Kefalonia: Es könnte sich ohne weiteres um einen Mädchennamen handeln, und einem Vorhaben, sich in dessen Halterin zu verlieben, sollte eigentlich nichts im Weg stehen. Es ist auch tatsächlich von einer Schönheit die Rede, jedoch einer Insel. Aber die ist ja auch weiblich.
Von Nidri auf Lefkada, wo ich mich zuletzt befand, kann man per Fähre auf die Ionische Insel Kefalonia hinreisen und landet dann in einem Hafen mit dem seltsamen, gar nicht griechisch klingenden Namen Fiskardo am Nordzipfel. Das musste natürlich sofort ergründet werden! Also: Es war der Normanne Robert Guiscard, der dort anno 1085 Station machte und damit eine lange Reihe ausländischer Besucher fortsetzte bzw. neu einleitete. Von denen die Türken wie immer in Griechenland die ungeliebtesten waren, vor allem nachdem sie 1538 über 3.000 Insulaner in die Sklaverei verschleppten.
Berg mit endemischen Schwarztannen
Die fruchtbare Insel war seit 110.000 Jahren (Neandertaler) stets ziemlich durchgängig besiedelt. Häufige Erdbeben vertrieben jedoch viele Einwohner, vor allem in der Neuzeit. Ein besonders schwerer Wackel von 1953 führte zu massiver Abwanderung, denn alle Ortschaften mit Ausnahme von Fiskardo waren praktisch dem Erdboden gleichgemacht worden. Inzwischen ist es zu neuer Auffüllung gekommen, aber auf Kosten der schönen Baulichkeiten aus alter Zeit, denn bei den Neubauten hat man wenig an Ästhetik gedacht und einfach mit Beton drauflos gekleistert.
Auch sind alle erdenklichen Nationen vertreten, was ja schon seit eh und je üblich war, aber heute sind es die „richtigen“. Selbst erdbebenresistente, erzkatholische Filipinos treten auf der dem Christentum seit biblischen Tagen zugeneigten Insel in Erscheinung, zur großen Freude meiner von den Philippinen stammenden Gattin. Filipinos kehren jedoch mehrheitlich in ihre Heimat zurück; sie sind keine „Flüchtlinge“. Dafür gibt es umso mehr Englischsprecher auf der Insel – sowohl Briten als auch Heimkehrer aus den USA, in die sie einst ausgewandert waren. Jedes Dorf hat ein paar davon.
Der Lockruf des urwüchsigsten Stücks Land im ionischen Archipel ist groß, denn Kefalonia bietet viele Annehmlichkeiten. Weite Teile des Eilands sind mit den in Griechenland endemischen Schwarztannen bedeckt, die den Wäldern um den zentralen Berg Enos (1628 Meter) zwar ein etwas düsteres Gepräge vermitteln, aber auf intakte Natur schließen lassen. (Dank Wiederaufforstung durch einen britischen (!) Gouverneur 1824). Diese Verhältnisse werden unterstrichen durch schöne Strände und Postkartenwunder, wie den tiefblauen Melissani-See an der Ostküste, den man unbedingt mal gesehen haben muss.
Der Melissani-See ist ein touristischer Magnet.
Uralter Olivenbaum als Ambiente
Naturnähe ist schon in Fiskardo evident. Statt kitschiger Götternachbauten hat man den riesigen Wurzelstock eines uralten Olivenbaums mitten in den Ort gesetzt, ein uriges Ungetüm, das so richtig ins griechische Ambiente passt. Das Innere von Kefalonia ist hingegen ein wildes, von wenig Straßenverkehr getrübtes Gelände. Wer sich auf öffentliche Fortbewegung verlässt, kommt nur langsam von der Stelle. Macht nichts, Entschleunigung ist eh die Devise der Moderne. Deshalb dauerte es mehrere Tage, bis wir in Poros im mittleren Süden angelangten, von wo eine dickbäuchige Fähre nach der Peloponnes übersetzt. Dort, in Poros, gab es auch wieder mal Familienanschluss, und verliebt wie wir in die alte Dame Kefalonia waren, machten wir von dem Dampfer nur ungern Gebrauch. Aber man kann halt jederzeit wiederkommen.
Man störe sich nicht daran, dass auf den Bildern des Öfteren ein roter Sonnenschirm zu sehen ist. Der Frühsommer hatte sich bereits eingestellt, und es war schon sengend heiß. Und da die Gattin des Autors philippinischer Abkunft ist, kann sie gut auf Bratapfelgesicht und Hautkrebs verzichten und greift daher zu diesem Gegenmittel. Billig, nicht klebrig und nachahmenswert. Die Insulanerinnen machen das ja auch.
Wenn das kein Denkmal an die Natur ist!
Text und Fotos: Roland Hanewald
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 671 am 3. April 2019.