Der Finanzexperte, der u.a. Vizepräsident der Europäischen Zentralbank und Gouverneur der Bank von Griechenland war, sprach von seiner eigenen großen persönlichen Verantwortung und von der Verantwortung seiner Regierung. Man stehe an einem Punkt, an dem sich der weitere Verbleib Griechenlands in der Eurozone entscheide. Deshalb müsse seine Übergangsregierung eine Brücke bilden. Es gehe darum, den Haushalt zu konsolidieren und das Land auf Wachstumskurs zu bringen. Die Verantwortung des Ministerpräsidenten, so der neue Mann am Steuer Griechenlands, übernehme er „zum schlimmsten Zeitpunkt in der neueren Geschichte des Landes".
Mit den Worten „ich kann dieses Werk nicht alleine schaffen" appellierte er vor allem auch an die drei Parteien, die seine Regierung unterstützen. Es handelt sich dabei um die sozialistische PASOK, die konservative Nea Dimokratia (ND) und um die rechtskonservative Orthodoxe Volkssammlung (LAOS). Diese drei spielen für die Regierung Papadimos eine Schlüsselrolle, damit das Land den Weg aus der Finanz- und Wirtschaftskrise finden kann.
Schriftliches Bekenntnis gefordert
Ein
erster Schritt in diese Richtung soll nach Vorstellungen der
Euro-Gruppe ein schriftliches Bekenntnis des neuen Premierministers
und der Vorsitzenden der beiden größten Parteien, PASOK und ND,
sein. Darin sollen diese versichern, das Ende Oktober in Brüssel
vereinbarte Abkommen einzuhalten. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe,
Jean-Claude Juncker, erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass
man auch von Irland und Spanien derartige Garantien erhalten
habe.
Der ND-Chef Antonis Samaras will eine solche schriftliche
Vereinbarung allerdings vermeiden. Er stellte am Montag abermals
klar, dass er keine gemeinsame Erklärung mit dem PASOK-Vorsitzenden
Jorgos Papandreou unterzeichnen werde. Auch neue Sparmaßnahmen
werde er nicht absegnen. Über diesen Standpunkt habe er die
europäischen Partner bereits informiert.
Dennoch forderte Samaras am Montag von seiner Fraktion, der neuen
Regierung das Vertrauen auszusprechen. Dies sei der Weg, dass
Griechenland von der Troika die 6. Kreditrate erhalten könne. Auch
habe die Regierung Papadimos den Auftrag, den Weg für vorverlegte
Parlamentswahlen zu ebnen.
Widerstände innerhalb der ND
In den Reihen
der eigenen Partei stößt Samaras mit seiner Politik, die neue
Regierung zu unterstützen, auf gewisse Widerstände. Der
ND-Parlamentarier Panos Kammenos zeigt sich bisher öffentlich dazu
entschlossen, der neuen Regierung nicht sein Vertrauen
auszusprechen. Am Montag sah sich Samaras zudem dazu veranlasst,
den Parteiveteran Sotiris Chatzigakis wegen scharfer Kritik an der
Parteilinie aus der ND und aus der Fraktion auszuschließen. Im
Anschluss wetterte letzterer, dass die „ND von Samaras von einer
großen Partei zu einem kleinen Abklatsch vom Typ des Politischen
Frühlings" verkommen sei. Den „Politischen Frühling" hatte Samaras
im Juni 1993 gegründet. Zuvor war er aus dem Amt des Außenministers
unter der ND-Regierung von Konstantinos Mitsotakis ausgeschieden.
Nach anfänglichen Erfolgen schaffte diese Partei 1996 nicht mehr
den Einzug ins Parlament. Anschließend näherte sich Samaras wieder
der ND an. 2009 wurde er zu deren Vorsitzenden gewählt.
Neue Gelder und Schuldenschnitt
Um die
Unterschrift von Samaras unter das Ende Oktober vereinbarte
Memorandum mit der Troika trotz allen Widerstands dennoch zu
bekommen, hatte Papadimos in seiner Rede am Montagabend betont,
dass es sich um „Forderungen und Erwartungen der Völker und der
Steuerzahler jener Staaten, die uns direkt oder indirekt
unterstützen", handle. Die Verpflichtungen Griechenlands, die zu
den Entscheidungen vom 26. Oktober in Brüssel geführt hätten,
müssten in jedem Fall in die Tat umgesetzt werden. Dadurch, so
rechnete Papadimos abermals vor, erhalte Griechenland eine
zusätzliche Finanzierung von 130 Mrd. Euro und einen Abbau der
Schulden auf 120 % des Bruttoinlandproduktes (BIP) bis 2020.
„Das Land kann gerettet werden"
Der neue
griechische Premier machte darauf aufmerksam, dass die vor seiner
Regierung stehenden Aufgaben im Vergleich zu ihrer kurzen Amtszeit
überproportional groß seien. Erste Priorität sei es, die 6. Rate
bis spätestens zum 15. Dezember zu erhalten. Dazu müsse aber die
schriftliche Verpflichtung Griechenlands beitragen. „Das Land kann
gerettet werden. Doch es hängt von uns ab", sagte er. Weiterhin
betonte er, dass es nicht sein dürfe, dass „die Opfer des Volkes"
verloren gingen. Um das zu erreichen, müsse das Volk erstens die
Wahrheit darüber erfahren, „wo wir stehen und wohin wir gehen".
Zweitens müsse das Vertrauen der Partner wieder hergestellt werden.
Die Finanzkrise habe sich Papadimos zufolge zu einer
„gesellschaftlichen Krise gewandelt". Das Volk habe das Vertrauen
verloren, dass die wirtschaftliche Politik das Land aus der Krise
führen könne.
Erleichterung bei vielen Bürgern
Papadimos –
der bisher in Griechenland als Technokrat betrachtet wird –
übernimmt die schwierige Aufgabe, die zwei größten Parteien des
Landes, PASOK und ND, zu einer Zusammenarbeit zu führen und
nebenbei den Ausweg aus der Zwickmühle der Finanz- und
Wirtschaftskrise zu weisen. Ob ihm dieses gelingt, muss man
abwarten.
Doch der ehemalige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank
scheint recht gute Karten zu haben. Zumindest ein Großteil der
Wähler scheint erleichtert zu sein, dass kein Karriere-Politiker
die Zügel in die Hand genommen hat. Meinungsumfragen zufolge, die
am Wochenende veröffentlicht worden sind, weisen aus, dass die
Bürger der Bildung der Übergangsregierung aufgeschlossen gegenüber
stehen. 78 % der Griechen beurteilen die Bildung einer
„Koalitionsregierung" als positiv oder eher positiv. Lediglich 20 %
der Befragten bezeichnen diese Regierung als negativ oder eher
negativ. Immerhin 42 % der Befragten vertraten die Ansicht, dass
man mit Loukas Papadimos für das Amt des Ministerpräsidenten die
richtige Entscheidung getroffen habe. Lediglich 13,1 % bezeichneten
das als negativ.
Ob diese Umfragewerte nach den geplanten drei Monaten
Regierungszeit noch immer so positiv aussehen, wird sich zeigen.
Dann wird sich auch bewiesen haben, ob Papadimos der richtige
Kapitän für das angeschlagene Schiff mit dem Namen „Griechenland"
gewesen ist. (Text: Elisa Hübel, Foto: Eurokinissi. Das Bild zeigt
den neuen Premier Papadimos im Parlament, während er
Oppositionsführer Samaras die Hand reicht.)