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Lefkada – die Weiße

  • geschrieben von  Alexander Jossifidis
Eine typische Westküstenlandschaft Lefkadas. Eine typische Westküstenlandschaft Lefkadas.

Auf eine Fähre kann man verzichten, wenn man Lefkada besucht, doch an ganz besonderer Inselatmosphäre mangelt es keinesfalls – ob im ruhigen Landesinneren oder an einem der „karibischen“ Strände mit glasklarem Wasser.

Natürlich ist Lefkada eine Insel, denke ich mir, als ich nach zwei Minuten Fahrt vom Festland kommend auf die Insel übersetze. Zunächst vermisse ich dieses unbestimmte Inselgefühl. Liegt es vielleicht an den fehlenden Autofähren, die mich bisher stets vom Festland auf Inseln wie Samothraki oder Kythera gebracht hatten? Ganz ohne Schiff geht es jedoch auch nicht nach Lefkada. An der schmalsten Stelle zum Festland rollen Autos über eine Schwenkbrücke. „Schaut mal, diese Brücke ist ein Schiff“, rufen die Kinder auf den Rücksitzen aufgeregt. „Jetzt klappt es die Rampen herunter, damit wir drüber fahren können!“ In dieser Zeit versperrt die querstehende Schwenkbrücke wartenden Motor- und Segeljachten die Durchfahrt. Dann dreht sie sich um 90 Grad und macht Platz für die Freizeitkapitäne. Die Autos müssen warten. In diesem Moment weiß ich nicht, was mich mehr beeindruckt: Ist es diese skurrile Auto-Schiffs-Kreuzung oder ist es die wuchtige mittelalterliche Befestigungsanlage Agia Mavra in unmittelbarer Nähe? Sie war als Schutz vor Piraten errichtet worden. Katholische Kreuzfahrer nutzten sie ebenso wie die Osmanen. Für die Osmanen war Lefkada das einzige größere Eiland der Ionischen Inseln, das sie über einen längeren Zeitraum beherrschten.

Schwenkbruecke die das Festland mit der Insel verbindet SMALL

Schwenkbrücke, die das Festland mit der Insel verbindet

Unter schattenspendenden Bäumen

Kaum haben wir Lefkada erreicht, stehen wir bereits am Hafen der quirligen gleichnamigen Inselhauptstadt. Unzählige Segel- und Motorboote haben sich in der weitläufigen Marina eingefunden. Ich sehe Schiffe aus Deutschland. Andere tragen die Flaggen der Isle of Man und sogar der Seychellen. Auch wenn Ionische Inseln wie Zakynthos oder Korfu überlaufener oder bekannter sind, ein Geheimtipp ist Lefkada augenscheinlich auch nicht. Folgerichtig entpuppt sich die Suche nach einem freien Appartement für unsere vierköpfige Familie schwieriger als gedacht. Ausgebucht, ausgebucht, ausgebucht, hören wir immer wieder. Mittlerweile sind wir südlich der Inselhauptstadt unterwegs. Leichte Verzweiflung macht sich breit. Im Dorf Lygia erfahren wir von einem etwas versteckt gelegenen Haus namens „Villa Olga“. Es liegt direkt an einer Lagune. Zwischen schattenspendenden Bäumen wehen Hängematten im Wind. Die „Villa Olga“ ist eine stilvoll angelegte und familiär geführte kleine Appartementanlage. „Eigentlich haben wir heute auch kein Zimmer für vier Personen frei, aber wenn sie die erste Nacht etwas zusammenrücken, dann kann ich Ihnen durchaus eine Übernachtungsmöglichkeit anbieten.“
Dimitris, der Besitzer, führt sichtlich stolz durch die Anlage. Meine Kinder sind begeistert. Ihnen hat es insbesondere der Pool mit seinen in das Wasser eingelassenen Liegen angetan. Wir sind endgültig angekommen auf Lefkada und sehr glücklich über unsere durch Zufall entdeckte Unterkunft.

Badealternativen ohne Ende

Am folgenden Morgen wollen wir die Strände an der Westküste kennenlernen. Bei der Reisevorbereitung lasen wir von den Traumstränden Egremni und Porto Katsiki im Südwesten der Insel. Langgezogene Strände, türkisfarbenes Wasser und steile aus weißem Kalkstein bestehende schroffe Felswände prägen zumeist das Bild der Westküste. Kein Wunder, dass die Insel die Weiße genannt wird. Dimitris, unser Gastgeber, holt eine Karte von Lefkada aus seinem Büro und zeigt uns weitere Strände. Es gäbe viele wunderbare Möglichkeiten, um auf Lefkada zu baden. Wobei der Zugang zu einigen Stränden schwierig sei. Teilweise hätte ein Erdbeben Zugänge zerstört.
Tatsächlich finden wir bereits kurz hinter dem kleinen in einen Hang gebauten Küstendorf Agios Nikitas den ersten einladenden Strand. Eine steile Serpentinenstraße führt uns zu ihm. Überrascht stellen wir fest, dass das kristallklare Wasser kälter ist als in der Ägäis. Ist der Grund hierfür eine kalte Strömung oder merkt man doch das offene Meer? Würden wir mit einem Boot vom Strand schnurgerade westwärts fahren, kämen wir im süditalienischen Kalabrien an. Es weht ein kräftiger Wind. Und die eine oder andere Strandmatte fliegt an uns vorüber. Urlauber aus Griechenland, dem Balkan und Russland sind unsere Strandnachbarn. Eingeengt fühlen wir uns allerdings nicht. Dafür ist der Strand zu weitläufig. Und so genießen wir an diesem heißen Tag das saubere, kalte Wasser und staunen über die kleinen Fische, die unsere Beine umkreisen.

die fjordartige Bucht von Vlicho SMALL

Die fjordartige Bucht von Vlicho

Mythen um Odysseus

Doch wir wollen mehr sehen von Lefkada. Weitere gut ausgebaute Serpentinenstraßen führen uns in das bergige und grüne Binnenland. Der Blick fällt auf den 1.158 Meter hohen Berg Elati. Er ist die höchste Erhebung der viertgrößten Ionischen Insel. Während der Fahrt passieren wir sympathisch verschlafene Bergdörfer fernab des touristischen Trubels der Küste. Von hier oben haben wir einen beeindruckenden Blick auf die südlich gelegenen Nachbarinseln Kefalonia und Ithaka.
Ithaka, die Heimat des Odysseus. Allerdings glauben das einige Einwohner Lefkadas nicht. Für sie ist ihre Insel die tatsächliche Heimat des Helden der griechischen Mythologie. Der Grund hierfür ist die Ausgrabungskampagne des deutschen Archäologen Wilhelm Dörpfeld. Er war ein Weggefährte Heinrich Schliemanns und setzte das Ithaka Homers mit Lefkada gleich. Seinen Lebensabend verbrachte der aus Barmen stammende Archäologe auf der ihm eng verbundenen Insel. Dörpfelds Grab findet sich bei der Ortschaft Nidri.

Fjord an mediterraner Küste

Bevor wir uns auf den Weg zur touristisch geprägten Ostküste machen, unternehmen wir noch einen Abstecher in das kleine Dorf Vassiliki. Es liegt an einer großen Bucht im Süden und ist das Surferparadies der Insel. Bereits von den Bergen kommend sehen wir zahlreiche Surfbretter die Bucht von Vassiliki befahren. Der hier zuverlässig wehende Wind macht den Süden Lefkadas zu einem der besten Orte für Windsurfing in Griechenland. Ein kleiner Hafen zeigt zudem an, dass Ausflugsfahrten zu den Stränden an der Westküste sowie Überfahren zu den Nachbarinseln möglich sind.
Uns interessiert jedoch vielmehr die Ostküste. Beim kleinen Straßendorf Vlicho fasziniert uns die fjordartige Vlicho-Bucht. Sie wird von einer Geni genannten Halbinsel und dem Hauptland Lefkadas gebildet. Die Bucht ist ein großartiger Naturhafen. Entsprechend liegen hier unzählige Jachten vor Anker. Uns fällt sofort auf, dass die Ostküste mit ihrem touristischen Schwerpunkt in Nidri viel dichter bebaut ist als die schroffe Westküste. Unsere Blicke schweifen zu den kleinen vorgelagerten Inseln. Eine davon ist Skorpios. Sie war einst die Privatinsel des Reeders Aristoteles Onassis. Hier heiratete er Jackie Kennedy, und hier gab sich der Jetset die Klinke in die Hand.
Uns führt es dagegen wieder zurück zu unserer Unterkunft. Auf dem Balkon sitzend beobachten wir die Schwalben, die über unsere Köpfe fliegen. Allmählich geht die Sonne glühend hinter den majestätischen Bergen unter und taucht die Weiße in eine friedliche Abendstimmung.

Surfen beim Dorf Vassiliki SMALL

Windsurfer beim Dorf Vassiliki

Text und Fotos: Alexander Jossifidis

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 642 am 5. September 2018.

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