Am Donnerstagnachmittag beginnt im griechischen Parlament die Debatte über eine überarbeitete Vorlage für ein neues Wahlgesetz. Es soll bis zum 20. Juli verabschiedet werden. Darin vorgesehen ist u. a., den derzeit geltenden Bonus von 50 der insgesamt 300 Parlamentssitze für die stärkste Partei abzuschaffen. Die 3-Prozent-Hürde für einen Einzug ins Parlament soll hingegen bestehen bleiben. Neu ist auch, dass Griechen bereits ab dem 17. Lebensjahr wahlberechtigt sein sollen.
Damit die Gesetzesnovelle bereits beim nächsten Urnengang gilt, wird eine Mehrheit von 200 der 300 Sitze benötigt. Sollten diese Stimmen nicht zustande kommen, dann reicht eine absolute Mehrheit von 151 Mandaten; allerdings würde das Gesetz dann erst beim übernächsten Urnengang in Kraft treten. Ausgenommen ist das Wahlrecht für die 17jährigen: Um sie schon bei der nächsten Gelegenheit an die Urnen zu bitten, genügt eine absolute Mehrheit.
Verdruss in der Fraktion der Sozialisten
Dem neuen Gesetz wollen die beiden Regierungsparteien SYRIZA und ANEL sowie die Zentrumsunion ihr Votum schenken. Auch der Partner der sozialistischen PASOK, die Demokratische Linke (DIMAR), hat sich offen für die von der Regierung vorgeschlagenen Veränderungen ausgesprochen. Das führte zu deutlichem Verdruss bei der PASOK, deren Fraktion mit „Nein“ stimmen will. Als Alternative haben die Sozialisten einen eigenen Fünf-Punkte-Plan auf den Tisch gelegt. Wie die Abgeordneten der DIMAR angesichts dieser Entwicklungen letztlich stimmen werden, ist ungewiss; die beiden Parteien zusammen haben 17 Stimmen in der Volksvertretung.
Konservative befürchten Instabilität
Was die größte Oppositionspartei, die konservative Nea Dimokratia (ND), betrifft, so ist diese konsequent gegen das geplante Gesetz. Ihrer Ansicht nach würde die Abschaffung des 50-Sitze-Bonus zu instabilen Koalitionsregierungen führen. Dieser Einwand ist sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings könnte sich auch eine Portion Eigennutz hinter dieser Politik verbergen: Änderungen des Wahlgesetzes wurden in der neueren griechischen Geschichte meist dann durchgeführt, wenn die amtierenden Regierungen befürchten mussten, beim nächsten Urnengang der Konkurrenz zu unterliegen. Umfragen zufolge liegen die Konservativen derzeit deutlich vor dem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) unter Ministerpräsident Alexis Tsipras.
Was die kommunistische KKE betrifft, so ist diese zwar mit der Abschaffung der Bonusregelung einverstanden. Sie beharrt jedoch darauf, dass auch die geltende 3-Prozent-Hürde für einen Einzug ins Parlament wegfallen müsse. Unter diesen Umständen kann die Regierung nicht mit den Stimmen der Kommunisten rechnen.
Ungewiss ist noch wie sich die faschistische Chryssi Avgi sowie unabhängige Parlamentarier verhalten werden. Die liberale To Potami wird dagegen stimmen.
Kritik erntete die Regierung nicht zuletzt deshalb, weil die ursprünglich vorgesehene Briefwahl für Auslandsgriechen in der Gesetzesnovelle nicht enthalten ist. Innenminister Panagiotis Kouroumplis kündigte allerdings in einem Radiointerview an, dass dieses Thema in einer zweiten gesetzgeberischen Initiative erneut auf den Tisch kommen soll.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Innenminister Kouroumplis, einen der Architekten des neuen Wahlgesetzes.