Der Vorsitzende der Nea Dimokratia (ND) Antonis Samaras, dessen Partei am Sonntag mit etwa zwei Prozentpunkten Vorsprung (18,85 % der Stimmen) vor Syriza (16,78 %) die Mehrheit erhalten hatte, musste bereits am Montag eingestehen, dass er keine Koalitionsregierung bilden könne.
Gespräche mit Parteiführern
Wenn man das
Wahlergebnis betrachtet, dürften wohl auch die Bemühungen von
Tsipras, eine linke Koalitionsregierung zu bilden, erfolglos
bleiben. Syriza und die sozialistische PASOK kämen gemeinsam auf 93
Mandate – nötig sind mindestens 151. Auch wenn die Demokratische
Linke mit ins Boot stiege, hätte diese Koalition erst 112 Sitze.
Aus diesem Grund wendet sich Tsipras auch ins national-konservative
Lager: Heute Nachmittag um 17.00 Uhr will er mit den „Unabhängigen
Griechen“ des einstigen ND-Parlamentariers Panos Kammenos
verhandeln, die über 33 Mandate verfügen. Abgesehen davon, dass
dessen Partei als populistisch-antieuropäisch gilt, würde auch das
noch nicht ausreichen. Um 18.00 trifft sich Tsipras dann heute noch
mit dem PASOK-Vorsitzenden Evangelos Venizelos und um 19.00 Uhr mit
ND-Chef Antonis Samaras.
ND will keine Wahlen im Juni
Dass es zum
Schluss doch noch zu einer Vereinbarung mit der ND kommen könnte,
scheint zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Tsipras
spricht sich verbal für eine Linksregierung „ohne einen Hauch von
rechts“ aus. Am Dienstag forderte er zudem Samaras – wie auch
Venizelos – dazu auf, die Unterschrift von dem mit der Troika
vereinbarten Memordandum zurückzuziehen. Daraufhin konterte der
ND-Chef, dass der Linkspolitiker offenbar nicht für den Verbleib
Griechenlands in der Eurozone garantieren könne. Vielmehr bestehe
die Möglichkeit, dass dieser das Land „ins Chaos“ führe. Die
Konservativen zeigten sich allerdings dazu bereit, eine
„Minderheitsregierung“ zu tolerieren, solange der Verbleib
Griechenlands im Euro und die Wahrung der nationalen Rechte
garantiert blieben. Samaras erklärte zudem, dass seine Partei gegen
eine zweite Wahlrunde sei; eine solche könnte nach dem bisherigen
Stand der Dinge für den Fall, dass sich man sich nicht einigen
kann, am 10. oder am 17. Juni stattfinden.
Sozialisten auf Bündniskurs
Eine größere
Koalitionswahrscheinlichkeit als mit der ND besteht wohl mit der
sozialistischen PASOK. Deren Vorsitzender Evangelos Venizelos ließ
am Dienstag erneut wissen, dass er sich für eine
Koalitionsregierung aus ND, Syriza, PASOK und den Demokratischen
Linke (DIMAR) einsetzte. Nur so könne man den Verbleib des Landes
in der Eurozone und in der Europäischen Union sichern. Er hoffe,
dass sein Treffen mit Tsipras heute Abend „sehr substantiell“ sein
werde. Venizelos, dessen Panhellenische Sozialistische Bewegung bis
November 2011 die Zügel der Regierung in der Hand hielt und die bis
dahin das Land seit 2009 geführt hatte, hob hervor, dass die
wirklich schwierigen Verhandlungen im Ausland „mit den
Geldgebern und den Märkten“ stattfänden und nicht etwa im Inland
und zwischen den Parteien. Das Wahlergebnis interpretierte der
PASOK-Chef so, dass das griechische Volk in der EU bleiben und den
Euro behalten wolle. Außerdem wollen seiner Ansicht nach die Wähler
Wirtschaftswachstum, einen Rückgang der Arbeitslosigkeit und die
Sicherung des Lebensstandards der Bürger. Solange Griechenland ohne
Regierung bleibe, sei das eine Botschaft der „Ausweglosigkeit“: Man
müsse diese überwinden und Lösungen finden, sagte Venizelos im
Vorfeld seines Treffens mit Tsipras.
Memorandums-Unterschriften zurückziehen
Noch
am Dienstagnachmittag hatte der Linkspolitiker mit der Forderung
für Aufsehen in den Medien gesorgt, dass Samaras und Venizelos ihre
Unterschriften von dem mit der Troika aus Europäischer Kommission,
Europäischer Zentralbank und Internationalen Währungsfonds
vereinbarten Memorandum zurückziehen müssten, falls sie eine
Koalitionsregierung wünschten. Dem Syriza-Mann zufolge hätte das
Volk „gegen die barbarische Politik des Memorandums und die
Memorandumsparteien“ gestimmt. Bei dem guten Wahlergebnis von 16,78
% der Stimmen handle es sich nicht etwa um Protestwähler. Vielmehr,
so Tsipras, sei das eine „reife und bewusste“ Entscheidung gewesen.
Zudem rief er die beiden Traditionsparteien ND und PASOK, die seit
1974 fast ununterbrochen und abwechselnd die Regierung innehatten,
dazu auf, so zu regieren, dass das Memorandum nicht durchgesetzt
werden könne. Im gegenteiligen Fall könne man nicht von einer
Regierung der „Nationalen Rettung“ sprechen, sondern viel mehr von
einer „Regierung zur Rettung des Memorandums“.
Offizielle Briefe an die EU-Partner
Im seine
Positionen zu erklären, will der Syriza-Fraktionsvorsitzende noch
heute offizielle Briefe an den Präsidenten der Europäischen
Kommission José Manuel Barroso, an den Präsidenten des Europäischen
Rates Herman van Rompuy sowie den Präsidenten der Europäischen
Zentralbank Mario Draghi senden. Darin will er einen Alternativplan
für Wachstum, Arbeit und sozialen Schutz vorschlagen. Außerdem will
der Linkspolitiker darauf verweisen, dass die Griechen mit ihrer
Wahlentscheidung das Memorandum zurückgewiesen hätten. Daher seien
die Unterschriften von Samaras und Venizelos ohnehin
ungültig.
Vorschläge zur Diskussion
Unterdessen hat
der Syriza-Politiker auch schon Vorschläge für das Programm einer
Koalitionsregierung unterbreitet. Als aller erstes will er die im
Memorandum vorgesehenen Maßnahmen, die Gehalts- und Rentenkürzungen
betreffen, verhindern. Weiterhin will er das Bankensystem der
Kontrolle des Staates übergeben. Außerdem setzt sich Tsipras für
die Auflösung von Gesetzen ein, die „elementare Arbeitnehmerrechte
beschneiden“. Schließlich will er für ein einfaches
Verhältniswahlrecht kämpfen. Die Bonusregelung, wonach die stärkste
Partei zusätzlich 50 Mandate erhält, müsse abgeschafft werden.
Bereits am Dienstag hatte sich Tsipras mit dem Vorsitzenden der
Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis, getroffen. Letzterer
sicherte seine Unterstützung für eine Linksregierung zu. Auch Louka
Katseli die Vorsitzende der „Sozialen Übereinkunft“, die allerdings
nicht den Sprung ins Parlament schaffte, erklärte sich bereit, mit
Syriza zu koalieren. Die Ökologen/Grüne, die den Eintritt ins
Parlament knapp verfehlt hatten, zeigten sich am Dienstag zwar
bereit, Syriza zu unterstützen, sie wollten aber „mehr als eine
Antimemorandums-Politik“. Die Generalsekretärin der kommunistischen
Partei KKE, Aleka Papariga, schloss bereits per Telefon aus, mit
Syriza gemeinsame Sache zu machen. (Griechenland Zeitung / eh,
Foto: Eurokinissi. Die Aufnahme zeigt Tsipras, links. Rechts im
Bild der einstige Widerstandskämpfer Manolis Glezos.)