Zwei Ex-Finanzminister wollen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuspielen TT
Eine Rede des Generalsekretärs für Steuerpolitik am Donnerstag hat zu einem Streit zwischen zwei früheren Finanzministern geführt. Stournaras warf Varoufakis vor, dass er seine Verhandlungspolitik dem griechischen Fiskus 86 Mrd. Euro gekostet habe. Varoufakis konterte, dass Stournaras für einen Bank-Run die Verantwortung trage.
Der Umgang der Politiker mit der seit sechs Jahren anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise sorgt in Athen für blanke Nerven. Am Donnerstag bezeichnete der Generalsekretär für Steuerpolitik Nikos Theocharakis das Verhalten der Vorgängerregierung unter Ministerpräsident Antonis Samaras (ND) als beinahe das Verhalten "einer Kolonie“. Anlass war eine Rede vor dem „Hellenic Observatory“ des London School of Economics, bei der auch der frühere Finanzminister Jannis Stournaras zugegen war. Er hatte das Amt des Obersten Kassenwarts unter dem konservativen Ministerpräsident Antonis Samaras (ND) ab Juni 2012 für zwei Jahre inne. Anschließend wurde er Präsident der Bank von Griechenland.
Varoufakis kommentiert Abhöraffäre des IWF und appelliert an Tsipras
Einen offenen Brief, der am Montag in der politisch linksorientierten Zeitung „Efimerida ton Syntakton“ (Zeitung der Redakteure) veröffentlicht wurde, sandte der frühere griechische Finanzminister Janis Varoufakis an Ministerpräsident Alexis Tsipras. Hintergrund ist die Veröffentlichung der Mitschrift einer Telekonferenz auf der WebSite WikiLeaks. Stattgefunden hatte dieses interne Strategie-Gespräch Mitte März zwischen den Vertretern des Internationalen Währungsfonds (IWF) Poul Thomsen (IWF-Direktor für Europa) und Delia Velculescu (Chefin der IWF-Mission für Griechenland).
Nach Ansicht von Varoufakis habe Tsipras mit dieser Veröffentlichung „ein Geschenk“ erhalten, das von allein einen neuen „Kredit-Unfall“ ausschließe. In dem mit den Worten „Lieber Alexis“ beginnenden Brief wird allerdings auch die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass diese Enthüllungen verpuffen bzw. nicht genutzt werden könnten. Varoufakis sprach in diesem Zusammenhang von einem „großen Kapital“. WikiLeaks habe jedem aufrechten Europäer bewiesen, dass die Verschleppung der Bewertung (der griechischen Reformfortschritte) – die die griechische Bevölkerung „in dieser Dauerkrise“ in Schach halte – einer unfähigen Troika geschuldet sei, die nicht mit sich selbst ins Reine kommen könne. Auf keinen Fall solle man aber den veröffentlichten Dialog dazu nutzen, um Thomsen und den IWF zu dämonisieren, während man die europäische Seite als „die gute“ bezeichne. In Wahrheit gebe es keinen sanfteren Teil der Troika. Das zu glauben, so appelliert der Ex-Finanzminister an Tsipras, „wäre der größte Fehler, den du in diesem Moment begehen könntest“. Natürlich bestehe kein Zweifel daran, dass der IWF unempfindlich für Schmerzen und unsensibel sei. Über Jahrzehnte „besucht“ diese Institution Länder, die mit einer Krise konfrontiert sind, stellt Varoufakis fest. Dabei habe sie kleine und mittelständische Unternehmen liquidiert, Gehälter beschnitten und Freiberufler proletarisiert. Das sei die Funktion des IWF „und deshalb wollte Frau Merkel diese in Griechenland“.
Gleichzeitig aber verstehe der IWF, dass ein Rückgang der Wirtschaft in der Krise eine Reduzierung der Schulden verlange (denn wenn die Einkommen einbrechen, können die verzinsten Schulden nicht zurückgezahlt werden). Weiterhin stellt der ehemalige Finanzminister fest, dass dies bei Ländern, die eine eigene Währung haben, normalerweise über eine Währungsabwertung geregelt werden könne. „In unserem Falle aber ist ein Schuldenschnitt notwendig.“ Dies sei in den Statuten des IWF klar festgelegt. (Griechenland Zeitung / jh, Archiv-Foto: © Eurokinissi)
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der kommenden Ausgabe der Griechenland Zeitung.
Griechen blicken pessimistisch ins Jahr 2016 TT
Die Mehrheit der Griechen blickt pessimistisch ins neue Jahr. Das ergibt eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts „Kapa Research“ für die Samstagsausgabe der Zeitung „To Vima“. Im Jahr 2015 hat sich der Befragung zufolge im Vergleich zu 2014 die Lebenssituation für sieben von zehn Griechen (71,5 %) weiter verschlechtert. Mehr als die Hälfte (55,1 %)
glaubt, dass sich im laufenden Jahr die Lage noch weiter verschlechtern wird. 61,1 % halten erneute Debatten über einen „Grexit“ – also einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone – für möglich. Etwa jeder Zweite vertritt die Auffassung, dass es vielleicht sogar erneut zu einem vorverlegten Urnengang kommen könnte.
TV-Tipp: Schäuble - Macht und Ohnmacht
Monate voller Dramatik: Wolfgang Schäuble rast durch Europa und verhandelt wegen Griechenland. Kann er die Regierung in Athen zu Reformen zwingen? Nimmt er einen Grexit in Kauf oder treibt er ihn womöglich sogar an? Auf Schäubles zahllosen Reisen dabei: seine engsten Mitarbeiter und Bodyguards - und der Dokumentarfilmer Stephan Lamby mit seinem Kameramann im Auftrag des SWR. Verabredet war das Projekt bereits vor der jüngsten Griechenlandkrise. Der Film gibt einzigartige Einblicke in Schäubles Verhandlungsführung und zeigt die Härte eines Politikerlebens mitten im Geschehen.
Tv-Tipp: Varoufakis – Das Interview
Nach dem intensiven Portrait von Wolfgang Schäuble, zeigt der Sender Phoenix nun eine Dokumentation über den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Das Interview wurde in der Wohnung des Ex-Ministers in Athen gedreht und zeigt Varoufakis von einer anderen Seite. Er spricht über die Anfangszeit in seinem Amt und die Verhandlungen mit der Europäischen Union. Stephan Lamby, ein preisgekrönter Dokumentarfilmer traf Varoufakis durch Zufall vor einem Hotel, aus dieser Zufallsbegegnung entstand ein beeindruckendes Interview.
(Erstausstrahlung: 17. September – 21.30 Uhr PHOENIX)
(Quelle: http://programm.ard.de)
(Foto: http://programm.ard.de)