Ich sehe zu, wie Vassilis den Darm, einen bleichen, feuchten Schlauch, sorgfältig säubert. Das abgezogene Schaffell hängt überm Zaun, Katzen kauern in der Nähe. Nachdem er den Hammeldarm gewaschen hat, wendet er die Innenseite nach außen und säubert diese ebenfalls sorgfältig. In meinen Augen keine appetitanregende Angelegenheit, weshalb ich das Kokorétsi lange Zeit verschmäht habe.
Jetzt nimmt Vassilis ein scharfes Messer zur Hand und schneidet die ebenfalls gesäuberten Innereien in nicht zu kleine Stücke, damit er sie auf den Spieß stecken kann. Die Innereien und den Darm reibt er mit reichlich Salz, Pfeffer und Oregano ein. Dann steckt er die stark gewürzten Kuttelstücke abwechselnd mit einem Stück Hammelfett auf den Spieß. Das Ganze umwickelt er stramm mit dem Darm, wobei er die Windungen in regelmäßigen Abständen verknotet und fest anzieht, damit das Ganze zusammenhält. Er reibt den Kuttelspieß nun nochmals mit Salz, Pfeffer und Oregano ein und stellt ihn einige Zeit aufrecht, damit er abtropfen kann. Der alte Spyros, ein wortkarger, hilfsbereiter Witwer, der sich ständig in der Taverne aufhält, kümmert sich derweil um das Holzkohlefeuer. Nachdem die Gewürze eingezogen sind und der Spieß abgetropft ist, hängt Vassilis ihn übers Feuer und grillt ihn. Ist das Kokoretsi gar, zieht Vassilis es vom Spieß herunter und seine Frau Anna schneidet es in mundgerechte Stücke. Mittlerweile bin ich an die Herstellungsweise des Kokoretsi gewohnt. Der knusprige Darm, der die Innereien zusammenhält, schmeckt mir besonders gut. Vassilis ist einer der Metzger im Ort und bereitet das Kokoretsi nicht nur an Feiertagen zu, sondern wann immer er schlachtet. Vor seiner Taverne dreht sich das Kokoretsi am Grill. Die Ortsansässigen holen ihre Esspaket zum Mitnehmen oder Ferkel und Lämmer ab, die Vassilis für sie zubereitet. Oft sitzen wir im Schatten der Bäume bei einem Ouzo, bei einem Glas Wein beisammen ... um auf unser Takeout zu warten. In der Fastenzeit hörte auch der Grillspieß auf, sich zu drehen. Dann vermissen wir das gemeinsame Essen mit den Griechinnen und Griechen, die Zusammenkünfte mit Freunden und Freundesfreunden am Ionischen Meer. Das stundenlange Beisammensitzen zu Tisch, der sich unter den Speisen biegt. Aber der Frühling steuert nun schon seinem Höhepunkt zu.. Ostern steht vor der Tür, und auch mit dem Kokoretsi geht es bald wieder richtig los. Dazu gibt es frisches Brot, Feta oder Salat. Und statt Kali orexi! (Guten Appetit!) heißt es dann Chrónia Pollá! Viele Jahre! (Griechenland Zeitung / Linda Graf)