Login RSS

Eine Reise durch Epirus: ein noch zu entdeckendes Juwel (Teil 5: Leuchtendes Epirus)

  • geschrieben von 
Eine Reise durch Epirus: ein noch zu entdeckendes Juwel (Teil 5: Leuchtendes Epirus)

Als Geheimtipp unter Griechenland-Reisenden gilt Epirus im äußersten Nordwesten Griechenlands. Die Region weist eine reichhaltige Geschichte auf und ist mit einer abwechslungsreichen Natur beschenkt, mit vielen Wäldern und Flüssen.

Von Ioannina aus fahren wir auf der gut ausgebauten Nationalstraße nach Norden, entlang der hoch aufragenden Gebirgswelt des Pindos, in die wir später am Tag noch eintauchen werden. Da erneut die Sonne scheint und es hier keinerlei Luftverschmutzung gibt, leuchten die ausgedehnten Wälder in der nach Kalpaki immer siedlungsärmer werdenden Gegend umso kräftiger, ein spätherbstliches, kaleidoskopisches Farbenspiel. 

In Molivdoskepasto, nur 400 Meter von der albanischen Grenze entfernt, sind wir mit Jorgos Tassos verabredet, einem Visionär, der mit unermüdlichem Einsatz und konkreten Ideen versucht, hier, im abgeschiedenen Nordwesten Griechenlands, eine ökotouristische Infrastruktur aufzubauen. Zunächst jedoch erläutert uns Jorgos die Geschichte des byzantinischen Klosters Molivdoskepasti mit seinen aus dem 16. Jahrhundert stammenden Wandmalereien. Als wir aus dem dunklen Innenraum der Klosterkirche ins helle Sonnenlicht treten, sitzen auf den Stufen mehrere ärmlich aussehende alte Frauen. Jorgos grüßt sie und erklärt uns, dass sich die sieben Mönche des Klosters auch um griechische Familien kümmern, die jenseits der nahen Grenze in Albanien in großer Armut lebten.

300 Jahre alte Öko-Reinigung

Nach einer kurzen Fahrt entlang der baumbestandenen Ufer eines kleinen Flusses halten wir vor zwei Gebäuden, die uns Jorgos als Wassermühle vorstellt. Nachdem uns die Müllersfamilie begrüßt hat, werden wir in eines der Häuser geführt, in dem wir dann auch die uns bekannte Maschinerie einer Getreide verarbeitenden Mühle erkennen. Vor dem Haus aber stehen wir ratlos vor zwei sich nach unten verjüngenden großen Holzbottichen, von denen einer gerade mit Wasser aus dem nahen Fluss gefüllt wird. Dann wirft die Müllerin einen Flokatiteppich in das immer schneller rotierende Wasser, um bald darauf den nassschweren Teppich mit einer Holzstange wieder herauszuwuchten. Es handelt sich um eine Anlage zur Teppichreinigung, die aus dem 18. Jahrhundert stammt und vor einigen Jahren restauriert wurde. Mit großem Erfolg, wie Jorgos erzählt, denn viele Griechen kämen sogar von weit her, um hier ihre Flokati säubern zu lassen, die als schwierig zu waschen gelten. Die Reinigung erfolge allein durch den enormen Wasserdruck, der durch die aufgrund der konischen Bottichform erzielten Drehgeschwindigkeit des Wassers entstehe; es würden keine Reinigungsmittel verwendet – ein Beispiel für eine alte „Technologie“ also, die heutigen Nachhaltigkeitsansprüchen entspricht.

IMG 8348 Large small

 

Tsipouro aus einer lokalen Destillerie

Diese „multifunktionale Wassermühle“ wird indes nicht die einzige Überraschung am heutigen Tag bleiben: Im nahen Bourazani, unserer nächsten Station, hat Jorgos mit seinen Helfern einen weitläufigen Wildpark mit Hirschen, Wildschweinen und anderen Tieren und in dessen Mitte das „Bourazani Museum of Natural History“ errichtet, in dessen Räumlichkeiten man sich über die Flora und Fauna der Region informieren kann. Ein Angebot, das Schulen genauso nutzen wie Touristen, die in diese fluss- und waldreiche Gegend v. a. zum Angeln, Wandern und Radfahren, aber auch zum Rafting, Kanu- und Kajakfahren sowie Gleitschirmfliegen kommen. Bislang ist dieser nördlichste Landstrich von Epirus eher ein Insidertipp, wenngleich die Zahl der Touristen und auch der Unterkünfte, in denen man sich zumeist mit hausgemachten regionalen Spezialitäten (z. B. Wildgerichte) und einem Tsipouro, der in einer der vielen kleinen lokalen Destillerien gebrannt wird, verwöhnen lassen kann, langsam steigt.
Jorgos lädt uns zu einem Kaffee in sein traditionell eingerichtetes Bourazani-Hotel ein und erläutert uns die „Megali Idea“, die „Große Idee“ – aber heutigen Zuschnitts: Seit Jahren schon arbeiten die hiesige Regionalverwaltung und die zuständigen Stellen der griechischen Regierung eng mit ihren Kollegen in Albanien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien und Italien zusammen, um zum einen die Kooperation der Nationalparks dieser Länder zu intensivieren, z. B. bei der Informationspolitik, und zum anderen, um eine Autobahn entlang der Adriaküste von Triest bis eben nach Epirus zu bauen. Der Bau der Trasse hat bereits begonnen und soll in sieben Jahren fertig gestellt sein, ein Projekt, das, so hofft Jorgos, Touristen die Anreise gerade auch hierher, in den Nordwesten Griechenlands, erleichtern wird.

IMG 8419 Large small


Wir verabschieden uns von Jorgos und hoffen mit ihm, dass die z. T. bereits in die Tat umgesetzten Ideen eines breiten Ökotourismus in dieser Region in Zukunft noch mehr angenommen werden.

Thomas Plaul

Fotos: © Thomas Plaul

Nach oben

 Warenkorb