Im griechischen Parlament debattierten die Abgeordneten am
Sonntag über den neuen Kreditvertrag mit den Gläubigern Athens
(Europäische Kommission, Internationaler Währungsfonds, Europäische
Zentralbank) in Höhe von 130 Mrd. Euro sowie den Schuldenschnitt
(PSI) in Höhe von zirka 100 Mrd. Euro; beide „Finanzspritzen" sind
mit Reformen sowie einem harten Sparprogramm verbunden
(Rentenkürzungen, Reduzierung des Mindestlohns usw.).
Am Rande friedlicher Proteste zehntausender Demonstranten kam es
gleichzeitig seit den Abendstunden des Sonntag zu gewaltsamen
Zusammenstößen. Gewaltbereite Gruppen zerstörten zahlreiche
Geschäfte; mindestens 47, auch historische klassizistische Gebäude,
im Zentrum, gingen in Flammen auf. Dazu gehörten u. a. die
Kinos Attikon, Trianon und Büros der Alpha Bank sowie der Bank of
Cyprus.
Darüber hinaus kam es im weiteren Bereich der Stadtmitte zu
Plünderungen. Darunter befand sich auch ein Waffenladen am
Omonia-Platz.
Angesichts der Zerstörungen wurde der Ruf nach dem Rücktritt des
Ministers für die Öffentliche Ordnung, Christos Papoutsis, laut.
Insgesamt mussten mehrere Dutzend Personen wegen Verletzungen in
Krankenhäuser eingeliefert werden; ebenso 68 Polizisten.
Demonstrationen gegen die Rotstiftpolitik fanden auch in anderen
Städten des Landes statt (Thessaloniki, Heraklion, Korfu, Volos und
Agrinio). Im Rahmen der Proteste wurden mehrere politische Büros
von Parlamentariern attackiert. Insgesamt hat die Polizei
landesweit 67 Personen verhaftet und 75 vorübergehend
festgenommen.
Am heutigen Montagmorgen waren die Aufräumungsarbeiten in der
Hauptstadt noch nicht abgeschlossen. Die zentrale Stadiou-Straße
blieb gesperrt. Viele Passanten rund um den Syntagma-Platz pressten
Taschentücher vor das Gesicht; Tränengasgeruch war noch stark zu
spüren. Verbrannte Bushaltestellen, Marmorteile von Gebäuden,
herausgerissene Geländer – noble Geschäftsstraßen mit den Spuren
der Verwüstungen vom Vortag.
„Weg in die Katastrophe"
Premierminister Loukas Papadimos hatte noch am Samstagabend in
einer Ansprache an die Nation davor gewarnt, dass eine
Nichtunterzeichnung des Kreditvertrages für das Land den Bankrott
bedeuten würde, das Verlassen der Eurozone und einen „Weg in die
Katastrophe". In den Positionen der Opposition habe er keine
realistische Alternative erkennen können, so Papadimos. Diese
Argumente wiederholte er auch in der abschließenden Rede vor dem
Parlament in der Nacht vom Sonntag auf Montag. Er nannte das mit
den internationalen Geldgebern ausgehandelte Programm hart und
räumte ein, dass es der griechischen Bevölkerung Opfer
abverlange. Seine Umsetzung sei aber Voraussetzung für das Wachstum
der Wirtschaft und die Überwindung der Krise.
Mehrere Abgeordnete der beiden Parteien, die die Übergangsregierung
unterstützen – der sozialistischen PASOK und der konservativen Nea
Dimokratia (ND) –, hatten im Vorfeld deutlich gemacht, dass sie
gegen das neue Sparpaket stimmen werden.
14 von der PASOK und 20 von der ND votierten schließlich mit
„Nein". Die rechtspopulistische LAOS hatte bereits vorige Woche
ihre Unterstützung für die Regierung des Technokraten
Papadimos zurückgezogen. Sowohl PASOK-Chef Jorgos Papandreou als
auch der ND-Vorsitzende Antonis Samaras hatten ihre Fraktionen auf
das neue Sparprogramm eingeschworen. Die „Abtrünnigen" wurden von
ihren Parlamentsfraktionen ausgeschlossen. Dabei handelt es sich
insgesamt um 22 Abgeordnete von der PASOK und 20 von der ND, die
entweder mit „Nein" stimmten, nicht anwesend waren oder mit
„anwesend" votiert haben. Der Verlust einer derart großen Anzahl
von Parlamentariern wird für die beiden seit 1974 dominierenden
Parteien noch weitere Folgen nach sich ziehen.
Die LAOS verließ während der Abstimmung das Plenum. Zwei
Abgeordnete, der am Freitag zurückgetretenen Infrastrukturminister
Makis Voridis sowie der ebenfalls am Freitag zurückgetretene
Staatssekretär im Ministerium für Regionalentwicklung, Adonis
Gergiadis jedoch blieben zurück und stimmten mit „Ja": Sie wurden
daraufhin von der LAOS-Parlamentsfraktion ausgeschlossen. Insgesamt
haben 278 Parlamentarier an dem Votum teilgenommen. 199
stimmten schließlich für den Kreditvertrag, 74 dagegen, fünf mit
„anwesend".
Griechenland durchlebt die schwerste Krise seit 1974
(Wiederherstellung der Demokratie), manche meinen sogar seit Ende
des Bürgerkriegs 1949. Das Land befindet sich im fünften Jahr der
Rezession, die Arbeitslosenrate hat 21 Prozent erreicht. Mehr als
eine Million Griechen sind ohne Job. Das Vertrauen in die
politische Elite des Landes befindet sich auf einem historischen
Tiefpunkt. Voraussichtlich im April sollen vorverlegte
Neuwahlen durchgeführt werden. (Griechenland Zeitung/as; Foto:
eurokinissi)