Angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen am 7. Juli hat Ministerpräsident Alexis Tsipras am Dienstag (4.6.) ein Interview gegenüber dem staatlichen Fernsehsender ERT gegeben. Darin stellte er klar, dass er am 10. Juni von Staatspräsident Prokopis Papoulias die Auflösung des Parlaments und die Ankündigung der Durchführung vorverlegter Wahlen fordern werde.
Als Grund nannte er eine erhebliche Niederlage seiner Partei „Bündnis der Radikalen Linken“ (SYRIZA) bei den Europa- sowie den Kommunalwahlen Ende Mai gegenüber der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND).
Er gab bekannt, dass noch während seiner Amtszeit die durchgeführte Reduzierung der Steuerfreibeträge rückgängig gemacht werden soll. Diese Gesetzesnovelle soll am Freitag im Parlament eingebracht werden. Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis von der ND forderte er dazu auf, für dieses Regelung zu stimmen.
Er ging im Interview auch auf die relativ geringe Wahlbeteiligung bei den jüngsten Urnengängen ein. Seiner Ansicht nach seien viele Bürger nicht an den Urnen erschienen, um damit ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.
Vor allem die Mittelschicht sei durch eine seit 2010 anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise stark betroffen und habe nun ein entsprechendes Zeichen setzen wollen.
Gleichzeitig brachte der Premier die Einschätzung zum Ausdruck, dass SYRIZA in den ersten drei Jahren nach Übernahme der Regierungsgeschäfte – das heißt seit Anfang 2015 – die Hände gebunden gewesen seien.
Die tatsächliche Regierungsarbeit habe man erst in den vergangenen neun Monaten durchführen können; bis August 2018 stand Griechenland unter strengen Spar- und Reformauflagen, die die internationalen Geldgeber vorgegeben hatten.
Als Erfolge seiner Regierungsarbeit nannte Tsipras etwa eine Minderung der Arbeitslosigkeit auf derzeit 18,5 Prozent und die Anhebung des Mindestlohnes auf 650 Euro brutto. Außerdem prognostizierte er, dass das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr bei 2,3 Prozent liegen werde. Die Griechische Statistikbehörde ELSTAT hatte in dieser Woche in einem vorläufigen Bericht von einem Wachstum von lediglich 1,3 % für das erste Quartal 2019 gesprochen.
Tsipras übte im Interview vor allem auch scharfe Kritik an der ND. Seiner Ansicht nach koste ihr Wahlpaket den Steuerzahler sieben Milliarden Euro; dieses Geld könne nur durch weitere Sparmaßnahmen ausgeglichen werden, so der Ministerpräsident. Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis lud er zu einer Fernseherdebatte ein.
Aus der ND-Zentrale reagierte man auf das Interview mit der Feststellung, dass sich Premierminister Tsipras „reuelos“ zeige. (Griechenland Zeitung / eh)