Donnerstagnacht stimmen 300 Abgeordnete im griechischen Parlament über die Namensfrage der FYROM ab. Das Thema spaltet die Griechen, zum Teil kam es zu extremen Reaktionen: Seit einigen Wochen mehren sich Anschläge und Drohungen gegen Parlamentarier, die den bereits vorliegenden Vertrag ratifizieren wollen.
Die Lösung der Namensfrage der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien (UNO-Kurzbezeichnung: FYROM) spaltet die Griechen. Dienstagnacht haben bisher unbekannte Täter kurz vor 22 Uhr vier Molotow-Cocktails gegen das Haus der Parlamentarierin Theodora Tzakri in Giannitsa in Nordgriechenland geworfen. Zum Zeitpunkt des Geschehens sind die Familie, bzw. die Eltern, der Ehemann und das Kind der Volksvertreterin im Haus gewesen. Sie sind mit dem Schrecken davon gekommen: Es wurde niemand verletzt und es entstanden lediglich leichte Sachschäden.
Hauptstadt des antiken Makedonien
Tzakri sprach von einem „mörderischen Attentat“. Sie werde jedoch weiterhin „für ihre Ideen in Zusammenhang mit dem nationalen Interesse kämpfen“.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wollen die 300 Parlamentarier über die Änderung des Namens der FYROM in „Republik Nordmazedonien“ abstimmen. Es ist zu erwarten, dass der Vertrag unter Dach und Fach kommt, wenn auch mit sehr knapper Mehrheit.
Vor allem Bürger Nordgriechenlands setzen sich gegen die Benutzung des Begriffs „Mazedonien“ durch die FYROM ein. Sie leben selbst in Regionen, die etwa den Namen Zentralmakedonien oder Ostmakedonien tragen. Giannitsa, der Wohnort von Tzakri, liegt in der Gemeinde Pella in der Region Zentralmakedonien. Pella wiederrum ist zur Zeit Alexanders des Großen die Hauptstadt des antiken Makedonien gewesen. Die Gegner der Lösung der Namensfrage befürchten, dass die nördlichen Nachbarn künftig Gebietsansprüche auf griechisches Territorium stellen könnten. Auch wollen sie nicht zulassen, dass die Identität Alexanders des Großen in Frage gestellt werden könnte: Sie sehen sich als dessen Nachfahren.
„Faschistischer, krimineller Akt“
Den Anschlag auf das Haus der Parlamentarierin hat u. a. die Regierungspartei Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), der Tzakri angehört, scharf kritisiert. Die Rede ist von einem „faschistischen, kriminellen Akt, der sich gegen die Demokratie richtet“. Als „moralischen Täter“ ortet das Linksbündnis den konservative Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis aus den Reihen der Nea Dimokratia (ND). Dieser würde „Hass predigen, der Verbrecher nährt“. Die ND meldete sich prompt zu Wort und verurteilte den Anschlag. Man hoffe, dass die Täter schnell gefasst würden. Solche Aktionen hätten „keinen Platz in einem demokratischen Griechenland“.
Der Anschlag auf das das Haus von Tzakri ist nicht der erste Vorfall dieser Art. In dieser Woche wurde das Haus des SYRIZA-Parlamentariers Asterios Kastoris in Karditsa in Mittelgriechenland beschädigt. Zuvor wurde in Aridäa, ebenfalls in Pella, eine Demonstration vor dem Büro des SYRIZA-Parlamentariers Jannis Sifakis durchgeführt.
Protestaktionen geplant
In den vergangenen Wochen wurden an die Mobiltelefone von SYRIZA-Parlamentariern sowie von Regierungsmitgliedern drohende Nachrichten (SMS) übermittelt. Auf Postern in Thessaloniki und anderen nordgriechischen Städten hingen Fotos von Abgeordneten, die erklärt hatten, bei der Abstimmung im Parlament mit „Ja“ zu stimmen. Auf diesen Postern war zu den abgebildeten Fotos der Text zu lesen: „Wirst du unser Makedonien verkaufen?“ – Auch das konnte man als Drohung verstehen.
Ihren Unmut über die geplante Umbenennung des Nachbarlandes in „Republik Nordmazedonien“ wollen Gegner dieser Lösung am Donnerstagabend vor dem Parlament mit einer Großkundgebung zum Ausdruck bringen. Um 19 Uhr treffen sich Mitglieder der „Panmakedonischen Vereinigungen“ am Syntagma-Platz in Athen. Sie sprechen von einem „Verbrechen“, das die Parlamentarier für Donnerstagabend in der Volksvertretung geplant hätten.
Separat demonstrieren die kommunistische KKE und die Linkspartei Volkseinheit, die bis zum Sommer 2015 zu SYRIZA gehörte. Die Organisatoren fordern, dass die in die Wege geleitete Lösung der Namensfrage nicht durchgesetzt wird, weil dies „den Plänen der EU und der NATO“ entspreche.
Der Hintergrund: Sobald Griechenland den Namen der FYROM anerkannt hat, kann das Land beiden Institutionen beitreten. Eine solche Option hatte Athen bisher stets mit dem Verweis auf sein Veto-Recht verhindert.
Auch in Nordgriechenland gibt es Proteste. Dort wollen Landwirte mit ihren Traktoren den Zugang zu Zollstationen blockieren.
Elisa Hübel