvor besichtigt habe, und auf deren Flora, auf Farben, Gerüche und zig regionale Produkte ich mächtig gespannt bin. Jannis würzt die Autofahrt mit den historischen Fakten zu Makedonien. Um 1919 fanden hier oben aufgrund von Kriegen eine Völkerwanderung und ein Bevölkerungsaustausch statt, welche ausschlaggebend für die heutige, interessante Zusammensetzung der Bevölkerung Makedoniens sein werden.
Ein Bevölkerungsaustausch? Ja, unglaublich aber wahr. Vor ziemlich genau 100 Jahren wurden hier oben 1923 nämlich vertragsgemäß rund 380.000 Muslime – Türken, Roma, Slawen, Rumänen – in die Türkei umgesiedelt. Im Gegenzug kamen um die 640.000 in der Türkei beheimatete griechisch-orthodoxe Flüchtlinge – Thraker, Kleinasiaten, Pontos-Griechen – nach Makedonien. Jannis gebraucht häufig die Redewendung πάνω (páno / oben) und κάτω (káto / unten), mit der die Griechen die nördliche Thessaloniki-Region und die südliche Athener Region im Jargon zu bezeichnen pflegen.

Es riecht nach Erde

Doch zurück zum Roadtrip, dessen Strecke von Ioannina aus nach Grevena verläuft. In dieser westmakedonischen, hügelig ansteigenden Stadt befindet sich der Bischofssitz der griechisch-orthodoxen Kirche. Die von 1423 bis 1912 herrschende osmanisch-muslimische Besatzung hatte aufgrund der abgeschiedenen Lage der Stadt kaum Einfluss auf die hiesige Bevölkerung.
Und die Landschaft um Grevena? Runde Berghügel mit karger Vegetation, vereinzelte Büsche, einige Bäume. In den Niederungen wird Lavendel angepflanzt.
Von Grevena aus fahren wir auf das sich nordöstlich auf 1.866 Meter erhebende Vourinos-Bergmassiv und auf die Nachbargemeinde Kozani zu. Die Gebirgsrücken in der Ferne sind mit Wolken und mit Nebelschwaden verhangen und liegen in blauweißem Winterlicht. Die Schattierungen sind von zauberhafter Schönheit. „Die Luft riecht anders hier“, sagt Jannis. Tatsächlich stelle ich bei heruntergelassenem Fenster fest, dass es erdig riecht, auch ist die Luft erheblich kälter. Wir machen uns einen Spaß daraus, die auf dem Armaturenbrett angezeigte, Grad um Grad sinkende Temperatur abzulesen. Vor Ioannina waren es noch 22, nun sind es 12, dann 11. Die Landschaft, die wir durchfahren, glüht in den Farben eines indian summer. Die fruchtbaren Äcker in der Ebene, auf denen die berühmten, in ganz Griechenland exportierten Polimilos-Kartoffeln angebaut werden, liegen in orangenfarbenem Licht. Hier stoßen wir auf ein erstes von vielen darauf folgenden Schildern, das auf Bären und Wildschweine hinweist, die womöglich die Straße überqueren.

Landschaft bei Veria
Landschaft bei Veria.

Treffen mit Jäger und Jagdhunden

Kozani ist die Hauptstadt der Region Westmakedoniens. Nachdem die einstigen osmanischen Herrscher aus den fruchtbaren makedonischen Ebenen nach dem griechisch-türkischen Krieg verschwanden – 1926 verließen die letzten türkischen Einwohner die Region –, wurde Kozani zu einem christlichen Siedlungsgebiet, das sich ökonomisch entwickelte und Handelsbeziehungen mit anderen europäischen Ländern einging.
Makedonien, die größte geographische Region Griechenlands, beheimatet etwa drei Millionen Einwohner – das entspricht einer Bevölkerungsdichte von etwa 84 Menschen pro Quadratkilometer. Die ländlichen makedonischen Gebiete und Gebirgslandschaften sind demnach, bis auf die Dörfer und Städte, großflächig unbewohnt. Die Naturlandschaft ist unberührt, auf unseren Wanderwegen treffen wir hin und wieder Jäger mit ihren Jagdhunden und stoßen auf Holzfäller mit wohl genährten Zugpferden, welche die Baumstämme wie seit alters her hinab ins Tal transportieren. Tiere werden in dieser Region gut behandelt; in allen makedonischen Dörfern und in Städten wie in Edessa und Naoussa gehören große, freundliche, frei herumstreifende – meist liegende – Hunde zum Lokalkolorit.

Es wird zunehmend kälter

Doch zurück zu unserem Roadtrip, auf die Gebirgsstraße, von der aus wir nach jeder Haarnadelkurve einen zunehmend schwindelerregenderen Blick hinab in die Ebene haben. Wir befinden uns jetzt auf der stark ansteigenden, alten Gebirgs- und Verbindungsstraße zwischen Kozani und Veria. In diesen Höhen verschloss es mir während der ganzen Reise übrigens immer wieder die Ohren. Auf der Fahrt ins Vermio-Gebirge hinauf nach Kastania wird es zunehmend kälter, das Landschaftsbild geht von kahlen abgerundeten Berghügeln mit vereinzelten Eichenbäumen in eine zunehmend steile und bewaldete Gebirgslandschaft über. Chamitis, der höchste Gipfel des Vermio-Gebirges, ist 2.052 Meter hoch. Noch sind Blätter an den Bäumen, der Gebirgswald mit vielen uralten Eichen und Kastanienbäumen ist vom winterlichen Sonnenlicht bestrahlt und leuchtet in orangenfarbenen und roten Tönen. Hier und da ein neongelber Tupfer, ein vereinzelter Baum mit gelbem Laubwerk in der rostfarbenen Landschaft.

Die Landschaft glüht in orangenfarbenen Farben
Die Landschaft glüht in orangenfarbenen Farben.

Das Leuchten der Kirschbäume

Auf der märchenhaft schönen Bergstraße biegen wir nicht weit vom Dorf Kastania, das nur noch 18 Kilometer von Veria entfernt ist, zu unserer Rechten in die bewaldete Auffahrt zum Panagia-Soumela-Kloster ein. Das Kloster wurde von den um 1920 aus der Pontos-Region vertriebenen, griechisch-orthodoxen Flüchtlingen erbaut und 1952 eingeweiht.
Auf der Weiterfahrt nach Veria wünsche ich mir, dass die Fahrt durch den uns in glühenden Feuerfarben umgebenden Gebirgswald kein Ende nehmen möge. Doch auch die Landschaft um die im südwestlichen Ausläufer der zentralmakedonischen Tiefebene gelegenen Stadt Veria ist sagenhaft schön. Ausschließlich über die Nationalstraße oder über verlockende Nebenstraßen kutschierend genießen wir zur Linken die Aussicht auf die sich in bläulich-silbernen Schattierungen überlagernden Gebirgsschichten des Vermio-Massivs sowie die sich zu beiden Straßenseiten mit Kirschbäumen, Weinreben und Apfelbäumen ausdehnende Ebene. Wir haben beinahe schon Dezember, doch immer noch glühen die Blätter der Kirschbäume wie Flämmchen in der Sonne auf und durchstrahlen die gesamte Landschaft mit orangenfarbenem Licht. Die Äpfel sind gepflückt und in Kisten aufgestapelt, hier und da hängen noch, vereinzelt, rote Weintrauben an den Reben. Am Straßenrand stehen die Traktoren und Pickup-Trucks der Bauern und Landarbeiter, die nun die Äste der Obstbäume zurückschneiden.

Kirschbäume und im Hintergrund das Vermio Massiv
Kirschbäume und, im Hintergrund, das Vermio Massiv.

(Griechenland Zeitung / Linda Graf)

Im zweiten Teil setzt unsere Autorin ihre Entdeckungsreise fort: Als erste Station steht die wasserreiche Stadt Edessa auf dem Programm.

 

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