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Eine wunderschöne Fahrt ins Blaue

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Postkartenmotiv: Der kleine Hafen und die bunten Häser (Fotos: GZhk). Postkartenmotiv: Der kleine Hafen und die bunten Häser (Fotos: GZhk).

Chalki, die kleine Schwester der Insel Rhodos, Teil 1

Schon bei der Hafeneinfahrt will man schnell an Land: Der kleine Hauptort von Chalki bezirzt den Besucher schon durch seinen Anblick. Und es kommt noch besser: Die kleine Schwester von Rhodos hält alles, was sie vom ersten Augenblick an versprochen hat.

So blau kann doch kein Meer sein! Tiefes Königsblau, Lapislazuli, am Hafenrand leichtes Türkis. Da muss jemand eine Postkarte übermäßig koloriert haben! Die Reihen der mit roten Ziegeln gedeckten Häuser am Hafen sind mit allen Farben getüncht, die ein Farbkasten zu bieten hat: die kräftige Version, die leicht hellere mit etwas mehr Wasser darin und daneben die ganz zarte Pastellversion. Dunkles Rot, Brombeer, Rosa, Lila, Ocker, Beige, Grau, Lichtblau und Tinte, ein bisschen Grün und etwas Grau, vor allem aber alle denkbaren Abstufungen von Gelb und Weiß. Im Abendlicht knallen die Farben heraus, die im starken Sonnenlicht tagsüber verblassen.

Der „Dodekanissis Express“ legt an der Mole in der Hafenbucht von Chalki an, einer kleinen, fast kahlen Insel gleich neben der großen Schwester Rhodos, mit der sie ihre Geschichte teilt.

Die Dorfhäuser von Emborió (auch Nimborió genannt) sind sehr stilsicher renoviert. Da muss ein Konzept dahinterstecken, das ist so deutlich anders als auf anderen Inseln, wo oft ohne Rücksicht auf das Ganze gebaut wird. Hier muss jemand ein Auge für das Gesamtbild gehabt haben, kombiniert mit dem Sinn für die charakteristischen Details, die Andeutungen von neoklassizistischen Giebeln, die Türen und Fensterläden, die Linien des Ortsbilds. Von einigen der alten Bruchsteinmauerhäuser steht nur noch die Außenmauer. Hübsch Herausgeputztes und Gebäude in allen Stadien des Verfalls finden sich Seite an Seite. Wenn ein Neubau dazwischen sein sollte, ist er nur nach sehr gründlicher Musterung zu erkennen, so sorgfältig wurde alles eingefügt in die traditionelle Struktur.

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Liebevoll renoviert.

Leben ohne Entertainment

Nach einer langen Zeit der Abwanderung ist Leben auf die Insel zurückgekehrt, die sich eine Zukunft im Tourismus ausrechnet. Der Aufbruch zeigt sich an den sorgfältig gepflasterten Treppen und Pfaden durch das Dorf und den mit Photovoltaik betriebenen Straßenlaternen. Bäume bringen Schatten, viele Blumen auf Terrassen und Balkonen und winzige Gärtchen zeugen davon, dass dies keine reine Feriensiedlung ist. Eher an der Zusammensetzung der Wäsche auf den Leinen kann man ablesen, ob hier Einheimische ganzjährig wohnen oder ob die Häuser an Touristen vermietet sind. Bei genauerem Hinsehen überwiegen die Urlaubsunterkünfte bei weitem. In einer Broschüre finde ich für 2010 die Zahl von 295 Einwohnern angegeben. Wo die nur ein Jahr später, 2011, bei der Volkszählung 478 registrierten Einwohner wirklich leben, bleibt den Geheimnissen der Greek Statistics überlassen. Im Sommer arbeiten hier etliche in- und ausländischen Arbeitskräfte im Tourismus, aber nicht im Winter.

Diese Insel zieht ein ruhiges Publikum an, Stille suchende Griechen, einige britische Rentner aus den besser verdienenden Kreisen, betuchte Italiener, Deutsche, die das authentisch Griechische suchen, eine Insel für Menschen, die keinerlei Entertainment brauchen – außer dem Leben auf der Insel und dem Meer.

Griechisches Badevergnügen

Blau ist das Meer, blau der Himmel. Die Strandtaverne „Ftenagio“ liegt ein paar Minuten vom Dorfrand entfernt, eine typische Taverne mit Blätterdach und blauen Stühlen, davor auf einer flachen Terrasse über dem Felsenrand stehen einige blau-weiß gestreifte Liegestühle mit weißen, grünen oder blau-weißen Schirmen. Darunter schiebt sich seitlich eine hübsche kleine Kieselbucht mit einer winzigen Ecke Sand. Das reicht, um leicht ins Meer zu kommen. Schwimmen im tiefen Blau mit Blick auf kleine vorgelagerte Inseln ist das größte Vergnügen. Am anderen Ende des Ortes führt ein Weg zum Pondamos-Beach. Der flache Sandstrand eignet sich auch für Kinder. Glasklares Wasser, blau, blau, blau, eine Taverne mit Liegen und Schirmen, so stellen wir uns griechisches Badevergnügen vor. Sportlichere finden noch eine Reihe anderer Strände, aber dorthin muss man etwas weiter laufen oder sich mit einem Boot hinfahren lassen. Was brauchen wir Strand, wir wollen nur schwimmen. Im Ort ermöglichen Leitern an zahlreichen Stellen von den Felsen ins Meer hinunter zu steigen. Das Allerbeste: sauberes Wasser, kühl-warmes, ruhiges Meer. Dazu bitte möglichst eine Taverne, eine einfache Bude, wo man unter einer Tamariske oder Weinlaub schattig sitzen kann, ein Buch liest, eine Tasse Kaffee und ein Glas kühles Wasser bestellen kann und einfach aufs Wasser guckt. Das könnte ich hier den ganzen Tag! Das tiefe Blau wirkt immer wieder anders, je nach Sonnenstand. Morgens prickeln die Sonnenflecken darauf wie Sekt, dann ziehen mit der Strömung bald hellere Straßen durchs dunkle Blau. An den Küstenstreifen schimmert es türkis oder weiß, wenn sich kleine Wellen dort brechen. Die Berge spiegeln sich hell im Wasser und kleine Wellen bringen die Linien zum Tanzen.

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Uhrturm: Geschenk von Auswanderern.

Kupfer gab den Namen

Ruhe ist ein Charakteristikum von Chalki. Nur sonntags, da beschallt der Pope Emborió mit seinem Gesang. Kommen die Menschen nicht in die Kirche, kommt der Gottesdienst unausweichlich zu ihnen. Autos und Motorräder gibt es nur wenige auf der Insel. Kein Geknatter, keine Anschnackerei aus den Tavernen. Die Gäste kommen sowieso. Es gibt etliche Bars und Restaurants, aber kein Konkurrenzgerangel. Alle bieten gute Speisen an und vor allem den Blick auf Hafen und Meer. Im Hintergrund zeichnet sich die Höhenlinie von Rhodos ab.

Autos braucht die Insel kaum, bei einem Straßennetz von 3,5 Kilometern gibt es Alternativen für Transporte. Wohin sollte man auch fahren wollen? Zu den angenehmen kleinen Stränden kann man zu Fuß laufen. Immerhin kann man Ausflüge mit dem Boot zu stillen Buchten oder rund um die Insel machen. Irgendwelche besonderen Sehenswürdigkeiten hat die Insel nicht zu bieten. In der Antike war die Insel grün und fruchtbar, berühmt wegen der Kupfervorkommen, wie der Name besagt. Aus der Zeit ist heute nichts mehr zusehen, vom Mittelalter schon mehr.

Eine Betonpiste führt zum früheren Hauptdorf Chorió. Der liegt malerisch in Ruinen unterhalb der verfallenen Johanniterburg im Inselinneren, wo außer Stützmauern und kleinen Kirchen nichts wirklich Sehenswertes lockt. Die Burg ganz oben auf einem Berg könnte allerdings einem Bilderbuch entwichen sein. Jeden Freitag fährt ein Minibus abends für zwei Stunden Neugierige den Weg zum Geisterort hoch.

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Hektik ist ein Fremdwort auf Chalki.

Sensation en miniature

Im Dorf Emborió herumzuspazieren ist Sensation genug. Die Gassen, Winkel, Durchblicke, Ausblicke, die vielen Details sind es, die den Reiz ausmachen. Der Innenhof der Nikolauskirche aus dem 18. Jahrhundert ist mit weißen und schwarzen Kieseln gepflastert, der durchbrochene Kirchturm erinnert an einen italienischen Campanile.

Eine griechische Touristen-Familie sucht beim Uhrturm nach der Dorfkirche, wo nach der Beschreibung ihre gebuchte Unterkunft liegen soll und glaubt sich auf dem sicheren Weg. Wir haben diesen ungewöhnlichen Turm mit auf einer Seite fehlender und auf den anderen Seiten stehengeblieben Uhren auch auf den ersten Blick für einen Kirchturm gehalten und uns schon gewundert, weshalb ein so kleiner Ort zwei große Kirchen braucht. Obenauf dreht sich ein Fisch als Wetterfahne, was wir in Griechenland noch nie gesehen haben. Es könnte ein Symbol für Christus sein, aber auch einfach sein, was es ist: ein Fisch, was auf einer Insel, die vor dem Ausbruch des Tourismusgeschäfts vom Fischfang lebte, zu erwarten wäre. Aber keine Kirche rundum, nur ein Turm. Es waren Auswanderer nach Florida, die ihrer Heimatstadt den „Clock Tower“ geschenkt haben. Früher war die Schwammtaucherei hier wie auf Kalymnos und Symi ein einträgliches Geschäft, aber nach Erfindung der Kunstschwämme war das zu Ende, und etliche zogen aufs Festland oder wanderten aus. In Florida ging es dann in Tarpon Springs eine Zeitlang weiter mit den Schwämmen, bis 1947 eine Algenpest dem Schwammtauchen auch dort ein Ende setzte.

Wir essen ein Eis am Hafen. Der Wirt ist so stolz auf sein selbst gefertigtes Eis. Er hebt hervor, dass es gerade vor zehn Minuten fabriziert geworden sei. Doch, sehr lecker, und wirklich entzückend präsentiert von seiner kleinen Tochter mit den blitzenden Augen, Joghurteis mit Waldfrüchten und Schokolade. Weil es hier so gute Sicht auf den Hafen, Schiffe, kleine Boote, einen Dreimaster und das Meer gibt, bleiben wir sitzen und bestellen Kaffee. Er kommt im Briki mit einem Likör und einem Loukoumi, dazu ein großes Glas Wasser, also sehr stilvoll. Heute Nachmittag weht der starke Sommer-Sturm Meltemi. Er weht das Tablett um. Ein Gläschen fällt auf den Boden und zerschellt. Schon am Abend hat sich der Sturm gelegt.

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Griechischer Kaffee aus dem Briki samt Likör und Loukoumi.

Lesen Sie mehr über das alltägliche Leben am Hafen, über die Geschichte des Eilands und über engagierte Frauen im zweiten Teil unserer Reportage.

Von Hiltrud Koch

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