Methana liegt nur einen Steinwurf von der griechischen Metropole Athen entfernt. Gegenüber „Inselkonkurrenten“ wie Ägina oder Poros führt die Halbinsel ein Mauerblümchendasein. Zunehmend wird sie aber von Kurgästen, Naturfreunden, Kulturliebhabern oder Gourmets als lohnendes Ziel entdeckt.
„Im troizenischen Land gibt es eine Halbinsel, die weit ins Meer hinausragt, darauf ist eine nicht besonders große Stadt namens Methana nahe am Meer gebaut … Etwa 30 Stadien (4,5 Kilometer; Anm. d. Red.) von der Stadt entfernt befinden sich warme Bäder. … Hat man hier gebadet, so ist weder kaltes Wasser in der Nähe vorhanden, noch kann man sich ins Meer werfen und gefahrlos schwimmen, denn unter anderem wilden Getier kommen hier auch sehr viele Haie vor.“ So beschrieb der aus Kleinasien stammende Reiseschriftsteller Pausanias (ca. 110-180 n. Chr) im zweiten nachchristlichen Jahrhundert seinen Besuch auf Methana. Die Haie sucht man heutzutage vergebens, ansonsten aber ist es gerade der Reiz dieses geologischen Gebildes, das sich seit damals nicht viel verändert haben dürfte. Wer mit dem Auto von Epidauros kommend die schmale Landzunge überquert und sich der heutigen Stadt dieses Namens nähert, muss erst einmal einen gewissen olfaktorischen Widerwillen überwinden, wenn er an den Schwefelwassern vorbeifährt, die hier das Meer milchig weiß färben. Da wo der Geruch am stärksten auftritt, steht die alte Badeanstalt, die von dem deutschen Architekten Ernst Ziller Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Wer weiterfährt bis zur Promenade mit Hafenmole, kann dem Ort eine gewisse Eleganz nicht absprechen, die von Zeiten herrührt, als der ägyptische König Faruk regelmäßig seine Thermalkur in Methana durchführte. Auch unzählige ältere Griechen erinnern sich der wohltuenden Bäder, die sie gegen ihre Zipperlein auf Kosten der jeweiligen Sozialversicherung genossen haben.
Auf der Suche nach Gesundheit im Schwefelbad
Wein- und Gemüsegärten
Die seit der Antike bekannten Schwefel, Radon und Kohlensäure haltigen Thermalquellen und die heilkräftigen Mineralsalze könnten dem Ort einen Namen in der Welt der Heilbäder verschaffen, wenn sie nicht mangels Investoren seit einigen Jahren geschlossen wären. Die alten Kurhotels und Pensionen verkommen. Die neueren Herbergen sind auf den beschränkten Sommertourismus und die spärlichen Natur- und Wanderfreunde angewiesen.
Über Jahrtausende haben zahlreiche Vulkanausbrüche allmählich die gebirgige Gestalt dieser Halbinsel geformt. Das poröse Lavagestein enthält zwar äußerst fruchtbare Mineralien, kann aber das Regenwasser nicht halten. Dieses tritt dann als Thermalquelle weit unterhalb aus dem Gestein, was zum Ärger eines Besuchers wie Pausanias sich weder zum Trinken noch zum Waschen eignet. Und doch ist der aufragende Block der etwa 30 Vulkandome mit ihren Kratern ein grünes Paradies, die Hänge sind mit Buschwerk und Bäumen bewachsen, die im Laufe der Jahrhunderte aufgeschütteten Terrassen geben Oliven- und Mandel- und Obstbäumen Halt und die Krater der Vulkane werden von den Bauern als Wein- und Gemüsegärten genutzt. Auf 150 bis 300 Höhenmeter bilden sieben alte und weitgehend authentische Dörfer einen Ring um den Bergkegel. Jedes der Häuser verfügt über eine Zisterne, die das Regenwasser auffängt, das früher mit Hilfe von Tragtieren das Gedeihen in den Gärten und Feldern ermöglicht hat. Wasser war das höchste Gut, das mit größter Sparsamkeit verwendet wurde und wertvoller war als das Olivenöl, das übrigens nicht nur mengenmäßig, sondern auch vom Geschmack her unübertroffen ist.
Zum Markt nach Piräus
Noch vor 60 Jahren besaßen die nördlichen Dörfer Kounoupitsa, Ano Muska und Kato Muska sieben Transportkähne, mit denen ihre gehaltvollen Produkte auf den Markt in Piräus transportiert wurden. Etwa 150 Mulis pendelten damals noch täglich von den Anbaugebieten hinunter ans Meer. Das alles ist Vergangenheit. Die Mühe mit dem Gemüseanbau lohnt sich seit langem nicht mehr, die Oliven, Mandeln, Feigen und Zitronen aus Methana können gegen die Konkurrenz der globalen Märkte nicht mithalten. Nur die Ölbäume erfahren noch Pflege durch die Söhne und Töchter der alten Besitzer, die einmal pro Jahr im November zur Ernte aus Piräus und Athen kommen, wo sie ansonsten einem kleinbürgerlichen Broterwerb nachgehen. Die sieben Dörfer sind inzwischen auf etwa zehn Prozent ihrer ursprünglichen Bevölkerung zurückgegangen. Die Schulen sind alle geschlossen. Ein schwarzer Priester aus Nigeria besorgt die Gottesdienste und die Begräbnisse.
Felsenmeer des Kraters
Der Niedergang der landwirtschaftlichen Tätigkeit und der Abzug der Bevölkerung aus den Dörfern haben dazu geführt, dass sich die Wälder und auch das Buschwerk in den letzten Jahrzehnten weitgehend der Nutzung entziehen konnten. Vor allem im höheren Bereich des Gebirges konnte sich die Artenvielfalt der Pflanzen regenerieren und die Tierwelt konnte sich ihren Lebensraum wieder erobern. Füchse, Dachse, Wiesel, Schildkröten und eine große Zahl von Vogelarten bewohnen heute die Vulkanlandschaft. Im Frühjahr bezaubern den Wanderer die Pflanzenvielfalt mit den Blumenteppichen in den Kratern und das einmalige Vorkommen zwölf verschiedener Arten von Orchideen. In einigen Bereichen ist der Wildwuchs so gewaltig, dass manche der uralten Kirchlein nur mit Hilfe einer Machete erreichbar sind.
Vor einigen Jahren hat sich eine Gruppe jüngerer Freunde der methanischen Landschaft der alten Pfade angenommen, sie von Gestrüpp befreit und als Wanderwege markiert. Der Wanderer stößt immer wieder auf jahrhundertealte Kirchlein, die den Heiligen Ioannis, Nektarios, Dimitrios, Konstantinos und Eleni, Nikolaos usw. gewidmet sind und offensichtlich einzelnen Familien gehören. Höhepunkt dieser Wanderungen ist das Lavafeld des historischen Vulkans mit dem Dorf Kammeni Chora („Verbrannte Erde“). Im Jahr 230 v. Chr. hat die Magmakammer unter der Halbinsel ihre glühende Lava an die Oberfläche gedrückt und einen neuen Bergrücken bis hinunter ins Meer gebildet. Der Aufstieg zum zerrissenen Felsenmeer des Kraters lohnt sich für alle, die sich eine kleine Anstrengung zumuten. Von der Straße aus sind es nicht mehr als 20 Minuten. Im Anschluss daran empfiehlt sich ein Besuch in der Taverne von Theodoros Ioannou weiter unten im Dorf, die sich direkt an die rotbraune Lava anschmiegt. Dort kann man auch noch einen kulturellen Höhepunkt erleben. Einige Schritte von der Kneipe hat Theodoros ein offenes Theater errichtet, wo in den Sommernächten griechische Liedermacher oder sogar klassische Streichquartette auftreten.
Halbinsel mit Visionen
Ansonsten hat sich das Wirtschaftsleben der Halbinsel weitgehend auf die Küste verlegt. Methana ist heute nicht nur für Naturfreunde und gebrechliche Kurgäste ein lohnender Anziehungspunkt. Neben dem Hauptort und in den kleinen Fischerhäfen von Vathy und Agios Georgios legen immer mehr Segelboote an, denn es hat sich in diesen Kreisen offensichtlich herumgesprochen, dass in den dazu gehörenden Tavernen ausgezeichnete griechische Küche serviert wird. Auch den Freunden des Altertums hat die Halbinsel einiges zu bieten. Allenthalben finden sich Reste von antiken Siedlungen; besonders die gewaltigen Mauern der Akropolis auf der Westseite, die auf das 6. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen und die wohl das Zentrum der Stadt Methana war, als Pausanias sich dort über das fehlende Wasser beschwerte.
Dorfplatz mit verschlossenen Häusern
Methana liegt auf der Strecke der saronischen Fähren zwischen Ägina und Poros und hat weit weniger Besucher als die beiden Inseln – so wenig, dass in den letzten beiden Wintern unter der Woche keine Fähre mehr anlegte. Die Halbinsel benötigt dringend einen nachhaltigen Aufschwung. Auf Initiative der ETH Zürich und des auf vulkanologische Reisen spezialisierten Deutschen Tobias Schorr wurde im Jahr 2015 der 1. Internationale geo-vulkanologische Kongress veranstaltet. Dessen Ziel war, die bisherigen touristischen Elemente zusammenzuführen und auf Methana einen kombinierten Kur-, Wander- und Geo-Tourismus zu schaffen. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden. Doch die Delegierten reisten ab. Ein Investor, der die Ideen verwirklicht, ist nicht in Sicht.
Text und Fotos von Hubert Eichheim
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 744 am 30. September 2020.