Von der Insel Symi will man nicht wieder weg: Die liebenswerten Menschen, die eleganten Herrenhäuser, die gemütlichen Tavernen, die zahlreichen Buchten mit glasklarem Wasser sowie die Kirchen und Klöster machen dem Besucher den Abschied schwer.
Die Schöne der Dodekannes (Teil 2)
Vom Kloster Panormitis soll es einen Wanderweg bis nach Symi-Stadt geben, der bis auf eine Höhe von 500 Metern durch Nadelwälder vorbei an weiteren kleinen Klöstern und Kapellen führt. Dafür muss man sich allerdings vier bis fünf Stunden Zeit nehmen, die wir leider nicht haben. Bei unserem nur dreitägigen Aufenthalt müssen wir uns mit dem kleinen, gemieteten Motorroller begnügen, um die Insel zu erkunden. Zurück durch grüne Kiefern- und Tannenwälder führt uns der Weg zur malerischen Bucht Pedi, wo wir uns erst einmal mit einem Bad erfrischen. Wo, bitteschön, findet man solche verspielten kleinen Buchten? Und direkt am Strand gibt es eine kleine Taverne. Um einzutreten, muss man erst ein Gartentörchen öffnen, damit die frei herumlaufenden Ziegen, die auch gerne einmal ihre Nase in eine offene Badetasche stecken, nicht entwischen. Bei fangfrischen Calamares und farbenfrohem Salat blicken wir auf das spiegelglatte und kristallklare Meer. Ein paradiesischer Ort.
Ein paradiesischer Ort zum Speisen am Meer
55 Jahre in einem kleinen Lebensmittelladen
Nach der kulinarischen Pause suchen wir den Weg zur alten Kastellanlage, dem Pontikokastro, dessen Überreste man nicht so einfach entdecken kann. Das erfahren wir von Lambros, den wir nach dem Weg fragen. „Meine Frau hat mich gerade zur Megali Pangia tou Kastrou, der großen Kirche der Muttergottes am Kastell, geschickt. Und das heute, am Donnerstag“, meint er kopfschüttelnd. Uns konnte aber gar nichts Besseres passieren, denn Lambros bietet sich mit einer Kerze in der Hand als Reiseleiter an und fordert uns auf, ihm zu folgen. Mit seinen 78 Jahren erklimmt er recht fidel die zahlreichen Stufen empor zur größten Kirche. Als wir oben ankommen, zeigt Lambros auf ein paar Windmühlen und sagt, dass die Überreste des alten Kastells dahinter liegen. Die Ruine sei mittlerweile bedeutungslos, viel wichtiger hingegen die Geschichte dieses Ortes: „Ende 1943 hat die deutsche Wehrmacht auch Symi besetzt. Am 25. September 1944 zog sich die Kommandantur nach Rhodos zurück und sprengte vor dem endgültigen Abzug die hier deponierten Munitionslager“, erzählt Lambros. Nur wenige Stunden vor der Explosion habe jemand davon Wind bekommen und die Anwohner gewarnt, sodass sie sich rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. Durch die Detonation sei der ganze Stadtteil rund um die ehemalige Kirche Megali Panagia restlos zerstört worden, „allerdings ohne einen einzigen Toten“, fügt Lambros hinzu. Noch heute zeugen einige Häuserskelette zwischen neueren Bauten von den damaligen Ereignissen.Unser Reiseführer hatte als junger Mann geholfen, diesen Stadtteil wieder aufzubauen. Doch viele Anwohner haben die Insel nach dem Krieg verlassen, die meisten von ihnen in Richtung Australien. Für Lambros war das unvorstellbar. Als einer der ersten hat er hier oben einen kleinen Lebensmittelladen eröffnet, den er dann 55 Jahre führte. Drei Kinder hat er damit aufziehen können, zwei Söhne, heute Kapitäne auf See, und eine Tochter, die hier auf Symi lebt. Es war wohl die Panagia, die seiner Frau den Auftrag erteilt hatte, Lambros schon am Donnerstag zur Kirche zu schicken, um die Freitagskerze anzuzünden … Wie sonst hätten wir ihn kennengelernt?
Blick auf die Hafenbucht Pedi
Der Schatz einer klösterlichen Festungsanlage
Am nächsten Tag steht vorerst ein Spaziergang zur Bucht des Hafens Emporios nordwestlich von Symi-Stadt auf dem Programm. Der Weg dorthin führt am Uhrturm vorbei, entlang herrlicher alter Häuser, die mit ihren reich verzierten Holzdecken die besten Hotels der Insel beherbergen, vorbei an Tavernen und gemütlichen Bars. Bis wir an unserem Ziel ankommen, verlocken immer wieder kleinere Buchten zu einem „Fehltritt“, doch wir steuern unbeirrt auf Emporios zu. In den späten Nachmittagsstunden schwingen wir uns dann wieder auf unseren Roller – nicht ahnend, welches Wunder uns bevorsteht – und fahren zu dem meiner Meinung nach schönsten Kloster der Insel, Michail Roukouniotis südwestlich der Stadt. Vor dem Eingang dieser beeindruckenden „Festungsanlage“ erwartet uns eine majestätische Zypresse und spendet mit ihrem weit ausladenden Ästen kühlenden Schatten. Kein Mensch hat sich hierher verirrt, nur ein paar Ziegen und Schafe beobachten uns von der anderen Straßenseite. Wie gewohnt schieben wir den Riegel eines kleinen Tores zurück und betreten den großen Vorhof.
Eine Kirche auf einer Kirche erbaut
Die Stille ist so wohltuend, dass wir kurz zögern, an der kleinen Glocke zu läuten. Nach wenigen Augenblicken erscheint ein etwas schüchtern wirkender junger Mann, der uns dennoch sichtlich erfreut Eingang gewährt. Der schöne Kieselmosaikboden leuchtet im schon milden Sonnenlicht und der „Hausherr“ führt uns zur „oberen“ Kirche, die auf den Fundamenten einer kleineren und älteren erbaut wurde. Wir können uns nicht satt sehen an dem sandfarbenen Marmor, Fußboden aus kleinstem Kieselmosaik und den farbreichen Darstellungen christlichen und orthodoxen Glaubens. Beim Hinausgehen schenkt uns unser Begleiter ein kleines Abbild des Heiligen Erzengels Michael, dem dieses Kloster, ja, die gesamte Insel zum Schutze anempfohlen ist. Gleichzeitig lächelt er und sagt: „Jetzt darf ich Sie zu unserem Schatz führen.“ Wir werden immer neugieriger, als wir, vorbei an einigen Mönchszellen, einige Stufen hinabsteigen, bis wir zu einer alten, mit Schnitzereien verzierten Tür kommen. Dahinter verbirgt sich ein Heiligtum, das sich auf den Fundamenten eines Tempels aus der Antike erhebt. Während der Türkenbesatzung sei es in Brand gesteckt worden, doch versteckte Mönche hätten die vollständige Zerstörung verhindern können. Die erhaltenen Wandmalereien aus dem 15. und 16. Jahrhundert sowie die rußgeschwärzten Wände wurden jüngst aufwändig restauriert. Noch ganz versunken in die Betrachtung erstrahlt plötzlich das Innere wie von einem überirdischen Licht erleuchtet … Da bemerken wir, dass unser Begleiter eine der alten Eingangstüre vorgelagerten Außentüre der Klosteranlage geöffnet hatte und so das warme Abendlicht hereinströmen konnte. Nun ungern folgen wir ihm nach draußen und ebenso ungern müssen wir am Tag darauf das hübsche Symi verlassen.
Die obere Kirche im Roukouniotis-Kloster
Text von Lydia Klütsch