Nach einer turbulenten Nacht hat das griechische Parlament am Freitagmorgen um 9 Uhr das dritte Spar- und Reformpaket (Memorandum III) abgesegnet.
Dafür gestimmt haben 222 der 300 Parlamentarier, dagegen waren 64. Elf haben sich der Stimme enthalten und drei waren nicht anwesend. Die „Ja“-Stimmen stammen überwiegend aus den Reihen der Regierungskoalition aus dem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) und den „Unabhängige Griechen“ (ANEL), aber auch die Volksvertreter aus den Reihen der konservativen Nea Dimokratia (ND), der sozialistischen PASOK und der liberalen „To Potami“ haben dafür gestimmt.
Trotz der arithmetisch gesehen problemlosen Verabschiedung des Paketes sieht sich Ministerpräsident Alexis Tsipras mit einem wachsenden Problem in den eigenen Reihen konfrontiert. Von den 149 SYRIZA-Abgeordneten stimmten 32 mit „Nein“ und 11 haben sich der Stimme enthalten; einer war abwesend. Die Option, dass Tsipras vom Parlament ein Vertrauensvotum fordern könnte oder gar einen vorverlegten Urnengang durchführt erhielt durch diese Entwicklungen weiteren Rückenwind. Falls ein solcher Fall eintreten sollte, rechnen Beobachter mit einer entsprechenden Ankündigung nicht vor dem 20. August bzw. erst nachdem die Geldgeber die erste Kreditrate an Athen ausgezahlt haben.
Das jüngste Abstimmungsprozedere, dass sich im Prinzip vom Donnerstagmorgen bis Freitagmorgen hinzog, war von heftigen verbalen Auseinandersetzungen umrahmt. Nicht zuletzt kam es dabei zu heftigen Attacken zwischen der Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou (SYRIZA) und Regierungsvertretern von SYRIZA. Dabei distanzierte sich die Parlamentspräsidentin vom Kabinett Tsipras u. a. mit den Worten „Sie und Ihre Regierung …“ Verurteil wurde von ihr auch die Tatsache, dass das Memorandum – das sie als „Monstermemorandum“ bezeichnete, im Eilverfahren durch das Parlament gebracht wurde; dies sei „inakzeptabel“. Zudem konstatierte sie: „Wir haben nicht das Recht, für dieses Memorandum zu stimmen“.
Deutlich vertieft wurde in den letzten Stunden der sich abzeichnende Bruch zwischen der „Linken Plattform“ bei SYRIZA und dem „Realoflügel“ unter Ministerpräsident Alexis Tsipras. Der Anführer der „Linken Plattform“, Ex-Minister Panajotis Lafazanis, sprach in einem Manifest von einer „Bewegung“, die die Sehnsucht des Volkes „nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit“ in die Tat umsetzt. Die Regierung warf Lafazanis daraufhin vor, dass er mit dieser Haltung dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble in die Hände arbeite. Niemals habe die Regierung vom griechischen Volk den Auftrag erhalten, das Land aus der Eurozone zu führen und zu einer eigenen nationalen Währung zurück zu kehren.
Fast noch schärfer als die „Linke Plattform“ positionierte sich am Donnerstag der SYRIZA-Jungendverband. Die Jung-Genossen sprachen sich u. a. für einen Austritt Griechenlands aus der EU aus.
Der SYRIZA-Vorsitzende und Ministerpräsident Tsipras verteidigte abermals das von ihm am 13. Juli mit den Geldgebern vereinbarte Spar- und Reformpaket. Man habe nicht etwa vor dem Dilemma „Memorandum oder ungeordnete Insolvenz“ gestanden. Vielmehr sei es um die Frage gegangen: „Memorandum im Euro oder Memorandum mit der Drachme“.
Der Vorsitzende des kleineren Regierungspartners ANEL Panos Kammenos kündigte an, dass dies das letzte Memorandum sei, dass Griechenland unterzeichnet habe.
Scharfe Töne schlug auch die europafreundliche Opposition an, deren Abgeordneten dieses Memorandum mit absegneten. Der Interimsvorsitzende der konservativen Nea Dimokratia (ND) Evangelos Meimarakis (ND) erklärte, dass seine Partei „die Auflösung des Landes stoppen“ werde. Außerdem solle sich die Regierung nicht absolut darauf verlassen, dass die Abgeordneten seiner Partei bei weiteren kritischen Abstimmungen im September oder im Oktober erneut mit „Ja“ Stimmen würden.
(Griechenland Zeitung / eh, jh)
Unser Foto (© Eurokinissi) entstand in dieser Nacht am Denkmal des Unbekannten Soldaten vor dem griechischen Parlament in Athen. Während im Gebäude heftige Diskussionen geführt werden, versieht der Soldat der Garde streng nach dem Reglement seinen Dienst.