Absolute Mehrheit erwartet
Voraussichtlich
geschlossen für das Paket werden die 127 Parlamentarier der
konservativen Partei Nea Dimokratia (ND) unter Vorsitz des
Ministerpräsidenten Antonis Samaras stimmen. Aus den Reihen der
sozialistischen Partei Pasok ist damit zu rechnen, dass von 33
Volksvertretern mindestens 27 oder 29 mit einem „Ja" votieren
werden. Im Vorfeld hieß es, dass die möglichen Abweichler aus der
Fraktion und aus der Partei ausgeschlossen würden. Dennoch haben
zwei Parlamentarier bereits im Vorfeld ein Negativvotum
angekündigt. Ein weiterer Abgeordneter könnte bei der Abstimmung
abwesend sein. Auch ihm droht der Ausschluss. Die
Parlamentsfraktion der Demokratischen Linken (Dimar), die zusammen
mit der ND und der Pasok die derzeitige Koalitionsregierung trägt,
hat sich nach langen Überlegungen dazu entschlossen, sich ihrer
Stimme zu enthalten. Doch auch hier gibt es Abweichler. Zwei der
insgesamt 15 linken Volksvertreter spielen mit dem Gedanken für das
unpopuläre Maßnahmenpaket zu stimmen, falls die Verabschiedung an
ihrer Stimmabgabe scheitern sollte. Zwei weitere könnten hingegen
mit „Nein" votieren. Allerdings will die Dimar am kommenden Sonntag
geschlossen für den neuen Haushaltsplan stimmen. Diese Abstimmung
gilt als Vertrauensvotum für die Koalitionsregierung, die gerade
erst fünf Monate im Amt ist.
Regierungsumbildung in Sicht
Sollte die
Abstimmung am heutigen Mittwoch scheitern, wäre dies mit einem
Versagen der Dreiparteienregierung gleich zu setzen. Dann müssten
vorverlegte Parlamentswahlen ausgerufen werden. Bei einer
erfolgreichen Verabschiedung des Pakets ist es sehr wahrscheinlich,
dass sich Samaras zu einer Regierungsumbildung entschließt. Dann
würde der Pasok voraussichtlich eine stärkere Rolle als bisher
zugeordnet, in dem auch Pasok-Parlamentarier mit Ministerposten
betraut würden. Der Vorsitzende der PASOK Evangelos Venizelos
könnte eventuell den Posten des stellvertretenden
Ministerpräsidenten übernehmen. In diesem Amt konnte er bereits
unter der Regierung von Jiorgos Papandreou ab Juni 2011 sowie unter
dem parteilosen Ministerpräsidenten Loukas Papadimos ab November
2011 Erfahrung sammeln.
Antrag auf Verfassungswidrigkeit
Was die
Oppositionsparteien betrifft, so gilt als sicher, dass sie gegen
das Sparpaket stimmen wird. Am Mittwochvormittag hatten die beiden
Oppositionsparteien, das Bündnis der Radikalen Linken Syriza und
die Unabhängigen Griechen während der Debatte (siehe Foto) einen
Antrag eingebracht, in dem das Maßnahmepaket als verfassungswidrig
bezeichnet wurde. Die Sitzung musste kurzzeitig unterbrochen
werden.
Die rassistische Chryssi Avgi hat im Vorfeld erklärt, dass sie für
einzelne Paragraphen des Pakets stimmen würde, vorausgesetzt, dass
diese nicht in einer einzigen Gesetzesnovelle dem Parlament
übergeben würden, was allerdings nicht der Fall ist.
Finanzminister Jannis Stournaras stellte fest, dass Griechenland
diese Maßnahmen durchsetzen müsse, um einem Bankrott auszuweichen.
Das Land habe bereits zwei Drittel des Weges zurückgelegt und müsse
nun die richtige Entscheidung treffen. Er stellte dazu fest, dass
dieser Weg „schwierig und steil ist", es handle sich jedoch um eine
„historische Verantwortung", der man gerecht werden müsse. Zudem
räumte er ein, dass es keineswegs einfach sei, über Maßnahmen in
Höhe von 13,5 Mrd. Euro zu entscheiden. Die Gegner des Sparpakets
rief er dazu auf, Vorschläge für äquivalente Maßnahmen zu
unterbreiten.
Arbeitsminister Jannis Vroutsis appellierte seinerseits an die
Dimar, die sich vor allem gegen Änderungen bei den
Arbeitsbeziehungen stellt, für das Maßnahmenpaket zu stimmen.
Vroutsis zufolge würde es überhaupt keine Arbeit mehr geben, falls
diese Maßnahmen das Parlament nicht passieren sollten.
Aus der ND ließ der Volksvertreter Adonis Georgiadis wissen, dass
kein einziger ND-Parlamentarier „mit Freude" für die Maßnahmen
votieren werde. Er gab auch zu bedenken, dass man viele der
Maßnahmen, die im Sparpaket beinhaltet sind, bereits hätte umsetzen
müssen, „bevor Griechenland in die Eurozone eintrat".
„Parlamentarischer Putsch"
Panajiotis
Lafazanis, Fraktionssprecher der größten Oppositionspartei des
Landes, Syriza, stellte fest, dass das Maßnahmenpaket mit einem
„parlamentarischen Putsch" zu vergleichen sei. Dimitris Stratoulis,
ebenfalls Syriza, bezeichnete die Koalitionsregierung als
„gefährlich". Er stellte fest, dass diese Regierung „gehen
müsse".
Der Syriza-Fraktionsvorsitzende Alexis Tsipras prophezeite in einem
Zeitungsinterview gegenüber der neugegründeten Zeitung „I
Efimerida", dass die Regierung schon bald „der Wut des Volkes
weichen müsse". „I Efimerida" heißt wörtlich übersetzt „Die
Zeitung", gegründet wurde sie vor allem von politisch links
orientierten Journalisten.
Der Parlamentarier der Unabhängigen Griechen, Kostas Markopoulos,
stellte fest, dass das Maßnahmenpaket zu einer weiteren „Verarmung
des Volkes" führen werde. Zudem werde dadurch die Arbeitslosigkeit,
die im Juli die 25-Prozent-Marke überschritten hatte, weiter
ansteigen. Außerdem gehe er davon aus, dass die Regierung bis Ende
2013 weiter Sparmaßnahmen verabschieden müsse.
Im Rahmen der Verabschiedung des Maßnahmenpakets führten die beiden
größten Gewerkschaften des Landes die Adedy (öffentlicher Dienst)
und die Gsee (Privatsektor) am Dienstag und Mittwoch einen
48-stündigen Streik durch. Viele Bereiche des öffentlichen Lebens
waren vor allem in der Hauptstadt Athen lahm gelegt. Höhepunkt des
Protestes ist eine Demonstration am Mittwoch um 17.00 Uhr vor dem
Parlament. Um Übergriffe zu vermeiden plant die Polizei das Gebäude
am Syntagma-Plaz – dem Platz der Verfassung – weitgehend
abzuschirmen. (GZeh, Foto: Eurokinissi)