Griechenland wird seit Freitag von einem neuen Kabinett regiert. Veränderungen gibt es u. a. in den Ministerien für Bildung und Arbeit. In vielen Fällen hat die jüngere Generation die Zügel übernommen. Oberste Priorität ist ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen mit den Geldgebern.
Am Freitag hat Ministerpräsident Alexis Tsipras eine lang erwartete Kabinettsumbildung durchgeführt. Dieses besteht nun aus 49 Mitgliedern; 15 von ihnen sind erstmals in der Regierung vertreten. Einige davon gehören mit einem Alter um die 40 Jahre der jüngeren Generation an. Elf Minister bzw. stellvertretende Minister und Staatssekretäre hat Ministerpräsident Alexis Tsipras nach Hause geschickt.
Anfreundung mit der Kirche
In die letztere Gruppe fällt der bisherige Bildungsminister Nikos Filis. Dieser hatte sich nach einem Disput mit dem Erzbischof von Athen und ganz Griechenland Hieronymos geweigert, seinen Posten zu räumen. Einen solchen Schritt hatte er zuvor als Niederlage gegenüber der Kirche interpretiert. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Gleichgewicht zwischen Filis und der Regierung nach dem Personalwechsel entwickeln wird. Filis erfreut sich innerhalb der Regierungspartei Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) großer Wertschätzung. Bei den innerparteilichen Wahlen im Oktober war er knapp hinter Finanzminister Evklidis Tsakalotos auf Platz 2 in das Zentralkomitee der Partei gewählt worden. Er gilt als Verteidiger des „linken Gewissens“ von SYRIZA. Sein Nachfolger wurde im Bildungsministerium der Physik-Professor Kostas Gavroglou.
Junges Blut übernimmt Rentenpolitik
Aufgrund einer als „missglückt“ beurteilten Politik in Rentenfragen musste auch der bisherige Minister für Arbeit, Sozialversicherung und Soziale Solidarität Jorgos Katroungalos seinen Hut nehmen. Er hatte nicht nur wegen Rentenkürzungen, sondern vor allem wegen einer nicht sehr glücklichen Kommunikationspolitik zahlreiche Pensionäre gegen sich aufgebracht. Er erhielt nun den Posten eines Staatssekretärs im Außenministerium. Neue Arbeitsministerin ist die 31jährige Efi Achtsioglou. Diese hatte bisher das politische Büro von Katroungalos geleitet und beteiligte sich auch aktiv an den Verhandlungen mit den Geldgebern. Daher ist sie mit der Materie bestens vertraut und muss nicht erst eingeschult werden. Beobachter gehen davon aus, dass sie effizienter als ihr Vorgänger an die Sache herangehen wird.
Wenig Bewegung im Finanzministerium
Es ist offensichtlich, dass Regierungschef Tsipras die laufenden Verhandlungen mit den Geldgebern über die erreichten Reformfortschritte so schnell wie möglich zum Abschluss bringen will, möglichst noch bis Ende November. Wie erwartet bleiben daher maßgeblich involvierte Minister wie Efklidis Tsakalotos (Finanzen) und sein Stellvertreter Jorgos Chouliarakis auf ihren Posten. Ersetzt wurde hier jedoch der für Steuerfragen verantwortliche stellvertretende Finanzminister Tryfon Alexidiadis durch Katerina Papanatsiou. Auch dies ist als Fingerzeig Richtung internationale Geldgeber zu verstehen. Diese wird als Staatssekretärin im Finanzministerium eingesetzt. Papanatsiou ist Parlamentarierin aus der zentralgriechischen Region Magnisia. Sie ist Wirtschaftswissenschaftlerin und hat außerdem auch als Buchhalterin Erfahrung gesammelt.
Wirtschaftsminister für parallele Währung
Eine größere Überraschung ist vor allem der neue Wirtschaftsminister Dimitris Papadimitriou. Er ist Präsident des Levy Economics Institut des Bard Colleges in New York. Letzteres hatte sich in im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2013 für die Einführung einer parallelen Währung zum Euro in Griechenland, dem „Geuro“, eingesetzt. Das Institut gilt als eines der Think Tanks der Regierungspartei SYRIZA.
Keine Tendenz zur politischen Mitte
Nach der Regierungsumbildung erklärte Ministerpräsident Tsipras, dass es das Ziel des neuen Kabinetts sei, das Wachstum anzukurbeln und das Alltagsleben der Bürger zu verbessern. Trotz zahlreicher Spekulationen hat er es unterlassen, sein Kabinett im Bereich der politischen Mitte auszubauen. Vor allem hat er mehrere Mitglieder, die aus den Reihen der einstigen sozialistischen Volkspartei PASOK stammen, aufs Abstellgleis delegiert.
Leer ausgegangen ist auch Fotis Kouvelis, der 2010 aus SYRIZA ausgetreten ist, und seine eigene Partei Demokratische Linke (DIMAR) gründete. Er hatte in den vergangenen Wochen zahlreiche Annäherungsversuche in Richtung SYRIZA gemacht: Bisher erfolglos.
Stärkung der Rechtspopulisten
Des Weiteren hat Tsipras seinen rechtspopulistischen Regierungspartner „Unabhängige Griechen“ (ANEL) mit zwei zusätzlichen Kabinettsmitgliedern gestärkt. Damit will er nicht zuletzt wohl auch ein versöhnliches Zeichen an die Adresse des Oberhauptes der griechisch-orthodoxen Kirche, Hiernonymos, senden. Im Vorfeld war die Beziehungen zwischen Regierung und Kirche in Bildungsfragen schwer auf die Probe gestellt worden. ANEL-Chef Panos Kammenos hatte gegenüber Hieronymos sogar Bereitschaft signalisiert, „die Regierung zu stürzen“, sollte Tsipras nicht den Wünschen des Kirchenoberhauptes entsprechen.
Die neuen Kabinettsmitglieder haben am Samstag ihren Eid abgelegt. Sie werden am heutigen Montag zum ersten Mal gemeinsam beraten.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi) entstand während der Vereidigung des neuen Kabinetts.