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Zwei Ex-Finanzminister wollen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuspielen Tagesthema

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Zwei Ex-Finanzminister wollen sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuspielen

Eine Rede des Generalsekretärs für Steuerpolitik am Donnerstag hat zu einem Streit zwischen zwei früheren Finanzministern geführt. Stournaras warf Varoufakis vor, dass er seine Verhandlungspolitik dem griechischen Fiskus 86 Mrd. Euro gekostet habe. Varoufakis konterte, dass Stournaras für einen Bank-Run die Verantwortung trage.

Der Umgang der Politiker mit der seit sechs Jahren anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise sorgt in Athen für blanke Nerven. Am Donnerstag bezeichnete der Generalsekretär für Steuerpolitik Nikos Theocharakis das Verhalten der Vorgängerregierung unter Ministerpräsident Antonis Samaras (ND) als beinahe das Verhalten "einer Kolonie“. Anlass war eine Rede vor dem „Hellenic Observatory“ des London School of Economics, bei der auch der frühere Finanzminister Jannis Stournaras zugegen war. Er hatte das Amt des Obersten Kassenwarts unter dem konservativen Ministerpräsident Antonis Samaras (ND) ab Juni 2012 für zwei Jahre inne. Anschließend wurde er Präsident der Bank von Griechenland.

Präsident der Zentralbank geht in den Angriff
Er ging nach den Ausführungen von Theocharakis an Podium und nahm die Regierung unter dem linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras aufs Korn. Er warf dieser vor, „parteipolitisch und nicht politisch“ zu handeln. Die Geldgebertroika (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) sei lediglich in „Institutionen“ umbenannt worden und nicht etwa abgeschafft, wie es Tsipras vor seinem Wahlsieg am 25. Januar 2015 immer wieder angekündigt hatte.
Stattdessen würden die Verhandlungen mit der „Troika“ munter weiter geführt und zwar in einem Athener Nobelhotel und nicht etwa in den zuständigen Ministerien in Athen.
Vor allem kritisierte Stournaras die Ergebnisse der Verhandlungstechnik seines Nachfolgers im Finanzministerium, Varoufakis. Diese hätten zu einem dritten Memorandum (Spar- und Reformpaket) und zur Kapitalverkehrskontrolle (Capital Controls) geführt. Stournaras sprach von einem regelrechten Bank-Run. Dadurch seien 45 Milliarden Euro von griechischen Konten ins Ausland geschafft worden. Letztendlich rechnete er zusammen, dass die „Verhandlungen von Varoufakis mit den Geldgebern dem griechischen Fiskus „86 Milliarden Euro“ gekosten hätten.   

Konter von Varoufakis und Theocharakis
Auf die Vorwürfe von Stournaras konterten Varoufakis und Theocharakis in einem gemeinsamen Brief. In diesem schätzten sie ein, dass Stournaras am Bank-Run die eigentliche Verantwortung trage. Sie bezogen sich auf ein Statement des Präsidenten der Bank von Griechenland vom 3. Dezember 2014. Übernommen hatte jeder dieses Amt am 10. Juni 2014.
Er hatte damals die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass es zu einem „Liquiditätsproblem“ auf den griechischen Märkten kommen könnte. Wegen dieser Äußerung, so Varoufakis und Theocharakis, sei es dann tatsächlich zum Bank Run gekommen.

Varoufakis: Experte für Spieltheorie
Was Varoufakis betrifft, so hatte dieser den Posten des Finanzministers von Ende Januar bis Juli 2015 inne. Als Experte für Spieltheorie – die er augenscheinlich auf dem Posten des Finanzministers in der Praxis anwenden wollte – ist seine Finanzpolitik vielerorts, vor allem aber bei seinen europäischen Amtskollegen, auf scharfe Kritik gestoßen. Kurz zusammengefasst ist diese Theorie mit einer Art „Hasardspiel“ zu vergleichen: Derjenige, der „zuerst einknickt“, zieht den Kürzeren.

Elisa Hübel


Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Jannis Stournaras (l.) und Janis Varoufakis. Diese Aufnahme entstand am 23. März 2015; Varoufakis hatte damals den Posten des Finanzministers inne. Anlass für diese Fotografie war die Vereidigung des Staatspräsidenten Prokopis Pavlopoulos.

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