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Flüchtlingssituation: „Griechenland ist an seine Grenzen gestoßen“ Tagesthema

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Unser Archivfoto (© Eurokinissi) zeigt das Auffanglager Moria auf der Insel Lesbos. Hier sind derzeit etwa 14.000 Personen untergebracht; die eigentliche Kapazität des Lagers ist für lediglich 5.000 Menschen. Unser Archivfoto (© Eurokinissi) zeigt das Auffanglager Moria auf der Insel Lesbos. Hier sind derzeit etwa 14.000 Personen untergebracht; die eigentliche Kapazität des Lagers ist für lediglich 5.000 Menschen.

Am Mittwoch (20.11.) haben der Staatssekretär für Migration, Stefanis, und Regierungssprecher Petsas einen Plan angekündigt, um die Flüchtlingssituation zu bewältigen. Ministerpräsident Mitsotakis sucht Unterstützung bei den EU-Partnern. Die Opposition sieht einen Verstoß gegen das internationale Recht.

Die erst im Sommer gewählte konservative Regierung in Athen ist mit einem erhöhten Zustrom von Flüchtlingen konfrontiert, die vor allem von der türkischen Küste aus auf die Inseln der Ostägäis gelangen. Der Staatssekretär für Migration im Verteidigungsministerium Alkiviadis Stefanis stellte am Mittwoch während einer Pressekonferenz zu den Regierungsplänen fest, dass derzeit rund 67.000 Asylanträge offen seien; 15.000 würden in zweiter Instanz bearbeitet.

Abschreckungsversuche
Weiterhin betonte Stefanis, dass Athen vorhabe, gewisse abschreckende Maßnahmen für künftige Asylsuchende zu schaffen. So solle die Grenze zur Türkei stärker bewacht werden; dies gelte sowohl für den Festlandsockel am nordgriechischen Fluss Evros (türkisch: Meric), als auch für die Ägäis. Der Staatssekretär kündigte die Einstellung von 400 neuen Grenzwächtern für den Evros und weiteren 800 für die Ägäis an. Ab dem ersten Januar 2020 soll auch ein bereits verabschiedetes Gesetz angewandt werden, wodurch die Asylverfahren vereinfacht würden, so Stefanis. Für die Realisierung sollen weitere 500 Stellen geschaffen werden. Letztliches Ziel sei es, jene Menschen, denen in erster Instanz kein Recht auf Asyl zugesprochen wurde, zurück in ihre Heimat zu schicken. Außerdem kündigte Stefanis die Gründung von „geschlossenen Lagern“ auf fünf Ägäis-Inseln an. Es handelt sich um die Inseln Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros, wo jeweils 1.000 bis 5.000 Menschen beherbergt werden sollen; zudem sollen zusätzliche Kapazitäten für Notfälle vorgesehen werden: in Einzelfällen bis zu 7.000 Menschen.

Angst vor einem „offenem Gefängnis“
Der Bürgermeister von Samos Jorgos Stantzos kündigte daraufhin seinen Rücktritt an, falls die Regierung tatsächlich an diesem Plan festhalten sollte. Er befürchte, dass seine Insel „in ein offenes Gefängnis“ umgewandelt werde. Dem Bürgermeister zufolge habe man bisher lediglich von maximal 1.000 Flüchtlingen für Samos gesprochen. Selbst lokale Oppositionspolitiker stellten sich hinter ihren Chef im Rathaus und drohten mit Rücktritt, falls das in Aussicht gestellte Lager Realität werden sollte.
Staatssekretär Stefanis verwies u. a. darauf, dass auf den Inseln der Ostägäis derzeit etwa 37.000 Asylsuchende untergebracht seien. Viele von ihnen würden in provisorisch aufgestellten Lagern in Zelten oder Hütten wohnen, ohne dass auch nur ein Minimum an hygienischen Voraussetzungen gegeben sei. Am Mittwoch erklärte er, dass das neue Lager auf Samos noch in diesem Winter fertiggestellt werde; die anderen Einrichtungen dieser Art sollen in der ersten Hälfte des kommenden Jahres übergeben werden.

Internationale Lösung gesucht
Während der gleichen Pressekonferenz stellte Regierungssprecher Stelios Petsas fest, dass es das Ziel der Regierung sei, dem Thema der steigenden Flüchtlingszahlen eine internationale Dimension zu geben. Man müsse zu einer gemeinsamen europäischen Herangehensweise finden. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis wolle das seinen europäischen Amtskollegen vermitteln.
Ιm Rahmen eines Kongresses der Europäischen Volkspartei in Zagreb, deren Mitglied die regierende Nea Dimokratia ist, stellte Mitsotakis am Donnerstag warnend fest: „Griechenland ist an seine Grenzen gestoßen.“ Er wiederholte seine Ansicht, dass man sich zu einem gemeinsamen europäischen Asyl-System durchringen müsse.

Verstoß gegen internationales Recht
Heftige Kritik an den jüngsten Entwicklungen übte die Oppositionspartei Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA). Demnach könnten mit den Plänen der Regierung weder die Situation auf den Inseln der Ostägäis noch die Lebensbedingungen der Asylsuchenden verbessert werden. Außerdem verstoße man damit gegen das internationale und das europäische Recht, so SYRIZA. Die Vorsitzende der sozialistischen Bewegung der Veränderung Fofi Gennimata erinnerte daran, dass der Winter vor der Tür stehe und sich damit die Lebensbedingungen für die Asylsuchenden verschlechtern würden. Die Regierung rief sie dazu auf, Lösungen zu finden, um kein Wasser auf die Mühlen des rechtsradikalen Lagers zu gießen. Die EU und jedes ihrer Mitglieder müssten jene Verantwortung übernehmen, die jedem zukomme, so Gennimata. Sie fügte hinzu: „Die Flüchtlingsfrage ist keine griechische, sondern eine europäische Angelegenheit.“ (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)

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