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Kos macht unbeeindruckt weiter

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Auch sehenswert: Bauten aus italienischer Kolonialzeit (Fotos: © GZcb). Auch sehenswert: Bauten aus italienischer Kolonialzeit (Fotos: © GZcb).

Das Erd- und Seebeben vom 21. Juli 2017 hat die Urlaubswelt auf Kos nur kurz erschüttert. Blitzschnell waren Schlick, Trümmer und Unrat beseitigt. Die vom Flüchtlingswinter 2015/16 schwer gebeutelte Insel hätte eine Katastrophe größeren Ausmaßes in den Ruin gestürzt. Aber man ist noch einmal relativ glimpflich davongekommen. 

Zeus sei Dank haben sich nur wenige Ausländer durch die ungerechtfertigten Horrormeldungen und -bilder in den Medien davon abhalten lassen, ihren geplanten Urlaub auf Kos anzutreten. Man nimmt diese Art von schlechtem Journalismus offenbar nicht mehr allzu Ernst. Die Hotels sind weiterhin sehr gut gefüllt, ohne dass die breite Bevölkerung davon einen gerechten Batzen abbekäme: Geschätzte drei Viertel aller Gäste haben nämlich all-inclusive oder zumindest Halbpension gebucht. Individualreisende kommen weitaus weniger als in den Jahren zuvor – vor allem, weil Ryan Air Kos aus dem Flugplan gestrichen hat. Und gerade die irischen Billigflieger hatten in den Vorjahren die freien Urlauber gebracht, die sich ihr Zimmer oder Apartment im Internet bei den Einheimischen selbst buchten und in die Tavernen zum Essen gingen.

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Must See: das Äskulap-Heiligtum auf Kos.

Strände überall ...

Der große Trumpf der Insel sind ihre vielen langen Sandstrände. Obwohl Kos nach den viel größeren Mitbewerbern Kreta, Rhodos und Korfu das meistgebuchte griechische Urlaubsziel ist und mehr Fremdenbetten pro Kopf der Bevölkerung zählt als seine Konkurrenten, gibt es noch immer zahlreiche völlig unverbaute Traumstrände. Bekannt und wohl von den meisten Kos-Urlaubern besucht ist der über zehn Kilometer lange, bis zu 100 Meter breite Sandstrand entlang der Südküste zwischen der Inselmitte und der Kefalos-Halbinsel im Westen. Holprige, kurvenreiche Stichstraßen führen an einigen Stellen von der Inseltransversale aus hinunter. Dort steht dann meist jeweils eine Taverne, die dem Strandabschnitt auch ihren Namen gab: Magic, Sunny, Markos und Paradise Beach. Am Langades und am Polemi Beach sind es nur einfache Beach Bars. Vor den Tavernen und Bars werden Liegestühle und Sonnenschirme vermietet, am Paradise Beach agiert auch eine große Wassersportstation. Dazwischen ist viel menschenarmer Freiraum, in dem sich auch Adam und Eva vor der Kulisse der gegenüber aus der Ägäis steigenden Vulkaninsel Nissyros treffen. Zimmer werden nirgends vermietet – nur ganz im Osten des langen Strandbandes liegt ein großes TUI-Hotel gut versteckt in einem Taleinschnitt. Isolierter als dort kann man kaum Griechenlandurlaub machen. Höchstens noch im Robinson Club zwischen TUI-Hotel und Kardamena.

Weitaus weniger als dieser Strand werden die kleinen Strände an der Westküste der Kefalos-Halbinsel besucht. Eine Asphaltstraße führt vom Dorf Kefalos bis zur einzigen Taverne an der gesamten Westküste direkt oberhalb des Agios Theologos Beach. Ein schmaler, meist fast menschenleerer Sandstrand zieht sich hier zwischen der oft kräftigen Brandung und einem niedrigen Steilufer entlang; einige wenige Sonnenschirme aus Palmstroh verleihen ihm einen etwas exotischen Charakter.

Wo die breite Erdstraße direkt am Meer endet, macht eine beschriftete Mülltonne auf den Tripiti Diamond Beach aufmerksam. Eine nur einspurige, aber gute Piste führt 600 Meter  weit hin. Bauer Jannis hat dort ein kleines Paradies geschaffen: Wo neben dem weiß-blauen Fahnenmast mit großer griechischer Flagge der Stufenweg die niedrige Steilküste hinunter beginnt, hat er einen Streichelzoo mit Esel, Lämmern, Gänsen, Kaninchen und Hühnern angelegt. Alle Zäune sind ebenso in den Landesfarben weiß-blau gehalten wie das von ihm selbst aus einer Art Bambus gebastelte Geländer am Weg. Drunten auf dem etwa 120 Meter langen Strand vermietet er etwa 45 knallgrüne und -blaue Sonnenschirme aus Palmstroh – wenn er denn da ist. Meist kommt er nur zwei- bis dreimal am Tag mit dem wohl ältesten Moped der Insel hierher. Auch dieser Oldtimer ist natürlich ganz in Weiß und Blau gehalten.

Sogar für Strandmuffel hat die Westhälfte von Kos einen überaus attraktiven Strand zu bieten: Den Agios Stefanos Beach vor der Küstensiedlung Kambos. Da ragen auch die ansehnlichen Überreste der frühchristlichen Basilika Agios Stefanos aus dem Sand. Italienische Archäologen legten sie 1932 frei und richteten anschließend auch einige der zierlichen Granitsäulen der um 500 erbauten Kirche wieder auf. Mehrere Mauern sind etwa brusthoch erhalten; noch deutlich zu erkennen ist das kreuzförmige Becken für die Erwachsenentaufe im unmittelbar nördlich an die Basilika anschließenden Baptisterium. Direkt gegenüber liegt  das kleine Felsinselchen Kastri mit seiner Nikolaus-Kapelle ganz dicht vor der Küste. Auch mittelmäßige Schwimmer können sie leicht erreichen. 

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Kos vor 70 Jahren – Museum in Pyli.

... und auch Tavernen

Natürlich gibt es auf Kos auch jede Menge Tavernen. Und auch die sind keineswegs massentouristisch platt. Zwei gastronomische Perlen zum Beispiel sind nur echten Insidern bekannt. Sie liegen zwischen dem Nordküstenort Mastichari mit seinem kleinen Fährhafen für Boote hinüber nach Kalymnos und dem Elektrizitätswerk der Insel. Da kümmert sich oberhalb des Protokaravas Beach das junge Bauernehepaar Tassos und Gianna ganz herzlich um die wenigen Gäste. Ihr kleiner Landbesitz grenzt direkt an den Protokaravas Beach. Auf einem kleinen Plateau oberhalb des Strandes haben sie vor 13 Jahren eine Art Kafenio eröffnet, aus dem inzwischen eine kleine Taverne geworden ist. Nahezu alles, was hier auf den Tisch kommt, stammt aus eigenem Anbau und von eigenen Tieren. Sie bauen sogar das Viehfutter selbst an und machen im Spätherbst ihre eigene Holzkohle. Trotzdem reichen die Einnahmen nicht immer, um auch im Winter die Stromrechnung bezahlen zu können. Der wird dann einfach abgeschaltet. Eine Speisekarte gibt es in ihrem Lokal nicht; sie bereiten täglich frisch zu, was sie gerade ernten konnten. Am besten, man lässt die beiden einfach auffahren, was sie zu bieten haben. Der Preis ist immer günstig.

Noch ein Stück weiter in Richtung Mastichari besitzen die Brüder Dimitris und Christos, beide schon über 60, ein großes Stück Land. Darauf steht ihre „Dolphin Beach Bar“. Ein bescheidenes Wohnhaus ist gerade in Bau, bis zu seiner Fertigstellung schlafen sie hier im Sommer im Wohnwagen. Beide sprechen gut Englisch und sind recht gesprächig, wenn nicht viel los ist. Weitläufig auf dem Rasen verteilt stehen Tische und Stühle, dazwischen ist viel Platz für Kinder zum Spielen. Die Terrasse vor ihrem Küchengebäude ist von Minze-Hecken umstanden. Von ihr schneiden sie für jeden Gast, der den ihrer Meinung nach besten Mojito der Insel bestellt, ein paar Blätter ab. Und wer keinen Alkohol will, bestellt Limonade. Die kommt hier nicht von einem internationalen Großkonzern, sondern aus der kleinen koischen Produktionsanlage der Firma Galathris. Sie nennt sich „Natur“. Von treuen Stammgästen zeugen die vielen hölzernen Schilder überm Tresen und an den Bäumen: Gästepaare haben ihre Vornamen darauf gemalt. Dimitris und Christos können sich an alle erinnern.

Aber nicht nur abgelegene Tavernen überzeugen auf Kos. Am Rande des vielbesuchten Badeorts Tigaki ist die Taverne „To Ampeli“ ein echter Knüller. Ländlich zurückgezogen sitzen die Gäste hier in einem Reb- und Gemüsegarten. Handgeschriebene Schilder verkünden griechische Weisheiten, Zierkürbisse baumeln an der Decke. Die meisten Gäste bestellen, was sie immer bestellen, bemerken gar nicht die Besonderheit der Karte: Sie startet mit 62 „Ambelomezedes“, kalten und warmen Gerichten zum Portionspreis von jeweils nur 2,50 Euro. Bekanntes gehört ebenso dazu wie völlig Außergewöhnliches: Die griechische Sülze pikti, die Lammhoden ameletites oder pligouri, Schweinefleisch mit Weizenschrot zum Beispiel. Am besten kommt man mit neuen oder alten Freunden und bestellt pro Person etwa drei bis vier verschiedene Gerichte – so unternimmt man gleich einen Streifzug durch die urgriechische Küche. Sonntags serviert man hier außerdem eine Schweinshaxe mit Honig und Sesam – und der Mastix-Likör als Digestif geht auf Rechnung des Hauses.

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Minze für Mojitos der Dolphin Beach Bar.

Kultur gefällig?

Schlemmen und schwimmen müssen auf Kos freilich nicht die einzigen Urlaubsinhalte sein. In der Inselhauptstadt bilden Moscheen und antike Ausgrabungen, die Rekonstruktion einer römischen Villa, ein antikes Odeon und verspielte Bauten aus der Zeit der italienischen Kolonialherrschaft (1912-1943) ein buntes historisches Mosaik. Am Stadtrand haben italienische Archäologen das Asklipieion fotogen hergerichtet, den neben Epidauros auf der Peloponnes bedeutendsten „Kurort“ des antiken Griechenlands. Bei Mastichari ist zudem die Rekonstruktion eines Wohnhauses der klassischen Antike samt Inneneinrichtung entstanden. An vielerlei Stellen sind Überreste frühchristlicher Basiliken zu finden. Kreuzritterburgen zeugen von der Zeit der Johanniterherrschaft (1209-1522) auf dem Dodekanes, kleine volkskundliche Museen und eine wieder funktionstüchtige Windmühle erinnern an die vortouristische Zeit im vergangenen Jahrhundert. Und dann sind da ja noch die Ausflugsmöglichkeiten auf Nachbarinseln: Hinüber nach Nissyros mit seiner Caldera und seinen Kraterranddörfern oder nach Kalymnos, der ehemaligen Schwammfischerinsel. Mit ganz kleinem Gepäck lassen sich zudem Zweitagesausflüge zur heiligen Insel  Patmos oder aufs große Rhodos unternehmen. Auch nach Bodrum, dem antiken Halikarnassos, könnte man eine Tagestour machen.

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Der Tripiti Diamond Beach bei Kefalos.

INFO

Gute Websites: www.kos.gr, www.kostoday.com, www.kosurlaub.de

Empfehlenswerte Hotels: www.afendoulishotel.com, www.astron-hotel-kos.gr, kosaktis.gr, alle in der Stadt Kos

Reiseführer: Marco Polo, DuMont-Reisetaschenbuch und DuMont Direkt, alle von GZ-Autor Klaus Bötig

Von Klaus Bötig

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