Laut Umfragen ist die Regierungspartei ND weit abgeschlagen
„Ergreift ihn! Der zum Tode Verurteilte versucht, frühzeitig hingerichtet zu werden!“ Mit dem Delinquenten der Karikatur einer griechischen Tageszeitung war der amtierende griechische Premierminister Kostas Karamanlis gemeint. Er hatte Anfang September, genau zur Mitte der vierjährigen Legislaturperiode, überraschend vorgezogene Parlamentswahlen für den 4. Oktober ausgerufen, obwohl er über eine absolute Mehrheit von 151 (von 300) Sitzen verfügt. Schon damals zeigten jedoch Umfragewerte, dass die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) in der Wählergunst weit abgeschlagen war. Karamanlis begründete seinen Schritt damit, dass er einen „frischen Wählerauftrag“ brauche, um das Land aus der Krise zu führen. Nach zwei „harten Jahren“ sei dies zu schaffen. Nötig wäre jedoch ein strikter Sparkurs: drastische Kürzungen bei den Staatsausgaben, Bekämpfung der Steuerhinterziehung, der Korruption und der Verschwendung. Mit diesen Schlagwörtern hatte Karamanlis aber schon 2004 und 2007 argumentiert, als ihm die Wähler das Vertrauen schenkten. Umgesetzt wurde von den Ankündigungen wenig. Internationale Organisationen bescheinigen Griechenland in fast allen maroden Bereichen eher eine weitere Verschlechterung.
Kritik an der Auswahl der Mitarbeiter
Es war nicht nur die Zaghaftigkeit von Karamanlis bei der
Umsetzung von notwendigen Reformen, sondern auch die unglückliche
Hand bei der Auswahl von Mitarbeitern, die einen drastischen
Popularitätsverlust der ND-Regierung zur Folge hatten. Mehrere
Minister mussten wegen Fehltritten den Hut nehmen:
Der eine, weil er eine Villa in einem Waldgrundstück in der Nähe
Athens gebaut hatte, obwohl nur die Genehmigung für die Errichtung
eines Kiosks vorlag, und dort obendrein (als Minister für Arbeit
und Sozialversicherung) Ausländer illegal beschäftigte, ohne
Versicherungsbeiträge abzuführen. Der andere, weil er in einen
Grundstücksskandal um Klosterimmobilien involviert war, ein
weiterer, weil er dubiose Transaktionen mit Off-shore-Firmen
getätigt hatte …
PASOK-Chef Papandreou tritt als „Saubermann“ an
Dem Herausforderer Jorgos Papandreou erleichterte diese Konstellation, als „Saubermann“ aufzutreten. Und was die Wirtschaft betrifft, propagiert der PASOK-Vorsitzende ein Rezept, das in den Ohren der Bürger angenehmer klingt als der Sparkurs vom Karamanlis, der etwa Gehaltseinfrierung für Beamte angekündigt hatte. Nach Ansicht Papandreous sollen staatliche Ausgaben die Nachfrage beleben, damit die Wirtschaft wieder anspringt. Seine Partei versucht außerdem, mit einem ökologisch angehauchten Wahlkampf zu punkten. So verzichteten die Sozialisten praktisch völlig auf Plakatwerbung. In dieser Woche kündigte der PASOK-Spitzenkandidat bereits an, ein eigenständiges Ministerium für Umwelt, Energie und Klimawandel einzurichten.
In der Hoffnung auf Revanche …
Papandreou unterlag Karamanlis bisher dreimal. Erstmals die Nase
vorn hatte er mit seiner PASOK bei den Europawahlen im vergangenen
Juni. Es scheint, dass ihm diesmal die endgültige Revanche gelingen
kann. Ob es für eine absolute Mehrheit – für die etwa 43 Prozent
der Stimmen nötig sind – reicht, steht aber noch in den Sternen.
Das Aufeinandertreffen zwischen den beiden Kontrahenten stellt
unabhängig vom Wahlausgang in jedem Fall ein historisches Unikum
dar, denn Tausende Griechen haben es schon vor einem halben
Jahrhundert erlebt: In den 1960er Jahren standen sich bereits ein
Jorgos Papandreou und ein Kostas (bzw. Konstantinos) Karamanlis
gegenüber: Es waren der Großvater bzw. der Onkel der jetzigen
Spitzenkandidaten. (Griechenland Zeitung / rs / Foto: Eurokinissi,
Archiv: die Aufnahme entstand kurz vor der Fernsehdebatte, an der
sich die Führer der größten Parteien Griechenlands
beteiligten)