Kreta bietet alles: sonniges Wetter, gute und ausgewogene Ernährung, charakteristische Naturlandschaften, kulturelle Sehenswürdigkeiten. Heute setzt unsere Autorin ihren Besuch bei Dimitris Batsakis im Botanischen Garten bei Chania fort und inspiziert danach das Zentrum für Kretische Gastronomie in Argyroupolis, einem Küstenort zwischen Rethymnon und Chania.
Dimitris Batsakis ist Biologe, er hat zehn Jahre am Robert-Koch-Institut in Deutschland gearbeitet und bei Gemeinschaftsprojekten mit der FU Berlin geforscht. Als seine Eltern in Hellas Hilfe brauchten, hat er den Job hingeschmissen und ist in seine Heimat zurückgekehrt. Jetzt arbeitet er im Botanischen Garten, 18 Kilometer südlich von Chania, in Richtung Omalos und Samaria-Schlucht. Dort informiert er Gäste als Ernährungsexperte und Reiseleiter. „Stimmt das, dass Sie zwei Flaschen Olivenöl ganz allein aufbrauchen?“, fragt ein Gast im Restaurant des botanischen Gartens. Dimitris Batsakis’ Antwort kommt, wie aus der Pistole geschossen: „Zwei Flaschen die Woche! Ja!“ – „Und wie schaffen Sie das?“, lautet die nächste Frage: „Mit Brot, so wie Sie das heute auch gesehen haben. Sie müssen wissen, meine Ernährung basiert auf Biobrot, Tomaten und Olivenöl und ein bisschen Salz darüber. Dann gibt es bei mir jeden Tag Salat, ebenfalls mit sehr viel Olivenöl darin.“ Fleisch isst der mittelgroße, kräftig gebaute, abenteuerlich wirkende Grieche ungefähr alle zehn Tage. Die meisten seiner Zuhörer staunen, wissen sie nur zu gut, dass der Mann leidenschaftlicher Bergsteiger ist, und man nimmt ihm deshalb den Fast-Vegetarier nur schwer ab. Doch Dimitris Batsakis erklärt ihnen, dass all jene, die ihm nicht glauben, längst Opfer der Fleischindustrie geworden seien, die immer wieder verkündet, dass der Mensch ohne sein tägliches Fleisch nicht leben könne.
Solche Erlebnisse hat man als Tourist immer nur dann, wenn man abseits der großen Touristenzentren der kretischen Nordküste privat unterwegs ist. Dimitris Batsakis gibt Seminare zur kretischen Ernährung im kleinen Amphitheater des Botanischen Gartens. Später wird kretische Küche im Gartenrestaurant serviert und gekostet. Dieser Botanische Garten ist in Europa nicht nur einmalig, sondern auch für jeden frei zugänglich. Aber wie es zu seiner Entstehung kam, das ist wieder eine ganz andere kretische Geschichte.
Ein Paradies aus der Asche
Die Geschichte des Gartens beginnt 2003, als durch einen Kabelbrand an den Stromleitungen ein riesiges Feuer ausbrach. Das Feuer breitete sich, bei einem Südwind der Stärke 11, über einen Zeitraum von 24 Stunden massiv aus und zerstörte ein riesiges Gebiet mit uralten Olivenbäumen. Unter anderem vernichtete es den gesamten Besitz sowie die familieneigene Olivenpresse der Manousakis. Plötzlich mussten die traditionellen Olivenölproduzenten fremdes Olivenöl kaufen. So fand bei Petros Manousakis ein Umdenken statt. Nach der Vernichtung des Familienbesitzes dachte er viel über den Sinn des Lebens nach. Und er entschied sich, auf einem 20 Hektar großen Stück Land etwas für alle Menschen zu gestalten: einen Raum für gesundes Gemüse, Obstbäume aus der ganzen Welt, kretische Kräuter, Heil- und Zierpflanzen.
„So kam die Idee, den Botanischen Garten aufzubauen. Denn selbst die Griechen kennen ihre eigene Natur nicht mehr so gut. Ich kannte das Mikroklima der Region. In diesem Gebiet herrscht ein tropisches, mediterranes und gleichzeitig alpines Klima“, erläutert Petros Manousakis voll Begeisterung und Rührung, weil ihm selbst täglich bewusst wird, was er da geschaffen hat. „Der Nordwind wird von den Bergen abgeblockt, wir sind in einer Höhe von 165 Metern über dem Meeresspiegel. Und es herrscht auch noch viel Feuchtigkeit, weil unterirdisch das Wasser der Weißen Berge fließt.“ In diesem Botanischen Garten entdecke ich zu meiner Überraschung tatsächlich Mango-, Litschi-, Papaya- und Guavenbäume, die ganz harmonisch mit Apfelbäumen und Kastanien koexistieren.
Petros Manousakis und Dimitris Batsakis arbeiten rund um die Uhr im Botanischen Park.
Wanderweg voller Erlebnisse
Der Spaziergang im Botanischen Garten ist insgesamt 2,5 Kilometer lang. Entlang des Weges duftet es nach Blumen und Kräutern. Viele einheimische Vögel und Zugvögel fühlen sich hier ebenso zu Hause wie kleine Insekten und Bienen. Als ich mich bei Petros nach der Profitabilität seines Unternehmens erkundige, winkt er vehement mit der Hand ab. Inzwischen gäbe es genügend Gäste, sagt er, bevor er sich dann doch noch ein Herz fasst und mir erklärt: „Vielleicht sollte ich etwas zum Geld sagen“, beginnt er, und man merkt, dass ihm das Folgende wichtig ist. „Geld ist nicht gleich Glück, Geld hat nichts mit Liebe, nichts mit Ehre, nichts mit Fleiß zu tun. Geld steht ganz woanders. Es hilft dir manchmal, aber wir Menschen haben da etwas durcheinandergebracht, was Geld ist und was den Nutzen des Geldes betrifft.“ Für Petros Manousakis hatte die Wiedergeburt der Region nach dem Brand oberste Priorität. Er möchte die Entfaltung der Natur wieder erleben. „Die Freude und das Glück, das ich dadurch erhalte, ist viel mehr wert, als alles Geld, das heute reinkommt.“
Agrodiatrofiki – mehr als ein Interessensverband
Letzte und dritte Station meiner Kreta-Etappe ist dieses Mal Argyroupolis, ein nördlicher Küstenort zwischen Rethymnon und Chania. Dort besuche ich das Zentrum für kretische Gastronomie, gegründet vom Verein der Agro-Ernährung (Agrodiatrofiki) – eines Verbands, der sich um mehr Zusammenarbeit unter den kretischen Agrarbetrieben bemüht, um sich zukünftig auch auf europäischen Märkten besser positionieren zu können. Und man will gerade auch für die junge Generation auf Kreta Perspektiven eröffnen. Als ich dort die Geschwister Marianna und Nikos Chalkiadakis kennenlerne, muss ich wieder an die Worte des Präfekten von Kreta, Stavros Arnaoutakis, denken, der die Bedeutung der Zusammenarbeit hervorgehoben hatte (siehe dazu GZ 640).
Marianna ist von Haus aus Architektin, der Bruder Nikos hat im Bereich Wirtschaft studiert. Der jungen Frau ist es wichtig, mir die Hintergründe ihrer Arbeit verständlich zu machen: „Wir standen vor fünf Jahren vor der Entscheidung, was wir in der Krise machen sollten. Wir sagten uns, wir wollen nicht weg. Schließlich ist Kreta eine fruchtbare Insel im Agrarbereich, aber auch ein Entdeckungstopos und Ort für Abenteuer.“ Die beiden freundlichen Geschwister wollten mehr aus dem machen, was sie von ihren Vätern und Großvätern in Sachen Lebensart gelernt hatten. Es mussten nur neue Methoden her, um die kretischen Schätze besser zu verkaufen. So kam es zur Firmengründung „Minoan Gaia“.
Jung im Geschäft – Geschwister Marianna und Nikos Chalkiadakis
Neue Marke – besserer Verkauf
Das Konzept der beiden Geschwister aus Heraklion verknüpft Kultur und Kulinarisches. Sie kaufen von Bauern hochwertige Produkte auf, wie Olivenöl und Honig, und versehen sie mit Abbildungen aus der minoischen Geschichte und Kultur. Die Olivenölflaschen zeigen beispielsweise die Darstellung der Göttin Erde. Auf ihren Honiggläsern ist der sogenannte Bienentanz abgebildet. Entnommen haben sie ihre Motive dem archäologischen Museum in Heraklion, wo man diese auf antiken Tongefäßen oder Ringen finden kann. Dieses Konzept komme gut an, versichert mir Marianna Chalkiadaki. „Wenn ein Tourist aus einem Museum mit einem bestimmten Bild im Kopf hinausgeht, soll er diese Erfahrung als Erinnerung auf unseren Produkten wiederfinden. Die Botschaft lautet also: Ernährung ist eine Erfahrung, die man auf Kreta erleben und auch mit nach Hause nehmen kann.“ Durch den Kontakt und die Unterstützung der „Agrodiatrofiki“ konnten die beiden Geschwister jetzt nun auch leichter den Kontakt mit Händlern in Deutschland herstellen, um ihre Produkte direkt zu verkaufen.
Meine Reise auf Kreta ist am Ende nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen auf all das, was die Insel heute alternativ zu den klassischen Reiseangeboten zu bieten hat. Hauptsache, man bringt Neugier und Entdeckungslust mit und wagt einen Blick in die noch nicht von der internationalen Reisebranche organisierten Orte.
Text und Fotos: Marianthi Milona
Hilfreiche Adressen:
Hellenic Aloe, www.hellenicaloe.gr
Botanical Park and Gardens, www.botanical-park.com
Minoan Gaia, www.minoangaia.gr
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 641 am 29. August 2018.