Am Samstag (31.8.) tagte in Griechenland der Regierungsrat für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung. Hauptgesprächsthema war die zunehmende Anzahl von Asylsuchenden, die seit einigen Tagen auf den Inseln der Ägäis ankommen. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die große Zahl der Minderjährigen.
Griechenland ist seit voriger Woche wieder mit einem erhöhten Aufkommen an Asylsuchenden konfrontiert, die von der türkischen Küste aus auf eine der Inseln der Ägäis unterwegs sind. Am Donnerstag (29.8.) etwa waren 547 Personen auf der Insel Lesbos angekommen. Es handelt sich um 177 Männer, 124 Frauen und 246 Minderjährige. Sie waren auf insgesamt 13 Schlauchbooten unterwegs. Es handelt sich um eine der größten Zahlen von Neuankömmlingen seit dem Jahr 2015/2016, als tausende Menschen auf der Flucht über Griechenland weiter in die EU reisen wollten. Allein am Montagmorgen (2.9.) waren weitere 99 Asylsuchende auf Lesbos angekommen.
Tausende Asylsuchende
Dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge beherbergte Griechenland im Juli 84.000 Flüchtlinge und Immigranten. 19.900 wohnten auf einer der Inseln der Ägäis (vor allem Lesbos, Chios, Samos, Kos) und 64.100 auf dem Festland. Allein im vergangenen Juli erreichten knapp 5.000 Asylsuchende eine der Ägäis-Inseln; 850 weitere Personen kamen über die Festlandsgrenze nach Hellas. Der UNHCR spricht von weiteren mehr als 4.000 Neuankömmlingen im Juni. Viele davon seien Minderjährige. UNHCR habe bisher für ein Viertel der unbegleiteten Minderjährigen sorgen können, damit diese in angemessenen bzw. altersgerechten Unterkünften beherbergt würden.
Im Aufnahmezentrum von Moria auf der Insel Lesbos sind derzeit 4.500 Menschen untergebracht; die eigentliche Kapazität liegt bei 3.000 Personen. Weitere 5.700 haben sich auf den umliegenden Feldern ein provisorisches Lager oder Zelt aufgebaut, um dort Unterschlupf zu finden. Die Angestellten dieser Lager alarmierten über die gesundheitlichen Zustände, die hier herrschen. Sie forderten eine Aufstockung des ärztlichen und psychiatrischen Personals sowie Dolmetscher.
Umsiedlung aufs Festland
Unterdessen tagte am Samstag (31.8.) der Regierungsrat für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung (KYSEA), um die entstandene Situation zu evaluieren und vor allem, um Lösungen zu finden. Beschlossen wurde in erster Stelle, dass viele Asylsuchende von den Inseln aus auf das griechische Festland verlegt werden. Bereits am Montagvormittag brachte man 1.500 Flüchtlinge und Immigranten von Lesbos aus nach Thessaloniki. Von hier aus kamen sie in ein Aufnahmezentrum in der Gegend Nea Kavala der Region Kilkis, das etwa 50 Minuten von Thessaloniki liegt.
Der KYSEA beschloss außerdem, dass 116 unbegleitete Minderjährige in andere EU-Länder gebracht werden, damit sie dort mit ihren Familien vereint werden können. Weitere 250 Minderjährige sollen von den Inseln aus in sicheren Unterkünften aufs Festland umgesiedelt werden. Außerdem will die Regierung die Küstenwache verstärken und mit der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex) sowie mit der NATO in dieser Sache enger kooperieren. Auch sollen Wärmebildkameras, Dronen sowie zehn neue flexible kleine Boote eingesetzt werden, um Asylsuchende, aber auch Menschenhändler schneller zu orten.
Reaktionen der Opposition
Die Mitglieder des KYSEA haben weiterhin beschlossen, dass das Asylverfahren vereinfacht werden müsse: Ein Verfahren in zweiter Instanz soll demnach abgeschafft werden. Darauf reagierte die größte Oppositionspartei des Landes, das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), scharf. Sie warf der Regierung „Unwissen“ und „Heuchelei“ vor.
SYRIZA erinnerte daran, dass es sich um ein „europäisches Problem“ handle. Das Linksbündnis warnte die Regierung davor, „politische Spielchen zu Lasten verfolgter Menschen, als auch der griechischen Gesellschaft zu spielen“. Unterdessen warf das Bürgerschutzministerium der Opposition vor, dass Griechenland während der Regierungszeit von SYRIZA (Januar 2015 – Juli 2019) zu einem „Aufnahme- und Registrierungszentrum (Hot Spot) für Immigranten und Menschenhändlerringe“ geworden sei. Die Vorsitzende der sozialistischen Bewegung der Veränderung Fofi Gennimata sprach von einem „sinnlosen Streit“ und plädierte für eine sofortige Lösung.
(Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)