Seit Wochen schwelende Machtkämpfe beim Linksbündnis SYRIZA – Griechenlands größter Oppositionspartei – gewinnen zusehends an Dynamik. Der Sessel von Parteichef Kasselakis wackelt. Das Paradoxe daran: Sowohl er als auch seine politischen Gegner werfen sich gegenseitig vor, zu Gunsten der konservativen Regierung zu agieren.
Der offiziell größten Oppositionspartei des Landes, dem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), droht eine weitere Zersplitterung. Am Wochenende soll das Zentralkomitee tagen. Auf der Tagesordnung steht u. a. eine Änderung des Parteistatuts: Auf Vorschlag von Parteichef Stefanos Kasselakis soll auch der Parteiname geändert werden. Abgestimmt werden könnte darüber während eines Kongresses im Oktober.
Krieg an mehreren Fronten
Derzeit wird auch ein Misstrauensantrag gegen Oppositionschef Stefanos Kasselakis nicht ausgeschlossen; dafür wären 151 der Stimmen des Zentralkomitees nötig; um Zeit zu gewinnen könnte diese kritische Sitzung allerdings verschoben werden.
Der Chef der Linken hat in letzter Zeit mehrere Fronten mit hochrangigen Funktionären gegen sich. So etwa hat er die beiden Parlamentarier Pavlos Polakis und Athina Linou aus der Fraktion ausgeschlossen; zwar wurde Polakis inzwischen wieder in dieses Gremium aufgenommen – doch seither hat er Kasselakis den Krieg erklärt. Eventuell könnte Polakis bereits am Wochenende den Partei-Vorsitz anstreben. Linou bleibt ihrerseits unabhängige Parlamentarierin; sie stellte klar, dass sie ihren Sitz nicht an andere abtreten werde. Der gegen sie erhobene Vorwurf, dass sie an undurchsichtigen finanziellen Aktivitäten beteiligt sei, ist ihrer Meinung nach völlig unbegründet. Inzwischen hat SYRIZA nur mehr 35 Abgeordnete in der Volksvertretung – nach den Wahlen im Sommer 2023 waren es immerhin 47.
Innerparteiliche Machtspiele
Eine weitere Front hat Kasselakis zur innerparteilichen Fraktion der „87“, die dem ehemaligen SYRIZA- und Regierungschef Alexis Tsipras (2015-2019) nahe steht. Als ein Pyrrhussieg für Kasselakis wurde die jüngste Auswechslung des bisherigen Fraktionsvorsitzenden Sokratis Famellos durch Nikos Pappas bewertet; dieser unerwartete Schachzug war vom Parteichef ausgegangen – offenbar um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Kasselakis war im vergangenen Herbst nach der Wahlniederlage von SYRIZA und dem Rücktritt von Tsipras unerwartet von der Parteibasis zum Vorsitzenden gewählt worden. Bis dahin war der in den USA reichgewordene Auslandsgrieche in der Politik ein unbeschriebenes Blatt.
Obwohl der neue Chef immer wieder die Einheit der Partei beschwört: Viele Genossen sehen das anders. Ex-Fraktionschef Famellos etwa glaubt, dass dessen Entscheidungen zu Lasten der Partei und der griechischen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gerichtet seien. Die Bevölkerung habe inzwischen den Eindruck gewonnen, dass „Machtspiele gespielt werden“.
Aus Kreisen des Parteichefs hingegen wird betont, dass es dessen fester Vorsatz sei, SYRIZA zu einen. Außerdem sprach er von einer Propaganda der Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) gegen ihn. Innerparteiliche Gegner von Kasselakis vertreten wiederum die Ansicht, dass gerade der Vorsitzende zugunsten der ND agiere.
Der gesamte Hickhack bleibt nicht ohne Folgen. Aktuelle Umfragen haben ergeben, dass SYRIZA in den vergangenen Monaten stark an Wählergunst eingebüßt hat; das Linksbündnis wurde demnach von der PASOK vom zweiten auf den dritten Platz verdrängt.
Änderung des Parteinamens
Im Versuch, die Verluste in der Wählergunst abzuschwächen, will Kasselakis nun das Wort „Radikal“ aus dem Parteinamen „Bündnis der Radikalen Linken“ (SYRIZA) streichen. Ersetzt werden soll dieses offenbar durch das Prädikat „zeitgenössische“. Damit soll wohl auch eine Kursänderung in Richtung der politischen Mitte signalisiert werden. Vor allem alteingesessene Parteimitglieder stellen sich frontal gegen dieses Vorhaben. Bereits gegen Ende 2023 war die Partei „Neue Linke“ aus abtrünnigen SYRIZA-Mitgliedern gegründet worden. Mit elf Volksvertretern konnten sie sofort eine eigene Parlamentsfraktion stellen. – Allerdings stößt der Vorschlag von Kasselakis nicht nur auf Kritik. Der ehemalige Minister für Infrastruktur und Transport (2016-2019) Christos Spirtzis schätzte ein, dass auch das Wort „Linke“ aus dem Parteinamen gestrichen werden sollte. Spirtzis ist ebenfalls mit einem möglichen Rauswurf konfrontiert: 70 SYRIZA-Mitglieder haben ihm „parteifeindliches Verhalten“ vorgeworfen. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)