Im Hafen von Piräus hat heute ein Schiff mit 1.300 Flüchtlingen am Kai festgemacht. Sie alle kommen von der Insel Kos, wo sich in dieser Woche bis zu 7.000 Immigranten aufhielten, die über keine gültigen Reisepapiere verfügen. Ihr Ziel ist es, den Status von Asylbewerbern zu erhalten, was mit einer Genehmigung zur Weiterreise verbunden ist. Bei vielen der Ankömmlinge auf Kos handelt es sich um Kriegsflüchtlinge aus Syrien. Doch die 35.000-Einwohner-Insel war auf einen solchen Anstrom von Flüchtlingen nicht vorbereitet.
Medienberichten zufolge standen in den letzten Wochen lediglich 10 Polizisten für die Aufrechterhaltung der Ordnung in diesem Bereich zur Verfügung. Um dieses Defizit auszugleichen, wurden am Dienstag zwei Einheiten der Bereitschaftspolizei MAT mit Transportmaschinen auf der Insel eingeflogen. Für negative Schlagzeilen hatte zuvor ein Video gesorgt, auf dem ein Polizist zu sehen ist, der einem Immigranten eine Ohrfeige gibt. Zudem hielt der Mann ein Messer in der Hand. Der Ordnungshüter entschuldigte sich anschließend bei allen Asylsuchenden. Er gab jedoch zu bedenken, dass er und seine Kollegen eindeutig überfordert seien. Bei einem Handgemenge sei er selbst verletzt worden und musste für Tage stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Das Messer, das er in der Hand hielt, sei einem der Immigranten aus der Tasche gefallen. Der Polizist wurde wegen des Vorfalls umgehend vom Dienst suspendiert. Auf seine Seite stellte sich die Vereinigung der Polizisten der nördlichen Dodekanes-Inseln. Sie stellten fest, dass dies ein Resultat der „Intensität“ sei, mit der sie derzeit bei ihrer Arbeit konfrontiert würden. Im griechischen Fernsehen wurden auch Bilder von Polizisten gezeigt, die versuchten, eine aufgebrachte Menschenmenge durch das Auslösen von Handfeuerlöschern aufzuhalten. Inzwischen, so erklärte Bürgermeister Jorgos Kyritsis, habe sich die Lage wieder beruhigt.
Doch nicht nur Kos ist von der Flut der Flüchtlinge betroffen. Mit noch mehr Ankömmlingen müssen etwa die Inseln Samos und Lesbos zurecht kommen. Auf den Inseln läuft das Tourismusgeschäft in diesen Wochen auf Hochtouren, Branchenkenner äußern allerdings die Befürchtung, dass die jetzige Situation negative Auswirkungen auf das kommende Jahr haben könnte.
Nach ihrer Ersterfassung kommen die Immigranten meist nach Athen. Dort sind sie sich mehr oder weniger ihrem eigenen Schicksal überlassen. Viele übernachten mit ihren Familien im Freien. Ein provisorisches Aufnahmelager, das gegenwärtig im Stadtteil Elaiona eingerichtet wird, soll in der kommenden Woche bezugsfertig sein. Allerdings ist auch das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da das Lager lediglich aus etwa 90 Container-Baracken besteht, in denen jeweils sechs bis maximal acht Personen untergebracht werden könne.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi) entstand auf der Insel Kos, wo die Ankömmlinge vorübergehend in einem offenen Sportstadion einquartiert wurden.