Im Herbst oder Frühjahr ist Kythera bzw. Kythira eine von der Welt vergessene Insel. Doch im Sommer ist sie fest in australischer Hand. Kein Wunder, zirka 60.000 Australier stammen von hier. Erinnerungen an den letzten Sommer.
Es herrscht ein großes Menschengedränge am kleinen Hafen von Diakofti. Autos parken in mehreren Reihen. Ihre Fahrer warten darauf, auf die letzte Fähre der Sommersaison gelassen zu werden. Die Kabinen für die siebenstündige Überfahrt nach Piräus sind schon lange ausgebucht. Für einige Anwesende ist Piräus nur eine erste Etappe auf ihrer tagelangen Rückreise nach Down Under. „Australien ist meine Heimat. Es ist ein wundervolles Land“, betont Manolis Panaretos. Der sportliche 42-Jährige hat es zum Glück nicht mehr ganz so weit. „Mittlerweile wohne ich mit meiner Familie in Doha, der boomenden Hauptstadt Katars.“ Manolis arbeitet dort als Kameramann für den arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira. Sein Großvater gehörte in den 50er Jahren zu den ersten Inselbewohnern, die den Entschluss zur Auswanderung nach Australien fassten. Wer die karge Schönheit der Insel sieht, ahnt auch warum. Die Landwirtschaft ist auf den steinigen und häufig steil abfallenden Feldern äußerst mühsam und wenig ertragreich. Kleine Steinmauern umgrenzen zumeist die einzelnen Parzellen. Zudem verhindert die optisch sehr beeindruckende Steilküste den Ausbau von Fischereihäfen. Das Angebot der australischen Regierung, Arbeitern und Landwirten eine berufliche Perspektive zu bieten, kam daher zahlreiche Kythirioten wie gerufen. „Man darf nicht vergessen“, betont Manolis „dass Weltkrieg und Bürgerkrieg den Menschen damals noch in den Knochen steckte und Griechenland ökonomisch am Boden lag.“ Und so wuchs Manolis in der Kleinstadt Dubbo, im australischen Bundesstaat New South Wales, auf. Dort entstand ein zweites Kythera, zirka 400 Kilometer vor Sydney. „Zuhause sprachen wir selbstverständlich Griechisch. Meine Mutter kochte griechische Gerichte, und wir gingen jeden Sonntag in die griechisch-orthodoxe Kirche“, erinnert sich Manolis.