Ein Waldbrand am Montag vor einer Woche (23.7.) hat in Ostattika mindestens 91 Menschen das Leben gekostet. Daraufhin ist in Athen eine politische Kontroverse ausgebrochen. Im Mittelpunkt stand das Katastrophenmanagement der Regierung.
Ministerpräsident Alexis Tsipras hat am Montagvormittag (30.7.) den von einem verheerenden Waldbrand heimgesuchten Orten in Ostattika, der sich vor genau einer Woche (23.7.) ereignet hatte, einen Besuch abgestattet. Er sprach u. a. mit betroffenen Bürgern sowie mit Mitarbeitern der Feuerwehr, Freiwilligen und mit an den Unglücksort abkommandierten Soldaten.
Übernahme der politischen Verantwortung
Am Freitag hatte der Premier die absolute „politische Verantwortung“ für die Folgen des Brandes in Attika übernommen. Den Flammen zum Opfer gefallen sind mindestens 91 Menschen. Zudem wurden 2.500 Häuser zerstört sowie knapp 400 Pkw. Es verbrannte eine Fläche von 1.270 Hektar. Zerstört wurde auch die Infrastruktur rund um den Badeort Mati in der Nähe der Hafenstadt Rafina im Osten Attikas.
Bereits am Freitag hatte Tsipras vor seinem Ministerrat seine tiefe Trauer über die Todesopfer zum Ausdruck gebracht. Er fragte sich rhetorisch, ob er selbst, seine Regierung und die Behörden „in den kritischen Stunden“ richtig gehandelt hätten, oder ob man hätte mehr tun können.
Als einen der Hauptgründe für das Ausmaß der Katastrophe verortete das Regierungsoberhaupt jedoch illegale Bauten, die den Zugang zum Meer in großen Abschnitten versperrt hatten. Schuld an dieser Situation sei die „Vetternwirtschaft“, die es in der Vergangenheit erlaubt habe, dass ohne Rücksichtnahme auf die Sicherheit der Bürger ganze Wohnkomplexe errichtet wurden. Diese Situation habe seine Regierung in den drei Jahren seit ihrer Amtsübernahme leider nicht verändern können.
Suche nach Sündenböcken
Allerdings schloss Tsipras aus, dass es zum jetzigen Zeitpunkt Rücktritte von Ministern geben werde. Dies sei seiner Ansicht nach „kein Akt politischer Tapferkeit“, sondern eher „von Feigheit.“ Er lobte die Arbeit von Polizei, Feuerwehr und Küstenwache, ohne deren Einsatz „würden wir heute noch viel mehr Tote betrauern“, so der Regierungschef.
Was die Haltung der Opposition betrifft, so stellte er fest, dass man dort auf der Suche nach Sündenböcken sei. Er, so der Premier, wolle jedoch abwarten, bis sich die Situation beruhigt habe, bevor man die Ursachen dieser „beispiellosen Katastrophe“ suchen und finden werde.
„Zynismus“ und „Unmenschlichkeit“
Die Opposition ist nahezu einstimmig der Ansicht, dass Tsipras nach Übernahme der politischen Verantwortung nun auch seinen Hut nehmen müsse. Die Regierung spiele mit dem Leid der Betroffenen, so die Vorwürfe.
Nach Meinung der konservativen Nea Dimokratia (ND) etwa sei die Regierung über die ersten Toten bereits informiert gewesen, lange bevor die Medien und Bürger davon erfahren hatten.
In einem Radiointerview hatte der Minister für Handelsschifffahrt Panagiotis Kouroumblis zugegeben, dass er bereits am vorigen Montagabend (23.7.) über einen Ertrunkenen in Kenntnis gesetzt worden war. Diese Information sei jedoch als „nicht gesichert“ eingestuft, und aus diesem Grund sei sie der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben worden, so der Minister.
Die ND sprach angesichts des Umgangs der Regierung mit der Katastrophe von einer „traurigen TV-Show“. Deren einziges Ziel sei es gewesen „das Volk zu betrügen“. Mit diesen Lügen müsse endlich Schluss sein.
Im Amtssitz des Ministerpräsidenten sieht man das anders. Hier hieß es, dass die ND versuche, „politische Spiele“ zu Lasten der verstorbenen Mitmenschen zu spielen.
Die sozialistische Bewegung der Veränderung KinAl ortete ähnlich wie die ND eine „Show des Betrugs und des Verbergens von Informationen“ seitens der Regierung. Diese habe zudem „überhaupt keine Verwaltungsarbeit zur Bewältigung dieser Krise geleistet“. KinAl-Sprecher Pavlos Christidis sieht etwa hinter dem Statement von Kouroumblis eine „Beichte des Zynismus und der Unmenschlichkeit“.
Elisa Hübel
Foto (©Pressebüro des Ministerpräsidenten): Man kann deutlich erkennen, dass sich die Flammen regelrecht bis zum Meer „durchgefressen“ haben.
Foto (©Pressebüro des Ministerpräsidenten): Das Militär sorgt für die Wiederherstellung von Infrastruktur und öffentlicher Ordnung, etwa beim Einsatz gegen mögliche Plünderer.