Die Regierung könnte demnächst vom Parlament ein Vertrauensvotum fordern. Das hat Ministerpräsident Alexis Tsipras am Mittwoch im Rahmen eines Interviews gegenüber dem staatlichen Fernsehersender ERT angekündigt.
Hintergrund dafür ist ein Szenarium, wonach der Juniorpartner der Regierung, die rechtspopulistische ANEL, diese Koalition verlassen könnte. Dies würde bedeuten, dass Tsipras nur noch die Unterstützung seiner 145 SYRIZA-Parlamentarier genießen würde. Er rechnet jedoch damit, dass auch Vertreter der ANEL sowie anderer kleinerer Parteien der Regierung ihr Vertrauen schenken. Um das Votum zu bestehen, braucht er 151 der 300 Stimmen im griechischen Parlament.
SYRIZA und ANEL koalieren bereits seit vier Jahren. Auf den ersten Blick ist es ein sehr ungleiches Paar. Während SYRIZA für „Koalition der Radikalen Linken“ steht, steht ANEL für den Begriff „Unabhängige Griechen“ – eine rechtspopulistische Partei. Belastend wirkt sich auf die Koalition vor allem die Tatsache aus, dass ANEL strikt gegen die Ratifizierung eines Vertrages ist, den Athen mit Skopje im Sommer vereinbart hat. Demzufolge soll sich das Nachbarland, die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien (UNO-Kurzfassung: FYROM), künftig „Nord-Mazedonien“ nennen. Nach Vertragsabschluss könnte das Land vor allem der EU und der NATO beitreten.
Tsipras glaubt, dass diese Entwicklung mit einer Aufwertung der Rolle, die Griechenland in der Region spielt, einhergehen werde. Im Interview kritisierte er, dass die Namensfrage seit 27 Jahren ungelöst sei, weil die Vorgängerregierungen in dieser Frage „träge“ gewesen seien. Der Premier konstatierte, dass die Lösung der Namensfrage der FYROM – nach der offiziellen Beendigung der Spar- und Reformprogramme – die größte Leistung seiner Regierung gewesen sei.
Außer der ANEL stellt sich vor allem auch die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) gegen die vereinbarte Lösung mit Skopje. In diesem Zusammenhang warf Tsipras dem ND-Chef Kyriakos Mitsotakis vor, dass jener in dieser Frage lediglich an die „innere Stabilität“ seiner Partei denke und einen „vorübergehendem Nutzen“ aus diesem Thema ziehen wolle. Nach Ansicht von Tsipras suche der Konservative auf „erbärmliche“ und „populistische“ Art nach Wählern.
Die ND ist Mitglied der Europäischen Volkspartei. Diese spricht sich in ihrer Gesamtheit für eine zügige Lösung der Namensfrage aus, u. a. um Stabilität in der Region auf dem westlichen Balkan zu erhöhen. Eine klare Befürworterin ist auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese stattet am Donnerstag und Freitag einen offiziellen Besuch in Athen ab. Beobachter erwarten, dass sie ein befürwortendes Statement zur Lösung der Namensfrage abgeben dürfte.
Das Thema könnte in Griechenland innenpolitische Folgen haben. Sowohl die ND als auch die sozialistische Bewegung der Veränderung (KinAl) forderten als Reaktion auf das ERT-Interview von Tsipras einen vorverlegten Urnengang. Aus der ND hieß es: „Die Griechinnen und Griechen wollen Stabilität, Sicherheit und Wohlstand.“ Dies könne die ND „direkt nach den Wahlen“ gewährleisten. Die KinAl schätzte ein, dass Tsipras mit seinen Äußerungen das Bild eines „schwachen“ Ministerpräsidenten abgegeben habe, der seinen „rechtsextremen Partner“ anflehe, seiner Regierung nicht den Rücken zu kehren.
Elisa Hübel