Spannungen in der Ägäis, die Wiedereröffnung der Theologischen Schule von Chalki, Energiefragen und die muslimische Minderheit in Thrakien: Das ist die Kurzfassung einer Liste mit komplizierten Themen, die Griechenlands Ministerpräsident Tsipras während seines zweitägigen Besuchs in der Türkei erörtern will.
Es werden zwei lange Tage für Alexis Tsipras. Am Dienstag und Mittwoch, dem 5. und dem 6. Februar, stattet Griechenlands Premier der Türkei einen offiziellen Besuch ab. Ganz oben auf der „To-Do-Liste“ steht das Ziel, die Spannung in der Ägäis zu reduzieren. Vor allem aus diesem Grund wird Tsipras von seinem neuen Verteidigungsminister Evangelos Apostolakis begleitet. Der frühere Generalstabschef der griechischen Streitkräfte pflegt gute Beziehungen zu seinem türkischen Amtskollegen Hulusi Akar. Die beiden waren etwa zur selben Zeit militärische Befehlshaber der Streitkräfte ihrer Länder und haben bis dato eine gute Zusammenarbeit an den Tag gelegt.
Beobachter meinen, dass der Tsipras-Besuch in der Türkei zu keinen weiteren Ergebnissen führen wird; dennoch dürften die heikelsten bilateralen Themen angesprochen werden: Allemal ein guter Schritt, um das Eis zu brechen.
Auslieferung von acht Offizieren
Mit dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wird sich der Besucher aus Athen in der türkischen Hauptstadt treffen. Letzterer wird voraussichtlich die Lage der muslimischen Minderheit im nordgriechischen Thrakien auf den Gesprächstisch bringen. Vor allem aber dürfte das Thema der Auslieferung von acht Offizieren erneut zur Sprache kommen. Ankara geht davon aus, dass sich diese an einem gescheiterten Putschversuch im Sommer 2016 beteiligt hätten. Die Acht haben in Griechenland Asyl erhalten: Das Landeshöchstgericht, der Areopag, hat die Möglichkeit einer eventuellen Auslieferung negativ beschieden. Insofern sind der griechischen Regierung die Hände gebunden.
Tsipras und Erdogan haben sich seit der Amtsübernahme des griechischen Premiers vor vier Jahren bereits sieben Mal getroffen. Ein einfacher Verhandlungspartner ist Erdogan freilich nicht. Während eines offiziellen Besuchs in Athen im Jahr 2017, hatte dieser u. a. die Revision des Vertrages von Lausanne (1923) angesprochen. Für Griechenland kommt eine solche Option mit Verweis auf das internationale Völkerrecht unter keinen Umständen in Frage. Dieser Vertrag ist die Grundlage für die Grenzziehung zwischen beiden Ländern.
Gemeinsamkeiten bei Energiefragen
Bei dem Versuch, die bilateralen Beziehungen zu verbessern, wird Tsipras am Dienstag versuchen, gemeinsame Anhaltspunkte in den Vordergrund zu stellen. Dazu gehört etwa die Einrichtung einer Fährverbindung zwischen Izmir an der Kleinasiatischen Küste und der zweitgrößten Stadt Griechenlands, der nordgriechischen Metropole Thessaloniki. Weiterhin ist eine Eisenbahnverbindung zwischen Istanbul und Thessaloniki geplant. Hier dürfte es einen Konsens geben.
Heikel könnte es dann beim Gesprächspunkt „Energiefragen“ werden. Zunächst gibt es einen gemeinsamen Nenner: Das ist eine Kooperation beim Bau der Transadriatischen Pipeline (TAP). Diese soll Erdgas aus Aserbaidschan über Griechenland, Albanien und das Adriatische Meer nach Süditalien transportieren. Ankara und Athen setzen sich zudem gemeinsam für den Ausbau der „Turkish Stream“ ein.
Große Meinungsverschiedenheiten gibt es hingegen was die ausschließliche Wirtschaftszone Zyperns betrifft. Dort möchte Ankara nach Erdgas suchen. Der Inselstaat ist seit 1974 in den türkissprachigen Norden und den griechischsprachigen Süden geteilt. Athen fordert u. a., dass türkische Truppen den Inselstaat verlassen müssen, was die Türkei ablehnt.
Treffen mit dem Patriarchen
Seine Türkei-Reise führt Tsipras am Mittwoch weiter nach Istanbul. Im Stadtteil Phanar wird er sich mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomäus treffen. Gemeinsam werden sie die Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchats auf der Insel Chalki im Marmarameer besuchen. Es ist der erste Besuch eines griechischen Ministerpräsidenten seit 1933 auf Chalki.
Elisa Hübel