Am Sonntag werden knapp 10 Mio. Griechen (9.836.997) im ganzen Land an die Wahlurnen gerufen, um eine neue Regierung zu wählen. Es sind die fünften Parlamentswahlen seit 2009, dem Jahr des Ausbruchs der Krise. Sieben Ministerpräsidenten haben seither das Land regiert. Vielen Parteien, die die Regierungsverantwortung mit übernahmen, liefen die Wähler davon – auch die einstige sozialistische Volkspartei PASOK ist zur Kleinpartei geschrumpft.
Der Wahlkampf in diesem September verlief bisher sehr ruhig. Es wurden deutlich weniger Plakate geklebt, weniger Handzettel verteilt – für die Umwelt sicher ein Segen. Die Spitzenpolitiker sprachen vor weniger Menschen als in vergangenen Jahren, oftmals in geschlossenen Räumen. Dafür fand erstmals seit 2009 wieder eine Fernsehdebatte der Parteiführer statt, und am Montag noch ein Duell der Vorsitzenden der beiden größten Partein, des Bündnisses der Radikalen Linken (SYRIZA) und der konservativen Nea Dimokratia (ND) – siehe Beitrag auf dieser Seite. Der Wahlkampf verlagerte sich damit auf die Wohnzimmersofas. Doch auch hier war das Interesse eher gering und viele, die sich dazu schalteten, fühlten sich am Ende eher enttäuscht. Mit welchen konkreten Maßnahmen die Bürger in den kommenden Monaten konfrontiert werden, kam bei den Diskussionen recht verschwommen zum Ausdruck. Der SYRIZA-Vorsitzende Alexis Tsipras warb mit dem Slogan: „Lasst uns die Zukunft gewinnen und das Gestern beenden. Wir wollen das Griechenland der Masse“, während ND-Chef Evangelos Meimarakis für eine „Nationalmannschaft für Regierung und Verhandlungen“ warb. Unter dieser Voraussetzung, so seine Einschätzung, könne das Land „auf Entwicklungskurs gelangen“. Doch obwohl viele Griechen laut Umfragen eine große Koalition aus SYRIZA und ND befürworten, schloss Tsipras eine solche Option abermals kategorisch aus.
Bis Freitag dieser Woche läuft noch der Wahlkampf, er gipfelt mit den Abschlusskundgebungen der Parteien. Am Samstag haben die Wähler einen Tag der Besinnung vor sich, dann werden sie ihre Stimme abgeben. „Kaló Vóli!“ wünschen sich die Griechen an diesem Tag, was sich wohl ursprünglich aus der Zeit der Aufstände gegen die osmanischen Besatzer herleitet und damals bedeutete: „Einen guten Schuss“ – heute im Sinne von: Wähl das Richtige!
(Griechenland Zeitung / jh)
Unsere Aufnahme (© Eurokinissi) entstand während der Fernsehdebatte am Montagabend, die zwischen SYRIZA-Chef Alexis Tsipras und seinem Kontrahenten Evangelos Meimarakis (ND) im Gebäude der staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt ERT ausgetragen wurde. Mehr zu dieser Debatte und eine Reportage über die Atmosphäre kurz vor den Wahlen in Griechenland erfahren Sie in der neuen Ausgabe der Griechenland Zeitung, die gleich gedruckt wird.