Die konservative Nea Dimokratia (ND) hat in Griechenland bei den Europawahlen einen deutlichen Sieg eingefahren. Premier Alexis Tsipras kündigte deswegen um Mitternacht vorverlegte Neuwahlen an. Das Wahlergebnis entspreche nicht den Erwartungen und es gebe der Opposition das Recht, „unsere „historische Erfolge“ anzuzweifeln.
Der Regierungschef betonte, dass man nicht fliehen, die Kampfarena nicht verlassen werde. Die Linke werde sich weiterhin für die soziale Gerechtigkeit einsetzen. Die Griechinnen und Griechen stellte er vor ein manichäisches Dilemma: Bei den vorverlegten Parlamentswahlen – wahrscheinlich Ende Juni – gehe es um Fortschritt für die Vielen oder - und dabei spielte der Premier auf die langjährige und andauernde Finanz- und Wirtschaftskrise an - um die Rückkehr in die Finsternis des Internationalen Währungsfonds IWF.
Kurz vor 22 Uhr wurden am Sonntag (26.5.) die ersten offiziellen Wahlergebnisse bekannt gegeben. Bei etwa 10 % der ausgezähltern Stimmen hatte die ND einen Vorsprung von etwa neun Prozentpunkten vor dem regierenden Bündnis der Radikalen Linekn (SYRIZA) von Ministerpräsident Tsipras. Die Differenz vergrößerte sich im Laufer des Abends. Die Konservativen erhielten mehr als 33 % der Stimmen, SYRIZA kommt auf etwa 24 %. Als drittstärkste Kraft hat sich doch etwas überraschend die sozialdemokratische "Bewegung der Veränderung" (KinAl) mit 7,2 % etabliert, gefolgt von der Kommunistischen Partei (5,8 %) und der faschistischen Chryssi Avgi (4,8 %). Der auch im Ausland bekannte Ex-Finanzminister Janis Varoufakis könnte nach dem bisherigen Stand mit seiner Formation Mera25 voraussichtlich einen Abgeordneten nach Straßburg entsenden.
Auch bei den Kommunal- und Regionaslwahlen, die ebenfalls am Sonntag in Griechenland stattfanden, konnte sich die ND eindeutig zum Sieger küren. Sie dürfte von den 13 Regionen den Großteil für sich gewinnen. Gut stehen darüber hinaus die Chancen für die Konservativen, dass sie ab 2020 wieder die großen Gemeinden Athen und Thessaloniki regieren. Darüber wird jedoch in einer Stichwahl in einer Woche entschieden.
In einer ersten Reaktion hatte ND-Chef Kyriakos Mitsotakis noch am Wahlabend den Rücktritt von Alexis Tsipras und Neuwahlen gefordert. (Griechemland Zeitung / rs)
Stand: 24. Mai 2019:
Nur mehr wenige Stunden bleiben bis zum Wahlsonntag (26.5.). In Griechenland werden an diesem Tag die Bürgermeister des Landes, die Regionalgouverneure sowie die Abgeordneten für das Europäische Parlament gewählt.
Am Freitagabend (24.5.) stehen die Abschlussveranstaltungen der Parteien auf dem Programm. Das regierende Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) wird auf dem zentralen Syntagma-Platz in Athen zum letzten Mal versuchen, Wähler auf seine Seite zu ziehen. Man spekuliert, dass Regierungs- und Parteichef Alexis Tsipras weitere „Geschenke“ verteilen wird. In den letzten Wochen wird vor allem von SYRIZA und seinen ihm nahe stehenden Medien versucht, den Eindruck zu erwecken, dass die kommenden Wahlen zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen avanciert sind: zwischen dem Linksbündnis und der größten Oppositionspartei, der konservativen Nea Dimokratia (ND).
Tatsächlich scheint es so, dass Premier Tsipras durch mehrere Maßnahmen zugunsten sozial schwächerer Schichten punkten konnte und der Vorsprung der Konservativen in den Umfragen etwas kleiner geworden ist. Politische Beobachter gehen aber davon aus, dass die ND dennoch deutlich die Nase vorne haben wird. In einem seiner letzten Interviews warnte Tsipras deswegen ganz unverhohlen: „Wenn unsere Politik abgestraft wird, ist alles möglich. Jedes Ergebnis, das für SYRIZA eine Niederlage bedeutet, heißt, dass wir auf Abenteuer zusteuern.“
Ganz im Gegenteil dazu sieht die ND Szenarien einer unsicheren Zukunft auf das Land zukommen, wenn SYRIZA keinen Denkzettel erhält. Aber der ND-Chef gibt sich ohnehin zuversichtlich: Am Sonntag meint er, wird Griechenland mit SYRIZA Schluss und einen neuen Anfang machen.
Bei einer Analyse der Parteiauftritte in den letzten Tagen wird man das Gefühl nicht los, dass in erster Linie die Wahlen zum Europaparlament zu einer landesweiten Umfrage degradiert werden. Eine themenorientierte Diskussion stand jedenfalls nicht im Vordergrund. Am Sonntag schicken insgesamt 40 Parteien Kandidaten ins Rennen. Hinter der ND und SYRIZA machen sich vor allem die sozialdemokratische Bewegung der Veränderung KinAL, die faschistische Chryssi Avgi, aber auch die Kommunistische KKE Hoffnung auf Platz 3.
Bisher betrug in Griechenland bei Wahlen zum Parlament in Straßburg der kleinste Vorsprung der ersten Partei auf die zweite etwa drei Prozent. In Journalistenkreisen wird nun gemunkelt, dass Tsipras sofort Neuwahlen für das nationale Parlament ausrufen wird, sollte die Differenz zur ND weniger als diesen Prozentsatz betragen. Regulär stehen die Parlamentswahlen erst im Herbst auf dem Programm.
Neben den Europawahlen bestimmen die Bürgerinnen und Bürger Griechenlands am Sonntag auch die Bürgermeister sowie die Gouverneure der insgesamt 13 Regionen. Wie Umfragen zeigen, scheint die ND auf Kommunalebene ziemlich im Vormarsch zu sein. Kandidaten der Konservativen oder der ND nahestehende Politiker dürften sich u. a. sowohl in Athen und Thessaloniki durchsetzen als auch in großen Regionalbezirken wie Attika.
Erste Wahlergebnisse werden am Sonntag zwischen 21 und 22 Uhr erwartet. (Griechenland Zeitung / rs)